Familien-Idylle mit Willys (Helmut Zierl) Frau Linda (Patricia Schäfer), (vorne v.l.) Sohn Happy (Jean Paul Baeck), Onkel Ben (Frank Voß) und Sohn Biff (Julian Härtner).
Willy Loman (Helmut Zierl) vor seinem letzten Ausweg.

Es war schon 1949 so

Publiziert in 42 / 2018 - Erschienen am 4. Dezember 2018

Schlanders - Das mit den Begleitbroschüren zu Theateraufführungen ist so eine Sache. Man bekommt sie erst Minuten vor der Aufführung in die Hand. Wenn sie dann 44 Seiten umfassen wie bei Arthur Miller‘s „Tod eines Handlungsreisenden“, kann eiliges Überblättern kaum etwas ausrichten. Die Aha-Erlebnisse kommen im Nachhinein. Auf S. 10 beschreibt Miller die Zuschauerreaktionen auf die Premiere vom 27. Oktober 1949. Sie waren erstaunlich ähnlich wie am 28. November 2018 im Kulturhaus von Schlanders. Hauptdarsteller Willy Loman entschließt sich zum letzten Schritt, verlässt die Bühne und es bleibt still. Für die Darsteller muss es unendlich lang gewesen sein, bis der Applaus aufbrandete, nicht mehr aufhören wollte und sich die ersten Besucher erhoben, um „stehend“ zu applaudieren. Nach Gioachino Rossini’s „Barbier von Sevilla“ war Arthur Miller‘s „Tod eines Handlungsreisenden“ 4 Tage später ein Kontrastprogramm, zwar höchster Güte, aber schwer zu verkraften. Hat man die „Opera buffa“ gesehen, gehört und genossen, war man von Miller‘s Drama bestürzt und fast erschlagen. Reaktionen und Äußerungen lassen vermuten, dass es nicht nur eine subjektive Empfindung des Unterfertigten war. Nach der meisterhaft aufrüttelnden Inszenierung der „Schauspielbühnen in Stuttgart“ stellten sich die Fragen: Wie viel Willy Loman steckt in jedem von uns? Wie viele Illusionen braucht man, um das Leben erträglich zu machen?

Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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