Sepp Wielander

„Fast schon eine Hetzkampagne“

Publiziert in 30 / 2013 - Erschienen am 4. September 2013
VI.P-Direktor Sepp Wielander über den Obstbau im Vinschgau, über Pestizide und andere „heiße“ Themen der Vinschger: Stimmt es, dass es den Obstbauern in Zeiten der allgemeinen Krise, wie wir sie seit Jahren erleben, trotz allem noch gut geht? Sepp Wielander: Einen Moment bitte, schön der Reihe nach. Wenn wir nur den Kilogramm-Preis unserer Äpfel als solchen für diese Aussage hernehmen, dann kann man sagen, dass es kaum Veränderungen im Negativen wie im Positiven durch die Krise gegeben hat, denn nach wie vor gelten als einziger Maßstab für den Erlös von Obst und Gemüse die Menge und die Güte, die europaweit zur Verfügung stehen. Doch letztes Jahr konnten durch die allseits bekannten Oster­fröste nicht nur bei uns, sondern in den meisten europäischen Regionen weit weniger Äpfel produziert werden. Das hat sich positiv auf den Preis pro Kilogramm ausgewirkt. Zumal wir jedoch wesentlich weniger Waggon pro Hektar ernten konnten, können wir zwar nach wie vor von einem normalen, also zufriedenstellenden Jahr sprechen, nicht aber von einem guten Obstjahr. Welches sind die markantesten Zahlen zur Ernte 2012 im Vergleich zu den Jahren davor, speziell was die Auszahlungspreise an die Mitglieder betrifft? Zu den heurigen Auszahlungspreisen kann ich noch relativ wenig sagen, da konkrete Zahlen aufgrund der noch fehlenden Abschlussbilanz fehlen. Ich gehe aber davon aus, dass wir die geringere Menge, die wir im Vinschgau im Vergleich zu einer Normalernte eingefahren haben, durch einen höheren Preis pro Kilogramm auszugleichen im Stande sind. Somit werden wir insgesamt gesehen an die Auszahlungspreise der vergangenen Jahre anknüpfen können. Wie leicht bzw. schwierig war es, die Äpfel zu vermarkten? Jedes Jahr hat seine Eigenheiten und somit kann man nicht von leicht oder schwierig reden. Das Geschick in unserem Geschäft besteht darin, die richtige Einschätzung zu haben, wann wir was an welche Kunden geben. Der richtige Zeitpunkt ist besonders wichtig. Ich denke schon, dass alle unsere Geschäftsfeldleiter diese Aufgabe mittlerweile bravourös beherrschen. Es ist immer wieder zu hören, dass die Konsumenten rote Sorten bevorzugen. Ist der Vinschgau noch immer zu „goldenlastig“? Wir sind mittlerweile auf einem sichtlich besseren Weg, da unsere Bauern den Ernst der Lage, die eine Sorteneinseitigkeit mit sich bringt, voll erkannt haben. Somit haben wir neben Gala, Pinova und Stark nun auch verstärkt die rote Sorte Kanzi und ab 2014 die Sorten Ambrosia und Envy in unserem Anpflanzungsprogramm. Wichtig ist allerdings, sich oft genug in Erinnerung zu rufen, dass auch eine Sortenvielfalt genau wie eine Sorteneinseitigkeit nicht alleine das Maß aller Dinge ist, sondern auch die inneren und äußeren Werte eines Apfels und seine Produktionsweise wichtig sind. Die Einhaltung der jeweiligen Sortentypizitäten in der Produktion muss nach wie vor mindestens im selben Maß wie die Sortenvielfallt berücksichtigt werden. Im Vorjahr gab es zu Ostern jene berühmt-berüchtigte Frostnacht. Heuer hat es gebietsweise gehagelt. Wie groß sind die Schäden? Noch sind die Äpfel an den Bäumen und ich möchte wirklich den Tag nicht vor dem Abend loben. Zum heutigen Zeitpunkt sind wir abgesehen von der bescheideneren Fruchtgröße unserer Äpfel alles in allem mit dem Vegetationsverlauf zufrieden. Vom Hagel sind bis heute rund 10% unserer Anbau­fläche betroffen. Dazu besteht ein nicht zu unterschätzender Schorfbefall in so manchen Anlagen, was zusätzlich einiges an Ausfall bewirken wird. Mit welcher Erntemenge ist 2013 zu rechnen? Wir rechnen heuer im Vinschgau wieder mit einer normalen Ernte, die um die 33.000 Waggon liegen wird. Im Vergleich zum Vorjahr also um ca. 20% mehr, im mehrjährigen Vergleich eine durchschnitt­liche Ernte. Die Obstgenossenschaften spielen auch als Arbeitgeber eine nicht unbedeutende Rolle. Kann der Mitarbeiterstab weiterhin im bisherigen Ausmaß gehalten werden? Laut heutigem Ermessen können wir erfreulicherweise davon ausgehen, dass wir unsere rund 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Vinschgau in den Genossenschaften und am Hauptsitz der VI.P arbeiten, ihren Platz gesichert haben. Bevor die Ware aber nicht in den Zellen ist, hat man bei solchen Aussagen immer ein mulmiges Gefühl im Bauch. Wir hoffen aber, das sich der Kreislauf vom Feld über unsere Arbeitsräume bis hin zum Geschäft auch heuer für alle Beteiligten positiv schließen wird. Die Diskussionen rund um die Ausdehnung des Obstbaus im Obervinschgau, besonders im Gemeindegebiet von Mals, reißen nicht ab. Sind die Anbaugrenzen jetzt erreicht? Ich denke schon, dass die ­Höhenlage um 1.100 Meter eine natürliche Grenze darstellt, um einmalige Äpfel produzieren zu können. Ich kann mir somit gut vorstellen, dass die Natur schon allein die Grenze vorgeben wird. Und die Grundbesitzer werden wenig Belehrungen benötigen, sondern werden - wie alle anderen vor ihnen auch - das Sprachrohr des Marktes als Wegweiser zur Kenntnis nehmen. So funktioniert normalerweise die freie Marktwirtschaft. Ich kann mich gut erinnern, dass auch zu meiner Schulzeit stets die Rede war, dass die natürliche Grenze des Obstanbaues im Vinschgau maximal zwischen Tschars und Kastelbell liegen dürfte. Und nun können Sie selber urteilen und sehen, welche wirtschaf­tliche und soziale Bedeutung dem Obstbau im Vinschgau durch Fleiß und Mut mittlerweile auch vom Mittelvinschgau aufwärts zukommt. Auch die Debatte über den Einsatz von Pestiziden geht weiter. Was halten Sie vom Vorschlag, in der Gemeinde Mals den Einsatz von Pestiziden zu unterbinden? Es hat bald den Anschein, dass Pestizide gleich zu setzen sind mit Krankheit, Verderb, Schmälerung der Lebensqualität. Ich möchte auch bestimmt dieses delikate Thema nicht schön reden, doch wenn man weiß, welch schwierigen Weg ein jedes Pflanzenschutzmittel bis zu dessen Zulassung durch die EU-Behörde und die nationalen Richtlinien zu beschreiten hat, dann habe ich persönlich keine Bedenken, dass bestimmte Aussagen für die Vergangenheit zwar zutreffen, doch heutzutage können wir schon sicher sein, dass nur noch Mittel auf den Markt kommen, welche die Gesundheit der Anwender, der Mitbewohner und der Konsumenten nicht aufs Spiel setzen. Voraussetzungen sind ein richtiger Umgang bei der Ausbringung und der Wille sowie die schulische Voraussetzung eines jeden Anwenders, auf dass das Wissen und der nötige Respekt stets vorhanden sind, was ich ebenso beim allergrößten Teil unserer Bauern zweifelsohne erkennen kann. Gibt es Ihrer Meinung nach keine Gefahren? Die richtige Dosis im richtigen Moment mit der richtigen Ausbringungstechnik birgt laut meinen persönlichen Erkenntnissen sicher keine Gefahren in sich. Das werden sicher auch die nun angelaufenen Untersuchungen, Studien und Forschungen belegen. Und die Situation in Mals? Meine persönliche Meinung ist klar: wenn die Gemeinde Mals - und da verstehe ich die ­Besitzer der landwirtschaftlichen Flächen sowie die restliche Bevölkerung - ein Pestizidverbot wünscht, dann ist dieser Wunsch zu respektieren und zu begrüßen. Nicht funktionieren würde dieser Ausrichtung laut meinem Dafürhalten, wenn dies lediglich von einer Gruppe heraufbeschworen wird, die womöglich nicht von Grund und Boden leben muss, dann nämlich würde dies für viele eine Einengung des freien unternehmerischen Denkens und Handelns bedeuten. Seitens der Obstwirtschaft wurde in den vergangenen Monaten öfters betont, dass man bemüht sei, intern gegen so genannte „schwarze Schafe“ streng vorzugehen, die ohne Rücksicht auf die Abdrift Pestizide einsetzen oder andere Vorschriften nicht beachten. Ist das konkret geschehen? Diese Frage kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Die Kontrollen der Abstände mit den Nachbargrundstücken bei sämtlichen Anlagen sowie das Vorhandensein abdriftarmer Sprühgeräte wurden intensiviert und ausnahmslos auf alle ausgedehnt. Doch wir alle zusammen müssen und werden auch ohne Wenn und Aber auch in Zukunft nicht müde werden, „schwarze Schafe“ auszugrenzen, um eben miteinander in guter Harmonie und in guter Partnerschaft auskommen zu können. Könnten Sie sich eine Bio-Region Obervinschgau vorstellen? Ich könnte damit bestens leben, vor allem wenn es von allen vor Ort aus Überzeugung gewollt und nicht aufgezwungen wird. Wir als VI.P würden uns sicher stark bemühen alles zu tun, um einer Bio-Region Obervinschgau die Existenz bestmöglich im Rahmen unserer Möglichkeit zu sichern. Was ist in Ihren Augen langfristig gesehen die größere Herausforderung: Der weitgehende Verzicht auf Pestizide oder die Konkurrenz, die immer größer und auch internationaler wird? Beide Themen sind wesent­liche Eckpfeiler unserer Existenzsicherung. In Sachen Pflanzenschutzmittel haben wir alle die Pflicht, durch Aufklärung, Ausbildung und den Einsatz bester Technik dazu beizutragen, dass diese tatsächlich Schutzmittel sind und nicht Krankheitserreger werden. Hier haben auch die produzierenden Chemiekonzerne eine große Verantwortung. Zum Thema Konkurrenz bin ich ebenso zuversichtlich, denn sie kann nur dann stark werden, wenn wir selber schwächer werden. Wenn wir weiterhin gesundes und hochwertiges Obst produzieren, werden wir von unserer Arbeit nicht nur überleben, sondern auch weiterhin leben können. Gestatten Sie mir noch eine Feststellung: Es kann doch nicht sein, dass alle positiven Aspekte und Erfolge, die eng mit dem Obstbau verknüpft sind, überhaupt keine Anerkennung finden und dass im Gegenteil dazu ausgerechnet der Obstbau im Vinschgau und in ganz Südtirol – er hat europaweit einen hohen Stellenwert und erfährt große Wertschätzung –, beinahe als Krankheitsverursacher dargestellt wird. Das ähnelt ja fast schon einer Hetzkampagne. Warum wird nicht über die Folgen von Spraydosen diskutiert, Zigaretten und Tabletten, oder über den Verkehr und andere „gesunde“ Dinge? Unsere Äpfel werden in nicht weniger als 40 Ländern mit unterschiedlichen Auflagen verkauft. Man könnte es sich gar nicht leisten, bei zunehmender Produktion aufgrund eines fraglichen Rückstandes auch nur bei einem Kunden von der Liste gestrichen zu werden. In Mals soll es kürzlich sogar zu Drohungen gegen Personen gekommen sein, die sich für eine pestizidfreie Gemeinde stark machen. Ich lehne Drohungen und Gewalt jeglicher Art entschieden ab und ersuche alle, über das Gespräch eine für alle zufriedenstellende Lösung zu finden. Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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