Vandana Shiva mit BM Ulrich Veith.
Stehende Ovationen für Vandana Shiva

Für eine giftfreie Welt

Gut besuchter Vortrag von Vandana Shiva zum Auftakt von „hier und da“

Publiziert in 14 / 2019 - Erschienen am 16. April 2019

Mals/Schluderns - Vor über 500 Personen aus nah und fern stellte sich die Wissenschaftlerin, soziale Aktivistin und Globalisierungskritikerin Vandana Shiva am 11. April bei einem Vortragsabend in der Aula Magna des Oberschulzentrums Mals voll hinter den „Malser Weg“. „Mals ist ein Leuchtturm. Mals ist für die ganze Welt wichtig. Es bräuchte viel mehr Mals-Gemeinden auf der Erde“, sagte die Trägerin des alternativen Nobelpreises. Ihr Vortrag wurde simultan auf Deutsch und Italienisch übersetzt. Shiva rief dazu auf, weiterhin mutig zu bleiben: „Die Gemeinschaft macht stark und die Kraft der Wahrheit wird sich durchsetzen.“ Der Vortrag bildete den Auftakt der Auflage 2019 des Festivals für nachhaltige Regionalentwicklung „hier und da – Gut leben im ländlichen Raum“. Dass der Abend von der Musikkapelle Matsch musikalisch eröffnet wurde, „ist kein Zufall, denn in Matsch wird seit über einem Jahr in Richtung biologische Landwirtschaft gearbeitet und in Matsch gibt es mit Abstand am meisten biologisch wirtschaftende Betriebe“, hatte BM Ulrich Veith vorausgeschickt. Er freute sich sehr, „eine Persönlichkeit wie Vandana Shiva willkommen heißen zu dürfen.“ Als er vor rund 2 Jahren auf einem Kongress in Indien die Initiative für eine pestizidfreie Gemeinde Mals vorstellte, „habe ich viele Bäuerinnen und Bauern kennengelernt und von deren Nöten erfahren“, so Veith. Shiva selbst habe sich gewünscht, nach Mals zu kommen.„Meine ‚Wallfahrt’ nach Mals habe ich unternommen, weil ich eure Bemühungen auch als einen Kampf für die Freiheit sehe und für die Demokratie“, sagte Shiva. Sie erzählte aus ihrem Leben und Wirken. Scharf zu Felde zog sie gegen die großen Chemiekonzerne, die aus reiner Gewinnabsicht Pestizide produzieren und verkaufen. Sie sprach von einem regelrechten „Giftkartell“. Der Einsatz von Pestiziden habe weltweit verheerende Folgen und negative Auswirkungen auf die Umwelt, die Biodiversität, das Klima und die Gesundheit. Durch die industriell betriebene Landwirtschaft und den Einsatz von Chemie komme die Vielfalt immer stärker unter die Räder. Besonders besorgniserregend sei z.B. das Insektensterben. „Die mit Hilfe von Chemie erzeugten Lebensmittel enthalten nur wenig Nährstoffe.“ Überzeugt gab sie sich auch davon, „dass eine Landwirtschaft ohne Chemie im Grunde profitabler ist.“ - Dass eine industriell betriebene Landwirtschaft, wie sie Shiva in Indien, den USA und anderen Ländern an den Pranger stellte, mit den Anbauweisen in der klein strukturierten Südtiroler Obstwirtschaft nicht zu vergleichen ist, liegt auf der Hand. Auch über Katastrophen, zu denen die Produktion und Verwendung von Pestiziden in Indien, den US und weiteren Ländern der Welt geführt haben, berichtete Shiva. So erinnerte sie etwa an Aufstände im landwirtschaftlich ausgerichteten Bundesstaat Punjab, die zahlreiche Todesopfer forderten. Als Ursache dieser Aufstände nannte sie eine ökologische und kulturelle Entwurzelung, weil versucht wurde, die Bauern in den Weltmarkt für Düngemittel, Saatgut und Pestizide einzubinden. 

Vielfalt des Saatgutes schützen

Der Vielfalt des Saatgutes kommt laut Shiva ein besonderer Stellenwert zu. Das Ziel der von ihr gegründeten Organisation Navdanya ist es, die biologische und kulturelle Vielfalt des Saatgutes zu schützen. Es sollen traditionelle Sorten vor dem Aussterben bewahrt, biologische Anbaumethoden gefördert, Bauern vor Abhängigkeit von patentiertem Saatgut oder Hybridsamen geschützt, die Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln versorgt und lokale Märkte gestärkt werden. Rund 40 Saatgutbibliotheken in 13 indischen Staaten wurden bisher zu diesem Zweck errichtet. Auch als Beraterin für Regierungen wird Shiva immer wieder verpflichtet. So unterstützt sie etwa die Bestrebungen des Königreichs Bhutan, das bereits 2011 beschlossen hat, seine Landwirtschaft zu 100% auf biologischen Anbau umzustellen. Als großes Ziel der Bemühungen ihrerseits und ihrer Mitstreiter nannte Shiva die Schaffung eines „gift- und pestizidfreien Planeten“ bis 2030. Speziell zu Mals meinte sie: „Ihr lebt hier in einem gebirgigen Land, das schon allein vom Klima her für eine vielfältige Landwirtschaft prädestiniert ist.“ Bei der von Gerlinde Manz-Christ moderierten Diskussion räumte Shiva ein, in der Vergangenheit aufgrund ihres Kampfes gegen große Chemiekonzerne mehrfach bedroht worden zu sein: „Man versuchte, mir intellektuell und finanziell zu schaden.“ Zum Abschluss des Vortrages überreichte Ulrich Veith der Gastrednerin, die für ihre Ausführungen stehende Ovationen erntete, einen Geschenkkorb mit vielfältigen Produkten aus dem Obervinschgau.

„Wir schätzen das, was da ist“

Vom 12. bis zum 14. April wurde das Festival „hier und da“ mit Vorträgen, Diskussionen, der Vorstellung von Initiativen zur Entwicklung des ländlichen Raums sowie mit Kulinarik, Musik, Kulturwanderungen und Landbegehungen fortgesetzt. „Das Ziel der Bürgergenossenschaft ‚da’ ist es, unter dem Motto ‚Wir schätzen das, was da ist’, jenen Menschen und Initiativen eine Plattform zu bieten, die versuchen, die Potentiale der Region und des ländlichen Raums zu stärken und die lokale Wertschöpfung zu steigern“ schickte Armin Bernhard am 12. April im Kulturhaus in Schluderns im Namen von „da“ voraus. Es gehe im Kern darum, dass Menschen aus der Region Verantwortung für die Region übernehmen. Elisabeth Prugger informierte über konkrete Projeke der Bürgergenossenschaft, so etwa über die Ausrichtung von Märkten oder das Projekt „Bio Dorf Sennerei Prad“, wo am 20. März die Produktion von Bio-Ziegenkäse angelaufen ist. Neben Vorträgen und Denkanstößen von Referenten aus dem Ausland wurde am 12. und 13. April das Format „9x7“ angeboten, wobei sich jeweils 9 Initiativen und Unternehmungen des ländlichen Raums vorstellen konnten. Auch viele Initiativen und Akteure aus dem Vinschgau bzw. ganz Südtirol waren mit dabei. 

Von Bio-Eiern bis „Plattform Land“

Der aus dem Passeiertal gebürtige und im Vinschgau lebende Bäcker Mike Kofler zum Beispiel hat sich darauf spezialisiert, Bio-Mehle zu verwenden und den Leuten beizubringen, wie man gutes Brot zuhause backen kann. Der Obmann der „Genossenschaft Tschengls Berg“, Philipp Thoma, informierte über die Produktion hochwertiger Bio-Eier. Derzeit legen die Hühner, die von drei Kleinbetrieben gehalten werden, rund 1.600 Eier pro Tag. Anja Matscher informierte über das, was bisher im Rahmen des Vorhabens „Machbarkeit BioTal Matsch“ unternommen wurde bzw. noch geplant ist. 40% der landwirtschaftlich genutzten Grundstücke in Matsch und Muntetschinig sind Bioflächen (ca. 210 ha). Ab dem heurigen Sommer wird auf der Gondaalm Bio-Alpkäse hergestellt. Über die Tätigkeiten und Ziele der landesweiten Allianz „Plattform Land“ informierte deren Geschäftsführer Ulrich Höllrigl. Im Vordergrund stehe die Erhaltung der Lebensqualität in der Peripherie. Dazu gehört die Sicherstellung funktionierender Dienste und Infrastrukturen. Besonders wichtig seien der Plattform die Schaffung von Arbeitsplätzen in erreichbarer Entfernung sowie die intelligente Flächennutzung. Der Bildhauer Elias Wallnöfer stellte das Innovations- und Gründerzentrum „BASIS Vinschgau Venosta“ vor: „BASIS bietet Querdenkern, Künstlern und jungen Menschen die Möglichkeit, neue Produkte zu entwickeln.“ Vorgestellt wurden u.a. auch die Projekte bzw. Initiativen „SamenSchätze“ (Edith und Robert Bernhard), „BioBeef“ (Markus Lintner) und viele weitere mehr. Über weitere Veranstaltungen im Rahmen des Festivals wird der Vinschger noch berichten.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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