Die neue Bronzefigur von Hans dem Sager
Die Marlinger Gießer Stefan (links) und Vinzenz Dirler
Mauro Dalla Barba und Maria Kuppelwieser
Das Wachspositiv, umhüllt mit Schilfrohren, fixiert mit Nägeln. 

Der Sänger auf Zeit für die Ewigkeit

Die hölzerne Figur von Hans dem Sager war 100 Jahre lang in Latsch zu sehen. Nun ist der Spielmann – in Bronze gegossen – wieder an seinem Platz.

Publiziert in 9 / 2022 - Erschienen am 10. Mai 2022

Latsch - Die Figur von Hans dem Sager wurde 1921 in Latsch aufgestellt; geschnitzt hatte sie der in Latsch als Tuifele-Maler bekannte Gottfried Gamper. Die 100 Jahre hinterließen an der Figur Spuren, aufwändige Restaurierungen waren alle zehn Jahre fällig. Die Idee, den Hans für immer und ewig in Latsch zu halten, kam Bürgermeister Mauro Dalla Barba bereits, als er Kulturreferent war. Der Beschluss wurde 2021 anlässlich Hans‘ hundertjährigem Geburtstag gefasst. „Im Vergleich zu den immer wieder notwendigen Restaurierungsarbeiten der Holzfigur schneidet die Bronzeplastik sehr gut ab“, sagt die seit 2020 tätige Kulturreferentin Maria Kuppelwieser: „Die Figur hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Auch diejenigen Latscher, die die Figur bereits gesehen haben, sind begeistert“. Im Sommer dieses Jahres sei eine Einweihung angedacht, sagt die Referentin – und fügt hinzu: „Die Leihgabe des Latscher Menhirs an das Landesmuseum Zürich und der bronzene Hans zählen mit zu den besonderen kulturellen Ereignissen der schwierigen letzten zwei Jahre“.

Vor dem Bronzeguss eine Grundsanierung

Verantwortlich für den Bronzeguss ist Südtirols einzige Kunstgießerei Stefan Dirler aus Marling. Gemeinsam mit dem Restaurator Werner Gruber wurde beschlossen, den Guss so zu gestalten, dass die neue Plastik auf die vorhergehende Figur Bezug nehme, sagt Stefan Dirler und verweist damit auch auf das verwitterte Holz. Doch die Gießer mussten den einzigen urkundlich erwähnten Minnesänger aus dem Vinschgau erst einmal sanieren. Das Holz war morsch, lediglich Lack und Farbe hielten die Teile zusammen, etliche vorherige Restaurierungen traten zu Tage. Sie rekonstruierten anhand von Fotos den fehlenden Arm – der jedoch tauchte unvermittelt wieder auf. „Die Holzstruktur wollten wir sichtbar lassen, größere Sprünge mussten wir jedoch zusammenfügen, damit die Figur in sich stimmig wird“. Einen Winter lang arbeiteten Vater und Sohn am Zusammenfügen und Stabilisieren der Figur, bis sie im Wachsausschmelzverfahren gegossen werden konnte. Die Speziallegierung „Renaissance-Bronze“ umhüllt nun den Johanni dicto Sager de Laetsch oder Johanni Cantori de Laetsch, wie die urkundlichen Erwähnungen den Troubadour nennen. Vor dem Einsatz der Bronze, wie sie bereits im 4. Jahrtausend vor Christus mit dem Hauptbestandteil Kupfer genutzt wurde, um Werkzeuge herzustellen, wurden zwei Negative der Figur erstellt. Mit Hilfe von Gips und Silikon, das die Originalfigur umhüllt, wird das erste Negativ erstellt. Damit wird ein Wachspositiv gegossen. Eingemauert mit Ton, Gips, Schamott und Lehm, ummantelt von Schilfrohren, fixiert mit Nägeln und Drähten, entsteht durch Brennen die Gussform; das Wachs entweicht: Cera persa. Anschließend fließt die flüssige Bronze von oben durch die ausgebrannten Schilfrohre nach unten, steigt dann wieder auf und gibt so der Figur ihre bronzene Haut. Mit der sogenannten Schwefelleber, einer Patina aus Pottasche, wird der Farbton weiter bearbeitet, eine abschließende Wachsschicht schütze dann die Patina vor schädlichen Umwelteinflüssen, erklärt Vinzenz Dirler.

Übernamen, Botengänge, Zahlungen

Hermann Theiner, seit mehr als einem halben Jahrhundert in Sachen Regionalgeschichte vom Mittelalter bis zum Barock und darüber hinaus unterwegs, sprudelt spontan einige Namen, wie jenen von Ludwig Schönach und hilft so, im spärlichen Informationsmaterial über den Hans wenigstens einen urkundlichen Eintrag zu entdecken. In den von Schönach durchforsteten Urkunden sind Zahlungen an den Sänger und Sager verbucht; z.B. „1338 Juni 23. Egno v. Galsaun, Richter zu Laas, verausgabt auf Raitung vom 25. Juni 1335 bis 25. Juni 1338: Item dedit Johanni cantori de Laetsch“ [aus: Die fahrenden Sänger und Spielleute Tirols (1250-1360), Ludwig Schönach, 1887]. Der Sänger kann ein Gefolgsmann der Annenberger Herren gewesen sein, erklärt Hermann Theiner: „Die Herren von Annenberg besaßen im Meraner Obermais einige Höfe, die Hagenach hießen. Der Hans hieß eigentlich „Hans von Hagenach“. Ihn wundert, dass gerade im großen Archiv der Annenberger keine Originaltexte von Hans enthalten sind. Die Ausgaben für die Spielmänner fielen laut Schönach sehr unterschiedlich aus, gemeinsam blieb ihnen bis zum 17. Jahrhundert die Tradition der Übernamen: „ … z.B. Hahnenkampf, der Fiedler Schanprüllen, Sänger Nernsnabel… … Pfeifer Hasensprung ect“. Auch ihre Verwendung als Boten an Fürsten- und Kaiserhöfe verdiene gebührende Beachtung. Sollte es in Zukunft weitere Forschungen geben, wird der bronzene Hans dafür sorgen, dass nachkommende Generationen ihn nicht vergessen. Zum runden Geburtstag des Spielmanns gesellte sich ein weiterer. Kunstgießer Vinzenz Dirler wurde am 20. April, am Tag des Aufstellens der 200 Kilogramm schweren Plastik, 70 Jahre alt. „Ein perfekter Geburtstag“, sagt er, „meine Arbeit ist mein Leben“.

Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein
Vinschger Sonderausgabe

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