Der harte, weiße Stein von allen Seiten
Das Ergebnis einer Tagung: Marmor ist mehr als Gestaltungsmaterial und Industrieprodukt.
Laas - Vinschgauer Geschichte liegt dem Südtiroler Kulturinstitut am Herzen. In diesem Sinne eröffnete Martin Trafoier, Verwaltungsrat des Kulturinstituts, die „Internationale Tagung ‚Der Laaser Marmor‘“. Nach 12 Referaten in der Werkstatt der Berufsfachschule für Steinbearbeitung „Johannes Steinhäuser“ erwies sich der Titel „Laaser Marmor“ fast als unzureichend. Dies merkten wohl auch die Gemeinde Laas und die Verwaltung bürgerlicher Nutz-ungsrechte als Ausrichter und Herbert Raffeiner aus Tschengls als organisierender Tagungsleiter. Mit dem kurzen Hinweis „Wir kratzen am gleichen Berg“ hatte Oswald Angerer, Präsident der Eigenverwaltung Laas, das erste Mal kurz den Finger zwischen die „Vinschgauer Marmorblöcke“ gelegt. Als stimmungsvolle Hinführung wurde der Vortrag des Fotografen Gianni Bodini empfunden. In ihren Grußworten betonte Bürgermeisterin Verena Tröger den Stolz der Laaser auf ihren Marmor. Mit Wolfgang Platters Referat ging es nach Herbert Raffeiner „ins Grundsätzliche“. Dem Biologen und früheren Nationalparkdirektor aus Laas ging es um Antworten auf die Fragen: „Wie entstehen Gebirge? Wie sind die Alpen entstanden? Wie ist der Marmor in die Jennwand gekommen und wie groß ist das Vorkommen? Welche chemischen und physikalischen Eigenschaften hat der Marmor im Jennwand-Massiv? Gibt es Unterschiede zwischen dem Laaser und dem Göflaner Marmor?“ Es versteht sich, dass die 4,6 Milliarden Jahre bis zum Entstehen des Marmors als Kapitel eines Tagungsbandes aufscheinen müssen. Auf Platter folgte der Historiker David Fliri aus Taufers im Münstertal mit einem Referat über neue Schriftquellen zum Marmor. Er überraschte mit dem Hinweis auf die erste Erwähnung des „weißen Vinschgauer Marmors in Göflan“ aus dem Jahre 1578. Hansjörg Telfser aus Kortsch wurde als Autor grundlegender Publikationen zu den Themen Marmor und Steinmetzschule angekündigt. Telfser ging auf die Hintergründe des verhinderten Schulhausbaues in Laas und die Verlegung der Schule nach Bozen ein. Die emeritierte Professorin Ingeborg Schemper-Sparholz aus Wien hatte ein Zitat von Louis Sussmann-Helborg aus dem Jahre 1871 gewählt: „Dieser Marmor ist das recht eigentliche für die deutsche Bildhauerei geschaffene Material“. Sie wies ebenfalls auf die Tatsache hin, dass der Begriff „Laaser Marmor“ in der Literatur kaum vorkomme. Die zweite Wiener Referentin war die Lektorin Caroline Mang mit dem Thema „Die Verbindung von Geologie und Kunstgeschichte“. Dazu führte sie den Bildhauer Caspar von Zumbusch ins Feld. Er soll um 1886 die fehlende Wertschätzung des „Tiroler Marmors“ sehr bedauert haben. Der Volkskundler aus Innsbruck, Reinhard Rampold, wird mit dem Vortrag „Historische Böden aus Laaser Marmor in Tirol“ den einen oder anderen Kirchenbesucher anregen, auch nach unten zu schauen. Mit Wittfrida Mitterer trat die wachsame Bewahrerin von technischen Kulturgütern ans Rednerpult. Sie hatte eindrucksvolles Filmmaterial zur Laaser Schrägbahn im Gepäck. Die oder eine italienische Sicht auf die Verflechtungen und besitzrechtlichen Verhältnisse der „Lasa Marmo“ warf der aus Padua stammende Historiker Giorgio Mezzalira. Dabei untersuchte er die Rolle des Marmorwerks als Bollwerk der „Italianita´“ im Vinschgau. Kunsthistorikerin Eva Gratl wurde das Unterfangen anvertraut, über die zeitgenössische Kunst aus Laaser Marmor zu referieren. Sie titelte „Faszination Weiß“ und hat gleich 3 Ateliers in Laas besucht. Auf Eva Gratl folgte der Vortrag des aus Laas stammenden Innsbrucker Wirtschaftsprofessors Gottfried Tappeiner. „Laaser Marmor als wirtschaftliche Herausforderung zwischen Erfolg und Ruin“.
Tappeiner befasste sich mit der Industrie im bäuerlichen Umfeld, mit dem Spannungsfeld deutsch oder italienisch, mit der erzwungenen Weltoffenheit durch Zuwanderung, mit den Möglichkeiten der Nebenerwerbslandwirtschaft, mit den zwei Seiten der Leidenschaft für den Marmor und beschrieb die derzeitigen „Marmor-Beziehungen“ zwischen Laas und Göflan mit dem Ausdruck „Kindereien“. Beim Thema „Marmor und Literatur“ mutete der aus Prad stammende Literaturwissenschaftler Toni Bernhart dem Publikum eine verträgliche Dosis zu mit Josef von Eichendorffs „Marmorbild“, mit Rainer Maria Rilkes „Marmor-Karren“, Ernst Jüngers „Marmorklippen“ und Franz Tumlers „Marmorstück“.