Gesundheitswesen auf dem Prüfstand
Fachkräftemangel, fehlende Deutschkenntnisse und die Einmischung des Staates: In Schlanders wurde über Südtirols Gesundheitssystem diskutiert.
SCHLANDERS - „Das Gesundheitssystem kommt einfach nicht zur Ruhe“, betonte Arno Rainer, Bezirksmajor der Schützen im Vinschgau. Damit eröffnete er vergangenen Freitag eine seitens der Vinschger Schützen organisierte Podiumsdiskussion im Kulturhaus Schlanders. „Ist unser Gesundheitssystem krank?“, lautete dabei die Frage, die es zu erörtern galt. Schnell wurde den Zuhörern, die in Massen gekommen waren und den Saal bis auf den letzten Platz füllten, bewusst: Hier ist sich ein Großteil der deutschsprachigen Oppositionsparteien und teils auch die Regierungspartei in vielen Punkten einig. Das Gesundheitssystem in Südtirol sei nicht krank. Und auf alle Fälle noch zu retten. Aber: Man müsse sich bestimmten Herausforderungen stellen. Und dies werde nicht einfach.
Als „nicht krank, aber auch nicht effizient“ bezeichnete Franz Ploner das System. Der Landtagsabgeordnete vom Team K ist einer, der sich in der Sanität bestens auskennt. Jahrzehntelang war er als Arzt tätig, unter anderem arbeitete der Brixner in leitender Funktion im Krankenhaus Sterzing. In dieselbe Kerbe schlug Hanspeter Staffler von den Grünen. Das System an sich sei nicht krank. Aber: „Vor allem der demografische Wandel stellt uns vor große Herausforderungen. Die Gesellschaft wird immer älter. Es kommen immer weniger junge Fachkräfte nach. Dies ist jedoch kein hausgemachtes Problem, sondern ein demografisches“.
„System wird krank gemacht“
Sven Knoll, der Landtagsabgeordnete der Süd-Tiroler Freiheit betonte in seinen einleitenden Worten, dass das Vertrauen der Bürger in das Gesundheitswesen in den vergangenen Jahren stark gelitten habe. Insbesondere die „Ära Schael“ sei eine schwierige gewesen. „Ein großes Problem ist zudem, dass junge Mediziner nicht mehr nach Südtirol zurückkehren. Da müssen wir uns die Frage stellen, warum das so ist“, meinte Knoll. Herausragende Mitarbeiter, von Krankenpflegern bis hin zu Ärzten seien im Südtiroler Gesundheitswesen beschäftigt. „Aber das System wird krank gemacht. Auch aufgrund staatlicher Bestimmungen“, kritisierte Knoll. Dass Südtirol nach wie vor nicht die primäre Zuständigkeit in der Sanität habe sei ein Problem. Knoll betonte, dass man sich, auch wenn es derzeit mal weniger schlecht laufe, nicht auf Italien verlassen könne. „Südtirol zahlt sein Gesundheitssystem selbst. Deshalb braucht Italien uns auch nicht dreinzureden“, betonte der Landtagsabgeordnete. Er forderte eine autonome Gesundheitsversorgung. „Wir müssen uns in diesem Bereich selbst verwalten“, so Knoll.
Auch Andreas Leiter Reber von den Freiheitlichen schätzte das System nicht als krank ein. „Aber es gibt viele Probleme. Vor allem der Mangel an Ärzten und Pflegekräften. In Zukunft wird uns dies vor noch größere Herausforderungen stellen. Das System ist zwar nicht krank, aber ich bezweifle, dass es fit genug ist, die Herausforderungen zu bewältigen“, betonte er. Landesrat Thomas Widmann mache seine Sache gut. Seit er für die Sanität zuständig sei, habe sich einiges zum Positiven gewandt, so Leiter Reber. Auch der Freiheitliche forderte eine echte Selbstautonomie im Gesundheitswesen.
„Es wurden Fehler gemacht“
Widmann selbst musste seine Teilnahme an der Podiumsdiskussion hingegen absagen. Den SVP-Politiker vertrat sein Parteikollege Josef Noggler. „Ich habe hier die angenehme Aufgabe zwischen Oppositionspolitikern zu sitzen“, scherzte dieser. Das System verteidigte er. „Es ist nicht schlecht. Aber es wurden Fehler gemacht“, gab Noggler zu. Die Fehler der vergangenen Jahre seien jedoch erkannt worden. „Wir sind auf dem Weg der Besserung“, betonte er und wies unter anderem auf die derzeit „sichere Lage“ in Sachen Fortbestand der Bezirkskrankenhäuser hin. Er unterstütze voll und ganz Widmanns „Masterplan“. Unter anderem gehe es dabei um kürzere Wartezeiten und die Stärkung der kleinen Krankenhäuser in der Peripherie.
„Ich gehöre keiner Oppositionspartei an, und auch sonst keiner Partei, lieber Sepp“, reagierte Jürgen Wirth Anderlan lachend auf die Bemerkung Nogglers, hier zwischen Oppositionsparteien zu sitzen. Der Landeskommandant der Schützen bezog aber klar Stellung zum Thema, insbesondere das „Sprachproblem“ im Gesundheitswesen brannte ihm auf den Nägel. Unter anderem las er dazu einen rein italienischen Entlassungsbrief, den sein Vater nach Untersuchungen im Krankenhaus bekommen hatte, vor. „Das kann es nicht sein, wir müssen unser Recht auf die Muttersprache tagtäglich einfordern“, betonte der Schützen-Kommandant.
Sprachkenntnisse elementar
Ploner wies ebenfalls auf das Problem in Sachen Sprachkenntnisse hin. „Ich kann keine Diagnose stellen, wenn ich nicht mit dem Patienten spreche“, betonte er. Ärzte und Pfleger müssten so ausgebildet sein, um mit den Patienten in deren Sprache kommunizieren zu können. „Das muss machbar sein, das kann man erwarten“, so der langjährige Arzt. Ein Aufklärungsgespräch, wo sich Patient und Arzt verstehen, sei elementar wichtig. Staffler betonte, hierbei müsse man schauen, die jungen Südtiroler, welche im Ausland als Ärzte arbeiten, zurückzubekommen. Diese seien zweisprachig, diese seien die Zukunft. Der Landtagsabgeordnete der Grünen brachte dabei auch den Vorschlag Pfleger als Dolmetscher miteinzubeziehen.
Angesprochen auf die aufsehenerregende Plakataktion der Süd-Tiroler Freiheit (ein Plakat worauf eine Leiche abgebildet ist und der Satz „der Arzt konnte kein Deutsch“ steht) betonte Knoll man wolle bewusst provokativ sein. „Solche Aktionen sind bitter notwendig“, meinte er. Es müsse über dieses Thema in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden. „Ein Beispiel gefällig? Ein Patient bekam von einem italienischen Arzt, der kein Deutsch konnte, Medikamente verschrieben, die für ihn vermutlich schwerwiegende Folgen gehabt hätten“, so Knoll. Allein das Eingreifen des Gemeindearztes habe Schlimmeres verhindert. Die Süd-Tiroler Freiheit fordere unter anderem verpflichtende Deutschkurse, bevor rein italienischsprachige Ärzte, welche aus dem Süden nach Südtirol kommen, hier praktizieren.
Schwierige Situation mit italienischen Ärzten
Staffler wies darauf hin, dass sich Italiener mit der deutschen Sprache schwer tun würden. Noggler betonte, dass es durchaus vorteilhaft sei, wenn die Ärzte, welche aus Italien nach Südtirol kommen, der deutschen Sprache mächtig wären. „Aber wir können nicht die Bedingungen stellen, dass sie erst Deutsch lernen, dann kommen die uns nicht mehr. Und lieber ein Arzt der die Sprache nicht versteht, als gar keiner“, so der Landtagspräsident. Derzeit sei die Situation so, dass die Ärzte einige Jahre Zeit hätten, die Sprache zu erlernen. Neben der Arbeit werden Kurse angeboten. Dass die Frist für den Erwerb der Zweisprachigkeit von drei auf fünf Jahre verlängert wurde, kritisierten Oppositionspolitiker scharf. Viele würden nach diesem Zeitraum zurück in den Süden gehen.
Der Vinschger Schützen-Bezirksmajor Arno Rainer bedankte sich für die „spannende Diskussion“. Auch aus dem Publikum gab es mehrere Wortmeldungen. Es sei wünschenswert mit Ärzten in der eigenen Muttersprache zu kommunizieren, so der Tenor. Insbesondere im Zentralkrankenhaus in Bozen sei dies oft nicht möglich. Ein Großteil der Wortmeldungen war sich wie die Podiumsteilnehmer zudem einig, dass man die Berufe im Gesundheitswesen in Südtirol attraktiver gestalten müsse, um Südtiroler Jungärzte zurückzuholen und auch mehrsprachige Fachkräfte bzw. Ärzte aus dem deutschsprachigen Raum „abzuwerben“.