Das so genannte „Tschoggnhaus“ an der Tschirlander Brücke.

„Eine politische Aussage“

Causa „Tschoggnhaus“ in Naturns: Gemeinderat pocht auf Souveränität.

Publiziert in 6 / 2024 - Erschienen am 26. März 2024

NATURNS - „Die Entscheidung, einen Bauleitplan abzuändern, muss beim Gemeinderat liegen. Das ist auch in unserem Sinne, im Sinne des Ausschusses. Der Gemeinderat soll nicht abgewertet werden, daher ist dies auch eine politische Aussage“, fand Bürgermeister Zeno Christanell bei der Gemeinderatssitzung am 18. März klare Worte. Konkret ging es um Punkt 8 der Tagesordnung. Aufgrund eines Urteils des Staatsrates aus dem vergangenen Sommer musste eine neuerliche Ablehnung eines Vorschlags zur Bauleitplanänderung her. Die Rechtsanwälte Erwin Dilitz und Alexander Laimer, in deren Besitz das so genannte „Tschoggnhaus“ samt umliegendem Grund ist, wollten hier, im Ortsteil Kompatsch an der Tschirlander Brücke, durch eine Bauleitplanänderung den Bau eines größeren Mehrfamilienhauses erwirken. Umgebendes landwirtschaftliches Grün wäre umgewidmet worden. Der Ausschuss unter Bürgermeister Andreas Heidegger hatte noch 2017 die Bauleitplanänderung in die Wege geleitet, der Naturnser Gemeinderat hatte sie jedoch 2018 abgelehnt. Die Betroffenen reichten Rekurs ein. Nachdem das Verwaltungsgericht in Bozen der Gemeinde Naturns Recht gegeben hatte, gab der Staatsrat in Rom, zweite und höchste Instanz in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, den beiden Rechtsanwälten Recht. Im Urteil sei es aber insbesondere auch darum gegangen, dass die Begründung der Ablehnung des Vorschlags der Bauleitplanänderung nicht ausreichend sei, erklärte Vize-Gemeindesekretär Philipp Fliri. Der Gemeinderat könne nochmals darüber entscheiden und dies entsprechend begründen.

„Ein richtungsweisendes Thema“

Somit galt es, den Vorschlag zur Bauleitplanänderung erneut in den Gemeinderat zu bringen und Gründe der Ablehnung näher zu erläutern. „Wir wollen den Vorschlag wiederum ablehnen, einmal aufgrund inhaltlicher Natur mit einer besseren Begründung, aber zweitens auch weil es wichtig ist, dass die Souveränität beim Gemeinderat bleibt. Es ist ein richtungsweisendes Thema. Es soll in Zukunft nicht so sein, dass durch die Einleitung des Ausschusses die Bauleitplanänderung endgültig ist“, so Bürgermeister Zeno Christanell. Die Gründe für die Ablehnung seien „einmal technisch rechtlicher Natur“ erklärte daraufhin Vize-Gemeindesekretär Fliri und bezog sich dabei auf das Gutachten von Rechtsanwalt Manfred Schullian, der die Gemeinde in diesem Streitfall vertritt: Beim Antrag handle es sich um eine neue Auffüllzone, der „Artikel 36 bis“ des alten Landesraumordnungsgesetzes, auf den dabei Bezug genommen werde, sehe jedoch ausschließlich eine Erweiterung vor, nicht eine neue Zone. Schon aus diesem Grund könne dem Antrag nicht stattgegeben werden.
Auch der zweite Punkt sei „technischer Natur“: Auch wenn man den Antrag korrigieren könnte und die Zone als Erweiterungszone betrachte, bräuchte es einen Durchführungsplan für den erweiterten Teil, was laut altem Raumordnungsgesetz ebenfalls nicht möglich wäre, argumentiert Rechtsanwalt Schullian. Ein Durchführungsplan für Teilbereiche sei nur aufgrund von einem auf städtebaulichen Verbesserungen ausgerichtetem Verbauungskonzept mit Gutachten der Baukommission möglich, dieses Verbauungskonzept gebe es aber nicht.

„Großräumige Betrachtung sinnvoll“

Der dritte Punkt sei „raumplanerischer Natur“, hier legen die Gemeinderäte darauf Wert, dass eine großräumige Betrachtung sinnvoll wäre. Dazu heißt es im Beschluss des Gemeinderates wörtlich: „Um eine möglichst effiziente, auch flächen- und ressourcenschonenden Nutzung zu gewährleisten, sind die angrenzenden Grundstücksflächen daher in eine gesamtheitliche Betrachtung miteinzubeziehen. Umgekehrt führt eine kleinteilige, unkoordinierte Verplanung zu mehr Kosten (nachhaltig auch für die öffentliche Verwaltung), weniger Homogenität und stark eingeschränkten raumplanerischen Möglichkeiten. Eine sensible Vorgangsweise ist umso mehr notwendig, als es sich um einen der ältesten Ortsteile von Naturns mit teilweise wertvoller Bausubstanz (z.B. 800 Jahre alte Bauernhöfe) und interessanter architektonischer Charakteristik (z.B. straßenbegleitende Fassaden) handelt.“ Dies entspreche den Grundsätzen des Siedlungsentwicklungskonzepts. „Jetzt hier eine unkoordinierte Erweiterung zu machen wäre raumplanerisch nicht zielführend“, so Bürgermeister Christanell. Man wolle die weitere Entwicklung der Zone nicht einschränken und könne sich eine Mischzone mit leistbarem Wohnen oder auch eine anderweitige Nutzung durchaus vorstellen, das Vorhaben müsse jedoch konkret und als „großes Ganzes“ angegangen und betrachtet werden. Der Vorschlag zur Bauleitplanänderung wurde einstimmig abgelehnt. Es könnten vorläufig somit nur die bereits vorhandenen Gebäude saniert werden.

Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

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