Monika Wellenzohn, Präsidentin des Bürgerheimes, mit Uni-Professor Reimer Gronemeyer

Demenz – eine soziale Herausforderung?

„Demenz ist keine Krankheit“ nannte Reimer Gronemeyer seinen Vortrag, der vom Bürgerheim und dem Bildungsausschuss organisiert wurde.

Publiziert in 5 / 2018 - Erschienen am 13. Februar 2018

Schlanders - Demenz ist ein brennendes Thema, jetzt und in Zukunft noch mehr. Besonders die Frage, was die Gesellschaft mit den Menschen mit Demenz in Zukunft machen soll, muss gestellt werden. Doch „die Antwort ist das Unglück der Frage“ zitierte der bekannte Referent Reimer Gronemeyer den deutschen Romantiker Novalis und zeigte damit auch schon die Hilflosigkeit der Gesellschaft, aber auch der Medizin gegenüber der Diagnose Demenz auf. „Unsere Antwortgesellschaft muss feststellen, dass sie auf bestimmte Fragen keine Antwort hat“, sagte Gronemeyer. Die Medizin nämlich gebe ein frustrierendes Signal, dass auch in den nächsten 20 Jahren kein Medikament die Demenz heilen kann. Medikamente können zwar die Phase verlängern und die Erscheinung der Symptome mildern, aber die Demenz sei ein Phänomen des Alters, und es gehöre zum menschlichen Leben, dass im Alter der Verstand, ähnlich wie das Gehör oder die Sehkraft, verloren gehe. So sei es wichtig, besonders die soziale Seite von Demenz zu fördern und die Sensibilität zu entwickeln, die Hilfsbedürftigkeit der Menschen und ihrer Angehörigen zu erkennen. „Demenz wird eine große soziale Herausforderung unserer Gesellschaft, und niemals wird es genug Geld geben, all die betroffenen Menschen professionell zu betreuen“, so Professor Gronemeyer, der sich an der Universität in Gießen mit den Fragen des Alterns in der Gesellschaft beschäftigt. Umso wichtiger sei der zivilgesellschaftliche Aufbruch hin zu einer demenzfreundlichen Gemeinde, in der das Schenken von Zeit, Wärme und Zuwendung auf Freiwilligkeit basiert und in der augenblickliche Hilfe von Nachbarn, Mitbürgern und den Verantwortlichen der Gemeinde geleistet wird. „Hinschauen auf die Not und Betroffenheit der Angehörigen und sie in ihrer Aufgabe unterstützen“ forderte der Referent das zahlreiche Publikum auf. Reimer Gronemeyer hat oft versucht, den Ursachen von Demenz auf den Grund zu gehen. Es seien viele Faktoren, die die Demenz begünstigen, wie ein ungesunder Lebensstil, wenig Bewegung, Junkfood, zu viel Zucker, Medikamentenmissbrauch usw.  Vielleicht habe Demenz auch etwas damit zu tun, dass Menschen im Alter ihre soziale Rolle verloren haben, dass sie zwar finanziell versorgt sind, sich aber in einer „kulturellen Wüste“ befinden und sich zu nichts mehr gebraucht fühlen. Demenzkranken Menschen muss man die Welt begreifbar machen, denn sie leben in einer Welt, die schwer zu begreifen ist. Das Beste sei Beschäftigung, und etwas wehmütig erinnerte er sich an eine ältere Tante, die zwar „tüddelig“ war, aber mit Hühnerfüttern, Holz tragen usw. eine Beschäftigung und Berechtigung im Alter gefunden hatte. Demenzkranke Angehörige zu Hause zu pflegen werde irgendwann zur Überforderung, in der letzten Phase solle man auch kein schlechtes Gewissen haben, sich in einer Pflegeeinrichtung Unterstützung zu suchen.  Monika Wellenzohn, Präsidentin des Bürgerheims von Schlanders dankte dem Referenten und mahnte, dass man sich der Verantwortung über sich selbst und der demenzkranken Angehörigen bzw. Mitbürger in Zukunft nicht entziehen könne.

Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.