Karin Oberegelsbacher wurde kürzlich zur Ministerialrätin im Bundeskanzelamt in Wien befördert.
Karin Oberegelsbacher (rechts) mit ihrer Arbeitskollegin Ursula Eder.
Das Schloss Laudon am Stadtrand von Wien, wo die EU-Kurse des Bundeskanzleramtes stattfinden.
Frieda und August Oberegelsbacher mit den drei Töchtern Dorothea, Karin und Sabine (v.l.).

„Es gibt keine Alternative zu einer gemeinsamen Zukunft in Europa“

Karin Oberegelsbacher aus Schlanders arbeitet seit vielen Jahren im Bundeskanzleramt in Wien. Seit kurzem ist sie Ministerialrätin. Im der Vinschger-Interview spricht sie über ihre Arbeit, über Wien, die EU, den Brexit und die Krise, in der die Europäische Gemeinschaft derzeit steckt.

Publiziert in 13 / 2017 - Erschienen am 10. April 2017

Wien/Schlanders - der Vinschger: Wann und wie kamen Sie von Schlanders nach Wien?
Karin Oberegelsbacher: Meinen Eltern habe ich es vor allem zu verdanken, dass ich nach der Matura in Schlanders nach Wien zum Geschichtsstudium gehen konnte. Sie haben mich und meine zwei Schwestern, ­Dorothea und Sabine, ermutigt eine eigenständige Lebenswahl zu treffen und Bildungschancen zu nutzen. Vor allem haben sie uns Vertrauen geschenkt. So bin ich 1980 in die pulsierende Großstadt gekommen mit ihren vielen kulturellen Angeboten.
Hatten Sie ursprünglich die Absicht, nach dem Studium nach Schlanders bzw. Südtirol zurückzukehren?
Ja, ich wollte zurückkehren, unterrichten und mich in kulturellen Projekten für den Vinschgau engagieren.

Sie haben zu Beginn in der Bibliothek im Schloss Laudon gearbeitet. Wie wird aus einer Bibliothekarin eine Ministerialrätin?
Die Bibliothek des Schlosses Laudon gehörte zur Verwaltungsakademie des Bundes und war eine der bestsortierten EU-Hand­bibliotheken im deutschsprachigen Raum. Recht bald wurde mir aufgrund meines Studiums angeboten, auch in den Kursbetrieb der Europaakademie einzusteigen, die nach dem EU-Beitritt ­Österreichs die Beamten sozusagen EU-fit machte. Dann übernahm ich auch andere Seminare. Heute bin ich mit meiner Kollegin federführend zuständig für die Weiterbildung der österreichischen Bundesbediensteten im Bereich Europa und Sprachen. Als Südtirolerin und italienische Staatsbürgerin bin ich ein Teil des internationalen Flairs im Bundeskanzleramt. Meine Herkunft und Erfahrung dient mir auch im Umgang mit verschiedenen Kulturen.

Haben Sie als Mitarbeiterin in der EU-Abteilung des Bundeskanzleramtes auch direkten Kontakt zum Bundeskanzler bzw. zu anderen Politikern?
Der Arbeitskontakt läuft im Bedarfsfall über das Kabinett des Kanzlers. Kanzler Kern selbst habe ich zuletzt bei unserer Weihnachtsfeier im Bundeskanzleramt getroffen. Im persönlichen Rahmen spricht der Kanzler da zu seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und hält sich beim Buffet mit uns auf. Momente wie diese bestärken mich darin, dass die Verwaltung für Stabilität eines Landes steht und das Rückgrat der Demokratie und des Rechtsstaates ist. Den ­österreichischen Landwirtschaftsminister Rupprechter kenne ich persönlich, weil ich ihn - lange vor seiner Karriere als Minister - zu verschiedenen Vorträgen in Seminare eingeladen habe. Andere Politiker, wie z.B. Staatssekretärin Duzdar oder Außenminister Kurz treffe ich bei Veranstaltungen mit EU-Bezug im Schloss Laudon oder im Haus der Europäischen Union, der EU-Vertretung in ­Österreich.

Welche Funktionen sind mit dem Amtstitel Ministerialrätin verbunden?
Ministerialrätin wird man aus Gründen der Anciennität nach 20 Dienstjahren. Es ist gewissenmaßen der Ausweis der Treue im Einsatz für den öffentlichen Dienst in Österreich auf Bundesebene.

Welche konkreten Aufgaben haben Sie täglich zu erfüllen?
Derzeit steht die Vorbereitung auf den österreichischen EU-Vorsitz 2018 im Mittelpunkt. Es ist eine Herausforderung, erfolgreiche Verhandlungen mit Vertretern aus 28 Ländern zu führen, dabei z.B. gleichzeitig mit dem EU-Parlament zu kooperieren und das hauptsächlich in englischer Sprache. Das verlangt viel Wissen und Können. Wir tragen mit unserem Kursangebot dazu bei. Vor kurzem haben wir z.B. einen Vertreter aus Brüssel eingeladen und mit ihm den Inhalt und Abwicklung notwendiger Fortbildungsmodule besprochen. Auch der Brexit beschäftigt uns schon. Da gibt es viele offene Fragen und rechtliche Unsicherheiten, wie vorzugehen ist in den nächsten zwei Jahren. Auch dafür bieten wir Workshops an. Aufgrund unseres Französischangebots habe ich seit Jahren auch enge Kontakte mit dem Französischen Kulturinstitut in Wien. Ich plane verschiedenste Kurse und Lehrgänge, suche Experten im In- und Ausland, berate Bedienstete aus verschiedenen Ministerien in Sachen EU- und Sprachenfortbildung. Schließlich bin ich auch immer wieder mit der Abwicklung, Moderation und Auswertung der Veranstaltungen befasst. Selbst lerne ich dabei sehr viel und bringe mich auf den neuesten Stand. Manchmal betreue ich auch Delegationen aus anderen Ländern, die die österreichische Verwaltung kennenlernen wollen.

Ihre Schwester Dorothea lehrt Musiktherapie an der Universität für Musik und darstellende Kunst und Psychotherapiewissenschaften an der Sigmund Freud Privatuniversität Wien. Sehen bzw. hören Sie Ihre Schwester täglich?
Da wir beide sehr engagiert sind, sind wir nicht täglich in Kontakt miteinander. Wir hören uns bei spontanen Telefonaten, verbringen ausgedehnte Freizeitaktivitäten wie Museumsbesuche oder baden im Sommer in der Alten Donau. Wir treffen uns auf ein Mittagessen, zum Kleiderkauf, zur Sonntagsmesse in der Kapelle des Schlosses Belvedere oder bei Abendveranstaltungen.

In Rom wurde kürzlich der 60. Jahrestag der Verträge zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft begangen. Wie schätzen Sie die Zukunft der heutigen EU ein?
Die Europäische Union steckt derzeit in einer tiefen Krise. Der Geist der Solidarität und der europäischen Verantwortung muss aus meiner Sicht heute von Politikern wie Bürgern neu verstanden und interpretiert werden, um dann ins Leben und in die poli­tische Praxis umgesetzt werden zu können. Vielleicht wird man notwendige Schritte zurück machen, wie das der Brexit zeigt. Meiner Ansicht nach gibt es jedoch keine Alternative zu einer gemeinsamen Zukunft in Europa. Krisen setzen ja oft auch neue Kreativität frei, führen zur Besinnung auf die Ursprünge und werden so der Beginn von etwas Neuem.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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