Ottilia Ruatti vor ihrem Haus.

„…das ist mein letzter Wunsch“

Publiziert in 30 / 2019 - Erschienen am 10. September 2019

Naturns - „Es gibt keinen gesetzlichen Aufhänger, um den Abbruch des alten Hauses am ‚Saumoarhof’ weiter aufzuschieben.“ Das bestätigte kürzlich der Naturnser Bürgermeister Andreas Heidegger dem der Vinschger. Er sehe sich aus gesetzlicher Sicht verpflichtet, den Abbruch zu verfügen. Die Entscheidung werde er Mitte September treffen, „nach Rücksprache im Ausschuss.“ Vor 3 Jahren hatte Heidegger nach der Errichtung einer neuen Hofstelle einen Aufschub gewährt, nachdem ihn die Bewohnerin des alten Hauses, Ottilia Ruatti, darum gebeten hatte. „Wir haben es mit einer sozialen und menschlichen Notsituation zu tun“, hatte Heidegger damals im Gemeinderat argumentiert. Er nahm die Verantwortung für sein „gesetzlich nicht ganz konformes Handeln“ auf seine persönliche Kappe. Ottilia, Jahrgang 1941, lebt noch immer im alten Haus und hat die bei der neuen Hofstelle für sie erbaute Kleinwohnung nicht bezogen. In einem Brief an den Bürgermeister und an die Sozialreferentin hat sie am 17. August dieses Jahres „noch einmal eine große Bitte“ geäußert und ihren „letzten Wunsch“ kundgetan: „Bitte lasst mich in meinem Heimathaus leben. Es ist mein Tod, wenn ich da hinaus muss.“ Ottilias Tochter Luise appelliert nun in zwei getrennten Briefen, gerichtet an den Bürgermeister und an die Sozialreferentin Christa Klotz, an das „soziale Gewissen“ der Verwalter. Schon seit Jahren begleite und betreue sie ihre Mutter in allen ihren gesundheitlichen Belangen. Wie es um den Gesundheitszustand ihrer Mutter bestellt ist, belegen ärztliche Unterlagen, die den Briefen beiliegen. Der Gesundheitszustand sei schwerwiegend. Luise Ruatti: „Zu den Diagnosen von 2016 sind nun weitere schwere Neuerkrankungen dazugekommen. Unter anderem eine Herzoperation und die dritte Krebserkrankung.“ Ihre Mutter dürfe daher „keinerlei emotionalen Belastungen ausgesetzt werden.“ Nach der dritten Krebsoperation Anfang 2019 habe sich ihre Mutter „in der vertrauten Umgebung am Saumoarhof zusehends gut erholt.“ Ihr geliebter Garten habe ihr Zerstreuung geboten und das Wachsen der Blumen und Pflanzen habe sie wieder mit Lebensfreude erfüllt. „Das ständige Bangen um ihr Bleiberecht und der Druck, den sie spürt, dass ihr altes Heimathaus abgerissen werden soll und sie auch noch Schuld sei, dass ihr Sohn existenziell bedroht wird durch die Strafen, treibt meine Mutter in die Verzweiflung“, heißt es im Brief an den Bürgermeister. Heidegger wird ersucht, „im Sinne der sozialen Frage, die einen Aufschub des Abrisses gesetzlich möglich macht, einen Akzent der Menschlichkeit zu setzen.“ Der Bürgermeister solle „alles Mögliche tun, um der alten Mutter endlich die Sicherheit zu bieten, in Ruhe und Frieden ihre letzte Lebenszeit selbstbestimmt in ihrem Saumoarhof verbringen zu dürfen.“ Auch im Schreiben an Christa Klotz warnt Luise Ruatti davor, „dass meine Mutter unter keinen Umständen einer emotionalen und psychischen Belastung ausgesetzt werden darf.“ Als Referentin für Soziales solle sie sich „umgehend und dringend für die Belange meiner kranken Mutter einsetzen und die zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, um der alten Frau im Sinne einer sozialen werteorientierten Politik einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen und schweres Leid abzuwenden.“ Wie Luise Ruatti dem der Vinschger bestätigte, sei ihr Bruder Florian, der Besitzer des Hofes, stets bereit gewesen, das alte Haus gesetzmäßig abzubrechen, er habe aber aufgrund der Bitten und des Zustandes der Mutter immer wieder Rücksicht genommen und bis jetzt auch „schwerwiegende finanzielle Einbußen in Kauf genommen“, ganz abgesehen von Gerüchten und Verleumdungen. Am vergangenen 27. August hat Ottilia Ruatti auch einen Brief an den Landeshauptmann aufgesetzt, in dem sie ihre Verzweiflung zum Ausdruck bringt: „Ich liebe meine Heimat, wo ich immer fest gearbeitet und gespart habe … und jetzt soll ich von meinem lieben Heimathaus gehen, das schaffe ich nicht … Bitte helfen Sie mir, dass ein alter Mensch noch einen Wert hat“. „Ein Aufschub des Abbruchs, sprich die Duldung des Wohnrechts auf Widerruf, liegt im ausschließlichen Ermessen der Gemeindeverwaltung und wäre unschwer ‚sozial’ zu begründen“, heißt es in der Bitte Luise Ruattis an die Sozialreferentin. Den Bürgermeister ersucht sie, die Abbruchverpflichtung zu Lebzeiten ihrer Mutter auszusetzen.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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