Hans-Adam II. beehrt Schlanders

Publiziert in 31 / 2015 - Erschienen am 9. September 2015
Fürst von Liechtenstein stellt seine Vision des Staates im dritten Jahrtausend vor. Gut besuchte Podiumsdiskussion. Schlanders - „Es wäre ein schöner Erfolg, wenn es der Menschheit im dritten Jahrtausend gelingt, alle Staaten in Dienstleistungsunternehmen zu verwandeln, die den Menschen auf der Basis der direkten und indirekten Demokratie sowie des Selbstbestimmungsrechtes auf Gemeindeebene dienen.“ Das ist eine der Kernaussagen des ­Buches „Der Staat im dritten Jahrtausend“, mit dem der Fürst von Liechtenstein, Hans-Adam II., auf weltweite Beachtung stieß. Am 5. September besuchte der Fürst auf Initiative der Vinschger Schützen die Marktgemeinde Schlanders. „Es ist dies seit rund 100 Jahren der erste offizielle Besuch eines Staatsoberhauptes in Schlanders“, freute sich Bürgermeister Dieter Pinggera bei einem schlichten, aber feierlichen Empfang im Rathaus. Pinggera stellte dem hohen Gast die Gemeinde Schlanders vor. Eintrag in das „Goldene Buch“ Mit Freude trug sich Hans-Adam II. in das „Goldene Buch“ der Gemeinde ein. Er erinnerte an vielfältige Verbindungen zwischen Liechtenstein und Südtirol. Viele Südtiroler seien aus Arbeitsgründen nach Liechtenstein gekommen, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch nachher. „Südtirol und die Tiroler haben sich im Laufe der Geschichte immer gut geschlagen“, sagte der Fürst. Südtirol stehe wirtschaftlich gut da, die Lebensqualität sei hoch. Peter Kaserer, der Bezirksmajor der Vinschger Schützen, meinte, dass sich Südtirol von allen ethischen Spannungen befreien sollte, um gefühlsfrei den Weg in eine Eigenstaatlichkeit einschlagen zu können, „vielleicht nach dem Modell Liechtenstein?“ Dem Empfang wohnten Dekan Josef Mair, der Kammerabgeordnete Albrecht Plangger sowie viele Gemeindepolitiker und Vertreter der Schützen bei. Im Foyer hatte Sebastian Felderer Briefmarken zum Fürstentum ausgestellt. Am Abend bereiteten die Schützenkompanien von Schlanders, Göflan und Kortsch dem Fürsten gemeinsam mit der Bürgerkapelle einen landesüblichen Empfang mit Ehrenslave auf dem Kulturhausplatz. Der Höhepunkt des von den drei Kompanien und der Gemeinde getragenen und organisierten Staatsoberhaupt-Besuches waren die Vorstellung des Buchs „Der Staat im dritten Jahrtausend“ und die anschließende Podiumsdiskussion mit Hans Adam II., Landeshauptmann Arno Kompatscher und Wolfgang Niederhofer von der Internetplattform Brennerbasisdemokratie. In seiner Begrüßung im bis auf den letzten Platz besetzten großen Saal des Kulturhauses rief Peter Kaserer erneut dazu auf, die Voraussetzungen zu schaffen bzw. das System zu ändern, damit Südtirol ein unabhängiges Land werden kann, und zwar mit der Kraft der direkten Demokratie. Laut Hans-Adam II. sollte es im dritten Jahrtausend ein Staats-Modell geben, das Bürgerkriege verhindert, das nicht nur den Privilegierten dient, das höchstmögliche Demokratie gewährt und das kein Monopolbetrieb wird. Der Staat soll sich auf vier Aufgaben beschränken Das Staatsmodell im 20. Jahrhundert habe versagt. Der Fürst geht sogar soweit, dass dem Staat des dritten Jahrtausends die Hoheit über das Territorium entzogen werden soll. Auch kleine politische Einheiten sollten selbstbestimmt leben können. Der Staat im dritten Jahrtausend sollte sich nur mehr auf vier Aufgaben konzentrieren: Außenpolitik, Sicherung der Rechtsstaatlichkeit, Bildungswesen und Staatsfinanzen. Alle anderen Aufgaben sollten den Gemeinden übertragen werden. Dem Staat sollen nur die indirekten Steuern zufließen, den Gemeinden alle direkten. Die Bürger sollten nicht als Diener des Staates betrachtet werden, sondern der Staat sollte in ein Dienstleistungsunternehmen verwandelt werden. Das Fürstentum Liechtenstein, wo in etwa gleich viele Menschen leben wie im Vinschgau, ist eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratisch-parlamentarischer Grundlage. Das geht laut Hans-Adam II. insofern zusammen, als dass das Volk zum Beispiel per Abstimmung die Möglichkeit hat, die Monarchie mit einfacher Mehrheit abzuschaffen oder dem regierenden Fürsten das Vertrauen zu entziehen. Daher wird es sich ein Fürst gut überlegen, ob er z.B. bei Volksabstimmungen sein Vetorecht ausübt. In Liechtenstein ist die Souveränität somit zwischen Fürst und Volk geteilt. Landeshauptmann Arno Kompatscher sieht in der Vision von Hans-Adam II. das Modell eines idealen Staates. „Einige interessante Ansätze“ Auch Thomas Morus habe versucht, in „Utopia“ eine idealen Staat zu entwerfen. Einige Ansätze von Hans-Adam II. hält Kompatscher für sehr interessant, etwa das Prinzip der Subsidiarität. In einigen Punkten, die im Modell beschrieben werden, habe sich Südtirol schon auf den Weg gemacht. Als Beispiel nannte Komptascher die Neuerungen bei der Finanzierung der Gemeinden. Dass Nationalstaaten bereit sind, die territoriale Hoheit aufzugeben, bezweifelt Kompatscher stark. Für ihn ist es die EU, mit der nationalstaatliches Denken und Handeln ein Stück überwunden wurde. Nach Ansicht von Wolfgang Niederhofer bietet ein Nationalstaat keinen geeigneten Rahmen für eine mehrsprachige Gesellschaft. Es sei ein direktdemokratischer Ansatz notwendig, auch in Südtirol. Zu den Fragen aus dem Publikum bezüglich der direkten Demokratie in Liechtenstein und Südtirol meinte Hans-Adam II., dass die direkte Demokratie in der Schweiz und Lichtenstein langsam gewachsen sei. Die Beteiligung an Abstimmungen sei zum Teil niedrig und es habe auch „unglückliche“ Abstimmungen gegeben. Hans-Adam II. sinngemäß: „Wer nicht abstimmt, darf sich nachher nicht aufregen.“ In Südtirol sei man mit der direkten Demokratie auf Gemeindeebene laut Kompatscher nicht schlecht aufgestellt, „auf Landesebene müssen wir noch unsere Hausaufgaben machen.“ Direkte Demokratie bedeute übrigens viel mehr als nur Abstimmungen. Niederhofer rief zu mehr Mut für das Gesetz der direkten Demokratie auf: „Es braucht einen Quantensprung nach vorne.“ Die Grundfrage sei: „Was ist für unser Land gesellschaftlich wünschenswert?“ „Recht auf Selbstbestimmung ist nicht mit Sezession gleichzusetzen“ Zur Frage, ob es unter seiner Regierung eine Abstimmung darüber geben wird, ob Südtirol weiterhin Teil von Italien sein will, meinte Kompatscher: „Unter den gegebenen Voraussetzungen wäre es grob fahrlässig, eine solche Abstimmung zu provozieren und diese Karte zu spielen.“ Um von Italien wegzukommen, bräuchte es eine Verfassungsänderung, wobei das Parlament zweimal zustimmen müsste. Das sei ­illusorisch. Außerdem sei das Recht auf Selbstbestimmung nicht mit territorialer Abspaltung gleichzusetzen. Kompatscher: „Es geht nur mit einer Verfassungsänderung oder mit einer Revolution bzw. einem Krieg, was undenkbar ist.“ Auch ein Zerfall des Staates könnte den Weg frei machen. Politik sei die Kunst des Möglichen, „und daher wollen wir den erfolgreichen Weg der Autonomie weitergehen, in der EU und mit der Europa­region Tirol.“ Am 5. September hat das Land übrigens auch den Tag der Autonomie begangen. Das Gruber-Degasperi-Abkommen, das vor 69 Jahren unterzeichnet wurde, ist die völkerrechtliche Grundlage der heutigen Autonomie. ­Liechtenstein ist nicht Mitglied der EU. Sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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