Immer, wenn „Edi 2000“ durch den Vinschgau fährt, macht er in Schlanders Halt, wo er einst gute Zeiten verbracht hat.

Edi, der Zauberer

Publiziert in 23 / 2014 - Erschienen am 18. Juni 2014
In den 1960er Jahren kam Edward Vidmar ausgehungert nach Schlanders. Auszüge einer bewegten Lebensgeschichte. Schlanders - Er ist ein guter Mundharmonika-Spieler, ein Zauberkünstler, Schnellzeichner und Alleinunterhalter besten Stils. Vor allem aber ist „Edi 2000“ ein Lebenskünstler. Nur wenige wissen, dass er sich in den 1960er Jahren mehrfach in Schlanders aufhielt und bei verschiedenen Bauern Brot und Arbeit fand. „Als ich das erste Mal hierherkam, war ich buchstäblich ausgehungert“, erzählte „Edi 2000“ kürzlich dem der Vinschger. Er war für wenige Tage nach Schlanders gekommen und trat bei der Bar ­„Cremona“ als Zauberkünstler auf. „Edi 2000“ hieß eigentlich die Firma, die Edward Vidmar in den 80er Jahren eröffnete. Die Firma ging in Konkurs, der Name blieb erhalten. Edwards Lebensgeschichte ist einzigartig und von vielen Tiefs und Hochs geprägt. Geboren wurde er 1947 in Maribor in Slowenien, das zum damaligen Jugoslawien gehörte. Vater während der Taufe erschossen Als Edis Eltern Vida und Janko ihr Kind als überzeugte Katholiken im kommunistischen Jugoslawien zur Taufe brachten, drangen Partisanen in die Kirche ein und erschossen Janko. Die Mutter wurde festgenommen und zum Verhör gebracht. Später sagte man ihr, dass ihr Sohn infolge einer Krankheit gestorben sei. Edi wurde in ein Heim gesteckt, wo er die ersten Kinderjahre verbrachte und ­außerdem den Namen Boris erhielt. Kloster-Schwestern brachten den Heimkindern Singen, Tanzen und Zeichnen bei. Edi fiel schon zu dieser Zeit als sehr begabter Junge auf. Im Alter von 5 Jahren wurde er von einem Ehepaar adoptiert und lebte fortan in Ljubljana (Laibach) in Slowenien. Die Zieheltern förderten die Fähigkeiten von Edi. Die Ziehmutter schenkte ihm eine Mundharmonika. Als 12-Jähriger wurde er erneut getauft. Nachdem es den Zieheltern nicht gelungen war, genauere Informationen über seine Herkunft und Daten in Erfahrung zu bringen, wurde aus „Boris“ Edward. Wenige Zeit nach der zweiten Taufe erkrankte Edis Ziehvater und starb. „Sein Tod belastete mich sehr“, erzählt Edi. Er fing an, in einer Fabrik zu arbeiten. Auch als Hirte versuchte er sein Glück. Fluchtversuche Mit 16 unternahm er den ersten Fluchtversuch aus dem ehemaligen Jugoslawien. Es folgten etliche weitere missglückte „Ausreiseversuche“ in Richtung Österreich, Deutschland und Italien. Edi wurde wiederholt gefasst und in Gefängnisse gesteckt. Doch seinen Drang, Jugoslawien zu verlassen, konnte nichts und niemand besiegen. Schon allein Edis Fluchtversuche böten Stoff genug, daraus einen Roman zu schreiben, nicht aber einen erfundenen, sondern einen, wie ihn nur das Leben schreiben kann. Selbst bei Aufenthalten in Gefängnissen und Krankenhäusern trat Edi als Zauberer und Alleinunterhalter auf. Das brachte ihm etwas Geld, aber auch Respekt und Achtung ein. Nach all dem, was er bis dahin erlebt und mitgemacht hatte, empfand Edi den Militärdienst in Slowenien als „einfach“ und „langweilig“. Seine Aufenthalte in Schlanders seien insgesamt eine gute Zeit für ihn gewesen: „Viel harte Arbeit, gutes Essen, neue Freunde.“ Er arbeitete bei verschiedenen Bauern, stellte eine über 100 Meter lange Mauer auf, die heute noch steht, pflückte Äpfel und verrichtete weitere Arbeiten. Erinnerungen an Schlanders Noch gut in Erinnerung hat Edi u.a. den Malanzhof: „Dort wurde ich als richtiger Knecht eingestellt und überhaupt war das der beste Bauernhof, den ich je gesehen hatte. Es gab sehr gutes Essen und die Familie war streng katholisch. Die waren so gute Katholiken, dass die Suppe während des Tischgebetes kalt wurde. Jeden Sonntag fuhr die ganze Familie mit mir in die Kirche. Alle mochten mich sehr gerne.“ In seiner Freizeit fing Edi an, Fußball zu spielen „und nach nicht allzu langer Zeit trat ich dem Fußballverein von Schlanders bei.“ Irgendwann kaufte er sich eine Fahrkarte nach Dornbirn. Von dort zog er nach Lustenau, wo ein Bruder seiner Adoptivschwester Dinka lebte. Er fand in Lustenau Arbeit und lernte Rosa kennen, die wie eine zweite Mutter für ihn wurde. Als er erfuhr, dass seine Ziehmutter Liza im Sterben lag, reiste er sofort nach Slowenien. Ihr Tod traf ihn sehr hart: „Ich fühlte mich plötzlich ganz alleine auf dieser Welt. Jetzt hatte ich niemanden mehr bis auf meine Ersatzmutter Rosa.“ „Mein größter Fehler“ Als Lizas Ziehsohn erbte Edi viele Hektar Tannenwald. Er aber verkaufte den Wald, um sich ein neues Auto und eine Fahrkarte nach Hamburg zu besorgen. „Das war der größte Fehler meines Lebens“, sagt Edi. Auf der Reeperbahn war sein Geld in wenigen Tagen aufgebraucht. Er suchte sich erneut eine Arbeit und spielte in den Hafenlokalen Mundharmonika. Später war er Kellner und Unterhalter in einem FKK-Sauna-Hotel. Nach weiteren „Irrwegen“ kehrte Edi zu Rosa zurück, die wenig später starb. Einige Zeit nachher heiratete er. Die Ehe hielt nur 8 Jahre. Daraufhin zog Edi in die Schweiz. Er setzte seine Malerei fort, meldete sich als Alleinunterhalter an und wurde als Zauberkünstler „Edi 2000“ bekannt. 2005 zog es ihn wieder nach Lustenau, wo er heute noch lebt. sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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