Bis Ende November 2022 zeigt das Frauenmuseum in Meran die Ausstellung „Birth cultures. Vom Gebären und Geboren werden“.
Sigrid Prader (links) und ihre Nachfolgerin Sarah Trevisiol

Geburtskultur

Interessante Wanderausstellung im Frauenmuseum 

Publiziert in 2 / 2022 - Erschienen am 1. Februar 2022

Meran/Vinschgau - Bis Ende November 2022 zeigt das Frauenmuseum in Meran die Wanderausstellung „Birth cultures. Vom Gebären und Geboren werden“. Ziel ist es, das traditionelle Wissen und die Praktiken in Zusammenhang mit Geburt und Mutterschaft als Teil des immateriellen europäischen Kulturerbes zu erhalten und zu verbreiten. Die Bezirkszeitung der Vinschger hat mit der bisherigen Leiterin Sigrid Prader und ihrer Nachfolgerin, der Sozial- und Kulturanthropologin Sarah Trevisiol, ein interessantes Gespräch über dieses EU-Projekt geführt.

der Vinschger: Eine Geburt ist eine private Angelegenheit. Warum nimmt das Thema in der Geschichte der Menschheit dennoch eine zentrale gesellschaftspolitische Rolle ein?

Sigrid Prader: Geburt geht uns alle an. Wie der Tod betrifft sie ausnahmslos jeden Menschen. Die Bedingungen, die eine Schwangerschaft und Geburt begleiten, prägen unser Leben. Geburt ist ein kreativer Akt, bei dem eine Frau ihr Innerstes nach außen kehrt. Alles dreht sich um Geborgenheit, Vertrauen und Hingabe. Nur wer sich in Sicherheit weiß, kann sich wirklich öffnen, hingeben, gebären. Wie eine Frau eine Geburt erfährt, kann die Gesundheit der Frau und jene ihres Kindes fördern oder schaden. Geburtskultur ist also die Art und Weise, wie der Start ins Leben von einer Gesellschaft gestaltet wird und welche Rahmenbedingungen geschafft werden. 

„Birth cultures“ ist eine historische Zeitreise der Geburtskulturen durch verschiedene Epochen und Länder. Lässt sich am Ende dieses Ausflugs ein gemeinsamer Nenner entdecken?

Sarah Trevisiol: Für uns ist es wichtig, dass das Thema Geburt einen Platz in der gesellschaftlichen Debatte aufnimmt, damit wir gemeinsam verstehen können, welche Freiheiten und Möglichkeiten wir unseren Frauen, Familien und Kindern zur Verfügung stellen können. Die Ausstellung „Geburtskulturen“ hinterfragt die Bedeutung der Geburt innerhalb einer bestimmten Gesellschaft. Es geht um die Haltung zum menschlichen Leben und zur Natur und um die Auseinandersetzung mit Wissenschaft und Spiritualität. Es geht aber auch um den Frauenkörper, um die Stellung der Geschlechter und der Familien und um die Gestaltung des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Diese können unterschiedliche Formen und Bedeutungen in verschiedenen Kulturkreisen finden, der Drang nach Ritualen und Schöpfungsmythen rund um die Geburt scheint aber ein Bedürfnis aller zu sein. 

Eine Geburt war lange Zeit hauptsächlich Frauensache, Hebammen kümmerten sich zu Hause um die Gebärenden vor und nach der Niederkunft. 

Sigrid Prader: Geburt und Tod waren bis vor kurzem noch eng miteinander verbunden. Bis ins 20. Jh. starben 5 bis 7% der Kinder bei der Geburt oder unmittelbar danach. Mit der industriellen Revolution lösten medizinische Geburtenhilfen immer mehr das traditionelle Hebammenwissen ab. Dennoch liefen die beiden Wissen immer parallel weiter und heute finden wieder viele Frauen Gefallen an Hausgeburten.

Teils recht kuriose Rituale rund um Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett finden sich in fast allen Gesellschaften. Welche Bedeutung haben sie? 

Sarah Trevisiol: Rituale rund um die Geburt verbinden Mütter mit ihrem gesellschaftlichen Umfeld und geben ihnen Sicherheit. Dabei entwickelt jeder Kulturkreis die eigenen Rituale. In unserer westlichen Gesellschaft gingen viele Traditionen, vorwiegend in Folge der medizinischen Errungenschaften und weit verbreiteten Hospitalisierung verloren, darunter sowohl altes Hebammenwissen als auch christliche Rituale. 

Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Vinschger Sonderausgabe

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