Vor vielen Grenzpendlern und Ehrengästen wurde versichert, dass das Recht, in der Schweiz zu arbeiten, nicht eingeschränkt wird.

„Ihr Recht, in der Schweiz zu arbeiten, wird nicht eingeschränkt“

Publiziert in 1 / 2017 - Erschienen am 18. Januar 2017
Regierungsrat Parolini beruhigt die Grenzpendler. Plangger: „Neue Steuerregelung soll graduell und sehr langsam umgesetzt werden.“ Schluderns - Als im Februar 2014 in der Schweiz die sogenannte Masseneinwanderungsinitiative mit knapper Mehrheit angenommen wurde, kam es auch unter den Grenzpendlern im Vinschgau zu Ängsten und Befürchtungen. Die Initiative zielte nämlich darauf ab, jährlich Höchstzahlen und Kontingente für Gastarbeiter einzuführen, Grenzpendler inklusive. Mittlerweile wurde die Zuwanderungsinitiative zu einem „Inländervorrang light“ abgemildert. Wäre die ursprüngliche Initiative umgesetzt worden, wäre das mit dem EU-Prinzip der Personenfreizügigkeit nicht vereinbar gewesen. Wie Jon Domenic Parolini, der Regierungsrat des Kantons Graubünden, bei der 45. Grenzpendlertagung am 7. Jänner im Kulturhaus in Schluderns versicherte, wird das Recht der Vinschger Grenzpendler, in der Schweiz zu arbeiten, nicht eingeschränkt. „Ihre Chancen auf eine Anstellung in Graubünden werden nicht geschmälert“, so Parolini wörtlich. Der Druck, Maßnahmen gegen die Massen­einwanderung zu setzen, sei vor allem von den Kantonen Tessin und Genf ausgegangen. Ohne ausländische Arbeitskräfte „wäre die Wirtschaft im Kanton Graubünden nicht so, wie sie derzeit ist.“ Der Regierungsrat räumte aber auch ein, „dass speziell im Tourismus und in der Bauwirtschaft Arbeitsplätze verloren gingen.“ Besteuerung der Grenzpendler Zum Thema „Steuern für Grenzpendler und bilaterales Abkommen“ referierte der Kammerabgeordnete Albrecht Plangger. Das im Jahr 1974 von der Schweiz und Italien unterzeichnete Abkommen sei ein sehr guter Vertrag gewesen. Italien hat laut Plangger aber weiterhin ­großes Interesse, „die Grenzpendler steuerrechtlich zu begünstigen und diese Arbeitsplätze zu erhalten.“ Das neue Abkommen wurde am 23. Februar 2015 in Mailand abgeschlossen und am 3. November 2015 ratifiziert. Als wichtige Eckpunkte des Vertrages nannte Plangger die Verpflichtung beider Staaten, in Zukunft die zwischenstaatlichen OECD-Standards zu übernehmen, die Regularisierung der Vergangenheit und den Austausch von Steuer-Informationen, um jene Steuerzahler zu identifizieren, die Vermögenswerte zu verbergen versuchen. In einer zweiten Phase wird die Konvention auf weitere Punkte überprüft, etwa bezüglich der Reduzierung der Steuersätze bei ­Dividenden und Zinsen. Das Gesetz zum Abkommen muss der Staat laut Plangger noch auf den Weg bringen. Und weil in Italien nun ein Wahlkampfjahr bevorsteht, sei wohl erst ab 2019 mit neuen Besteuerungsregeln zu rechnen. Zukünftig sollen die Grenzpendler im Staat, wo sie arbeiten, und im Staat, wo sie ihren Wohnsitz haben, besteuert werden. Übermittlung der Steuerdaten Die Quellensteuer in der Schweiz wird von 62,8 auf 70% angehoben. Die Schweiz übermittelt die Steuerdaten an die italienische Steuerbehörde. Bei der Restbesteuerung kann die gesamte in der Schweiz entrichtete Steuer in Abzug gebracht werden. „Die neue Regelung soll graduell und sehr langsam umgesetzt werden“, führte Plangger aus. Ab 2019 könnte auch ein „genereller Abzug“ von bis zu 60% angewandt werden, um den Steuerdruck zu vermindern. Wer außerhalb des 20-km-Gürtels ist, ist vom Vertrag nicht betroffen. Er kann die Steuerfreigrenze von 7.500 Euro anwenden. „Wir bemühen uns, die Freigrenze zu erhöhen“, so Plangger. Er informierte auch darüber, dass die Wirksamkeit des Gesetzesdekretes bezüglich der Kapitalrück­führung aus der Schweiz („voluntary disclosure 2“) bis 31. Juli 2017 verlängert wurde. An offenen Fragen im Zusammenhang mit Themen und Anliegen, welche die Grenzpendler betreffen, werde weiter gearbeitet. Josef Trafoier, der Sprecher der Grenzpendler, Landesrätin Martha Stoker, Erich Achmüller, der Vorsitzende der KVW-Arbeitsstelle „Südtiroler in der Welt“, und weitere Redner dankten Plangger für dessen Einsatz für die Grenzpendler. Über 1.100 Grenzpendler Stefan Luther, der Direktor des Amtes für Arbeitsmarkt­beobachtung, stellte die Studie „Der Obervinschger Grenzpendler: Eine Übersicht“ vor. In dieser Studie seien das Grenzpendlerwesen und dessen Bedeutung für die betroffenen Gemeinden erstmals umfassend erhoben und statistisch erfasst worden. Man habe versucht, nicht nur die „steuerlich“ anerkannten Grenzpendler zu erfassen, sondern die tatsächliche Gesamtzahl, die 2015 bei 1.150 lag. Der Großteil der Pendler stammt aus dem Obervinschgau. Es gibt aber auch Passeirer, die in die Schweiz pendeln. Werden bei der Beobachtung des ­Arbeitsmarktes im Obervinschgau die Grenzpendler berücksichtigt, fallen die Arbeitnehmerquoten viel höher aus. Am deutlichsten zeigt sich das in der Gemeinde Taufers im Münstertal. Ohne Grenzpendler liegt die Quote bei 35,8%, mit Grenzpendlern bei 58,9%, sprich 9% über dem Landesdurchschnitt. Im Obervinschgau arbeiten 15% aller Arbeitnehmer in der Schweiz. Zu den wichtigsten Zielorten zählen derzeit das Val Müstair und Scuol. Stark abgebaut hat in diesem Sinn Samnaun. Detail am Rande: Im Val Müstair sank die Einwohnerzahl in 10 Jahren um 12%. Die Studie ist im Internet einsehbar (www.provinz.bz.it/arbeit; Stichwort: Statistik - Arbeitsmarkt in Zahlen). Eigene Ansprechperson „Diese Studie bietet uns die Möglichkeit, mit den Daten in Zukunft noch weiter in die Tiefe zu gehen“, freute sich Landesrätin Martha Stocker. Im Zusammenhang mit der Kritik in Sachen Krankenversicherung, die bei der Tagung im Jänner 2016 laut geworden war, konnte Stocker mitteilen, dass die Sache auch dank des Einsatzes von Plangger geklärt werden konnte: „Die eingezahlten Beiträge wurden wieder zurücküberwiesen.“ ­Stocker kündigte außerdem an, dass über den KVW eine eigene Person eingestellt wird, welche die Aufgabe haben wird, die Grenzpendler in allen Fragen zu beraten. Vorgesehen ist ein Halbzeitstelle. KVW-Bezirksobmann Heinrich Fliri erinnerte in diesem Zusammenhang auch daran, dass Roland Pircher Ende Februar aus dem KVW ausscheidet: „Wir hoffen, dass eine neue, kompetente Person gefunden werden kann“, so Fliri. Pircher habe viel für den KVW und die Grenzpendler geleistet. Neu gebildet hat sich im Vorjahr eine Arbeitsgruppe, die sich um die Anliegen der Grenzpendler kümmert. Eines der Mitglieder ist Alfred Lingg. Er rief die Grenzpendler dazu auf, sich Gedanken darüber zu machen, ob es sinnvoll wäre, aus der Gruppe eine Interessensvereinigung zu machen. Auch Lingg dankte Martha Stocker und ­Albrecht Plangger. „Bleibt ehrlich!“ Ebenfalls Mitglied der Gruppe ist Gerlinde Warger Pegoraro, Lohnverantwortliche bei der „Diala Treuhand AG“. Sie sprach zum Thema „Mein Lohnblatt – wie bin ich als Grenzgänger(in) eigentlich versichert?“. Grundsätzlich hielt sie fest, dass die Steuerlast in der Schweiz im Vergleich zu Italien geringer sei. Außerdem biete die Schweiz Rechtssicherheit. Italien hinke in diesem Bereich noch stark nach. Warger Pegoraro rief die Grenzpendler dazu auf, sich stets rechtzeitig um Ansuchen und Unterlagen zu kümmern, damit die Quellensteuer niedrig gehalten werden kann. Gleichzeitig regte sie an, ehrlich zu bleiben, „denn sonst wird der Papiertiger noch größer.“ Außerdem ist es heutzutage so, „dass man früher oder später erwischt wird, denn die Transparenz ist gegeben.“ 796.000 Euro für die Gemeinden Über den Steuerausgleich des Jahres 2014 informierte Bezirkspräsident Andreas Tappeiner. Demnach flossen über 796.000 Euro als Steuerausgleich in die Kassen der Obervinschger Gemeinden. Der Anteil pro Grenzpendler und Jahr stieg von 908 Euro im Jahr 2013 auf 1.076 Euro im Jahr 2014. Weil 2013 viele Pendler „steuerlich“ nicht anerkannt wurden, speziell solche aus der Gemeinde Graun, die in ­Samnaun arbeiten, gab es 2013 nur für 378 Pendler einen Ausgleich. 2014 waren es 740. ­Tappeiner dankte den Grenzpendlern und versicherte, dass die Gemeinden diese Geldmittel sinnvoll in öffentliche Infrastrukturen und Einrichtungen investieren. Bei der Diskussion wurde u.a. beanstandet, dass es manchmal lange dauern kann, bis man bestimmte Bescheinigungen von Ämtern in Bozen erhält. Sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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