Die Verordnung des Landeshauptmannes sieht vor, dass im Falle prognostizierten Frosts eine zusätzliche Wassermenge von bis zu 6 Kubikmeter pro Sekunde aus dem Haidersee in die Etsch abgelassen werden darf.

„Im Falle prognostizierten Frosts“

Publiziert in 6 / 2022 - Erschienen am 29. März 2022

Vinschgau - Aufgrund der anhaltenden Trockenheit und Instandhaltungsarbeiten am Kraftwerk Glurns (Druckstollen in St. Valentin a.d.H. sowie neue Druckrohrleitung in Laas), dessen Wasser derzeit nicht für die Frostberegnung zur Verfügung gestellt werden kann, hat Landeshauptmann Arno Kompatscher am 21. März eine Notverordnung zum Wassernotstand im Einzugsgebiet der oberen Etsch bis Kastelbell unterzeichnet. Damit werde laut Komaptscher auf den sich abzeichnenden Wassermangel im Oberen Vinschgau reagiert: „Einerseits bleibt seit Wochen der Niederschlag aus, andererseits könnte bereits ab Ende März die Forstberegnung für die Apfelanbauflächen notwendig werden.“ Betroffen seien ca. 800 Hektar im Bereich Kastelbell-Laas, die von Wasserentnahmen aus der Etsch zu Frostschutzzwecken abhängig sind. Wegen der vorläufigen Außerbetriebnahme der Kraftwerke Glurns und Laas könne die zwischen Bonifizierungskonsortium Vinschgau und Alperia vereinbarte Wasserlieferung für die Frostschutzberegnung nicht wie üblich sichergestellt werden. Mit der Wiederinbetriebnahme des Kraftwerks Glurns sei erst in der Woche vom 4. bis 10. April zu rechnen. Die Verordnung sieht vor, „dass im Falle prognostizierten Frosts im Einzugsgebiet dieser Flächen mit entsprechender Vorlaufzeit eine zusätzliche Wassermenge von bis zu 6 Kubikmeter pro Sekunde aus dem Haidersee in die Etsch abgelassen werden darf. Der Wasserpegel im Haidersee ist bei Frostgefahr über eine längere Einspeisung von 3 Kubikmeter Wasser pro Sekunde aus dem Reschenstausee zu gewährleisten.“ Da es sich beim Ablass von 6 Kubikmetern Wasser in die obere Etsch um einen Eingriff in ein sensibles Ökosystem handle, „muss die Einspeisung von Wasser mit gradueller Steigerung der Wassermengen erfolgen, ebenso die Reduktion der eingespeisten Wassermengen. Auf dem betroffenen Flussabschnitt erfolgt ein Monitoring des Ökosystems und des Fischbestandes.“ Der Wassernotstand gilt seit der Unterzeichnung der Verordnung bis zur Wiederinbetriebnahme des Kraftwerks Glurns. – Im Vorfeld der Verordnung hatten der Dachverband für Natur- und Umweltschutz, die Umweltschutzgruppe Vinschgau, die Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Vogelschutz und die Vogelschutzgruppe Gröden Bedenken gegen ein Ablassen von Wasser aus dem Haidersee geäußert, denn damit würden der diesjährige Jahrgang an Fischen und andere Lebewesen verenden. Die Dienststellenkonferenz habe das Vorhaben am 10. März abgelehnt: „Gerade in den Monaten März/April befinden sich die Fischeier noch in der Entwicklungsphase bzw. es beginnt bereits die delikate Schlupfphase. Das geplante Ablassen des benötigten Frostschutzwassers aus dem Haidersee würde diese Entwicklungsphase dramatisch beeinträchtigen, sodass von einer weitgehendsten Zerstörung des diesjährigen Jahrgangs des Fischbestandes in diesem Gewässerabschnitt ausgegangen werden muss“. Beim Ein- und Ausfluss des Haidersees gibt es außerdem jeweils ein Biotop. Die Umweltverbände hatten gehofft, dass es im Sinne der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes zu keiner Notverordnung kommen würde: „Es braucht einen Konsens darüber, wo welche Art von Bewirtschaftung betrieben werden soll, was uns die Artenvielfalt und eine funktionierende, sich selbst regulierende Natur wert ist.“ Am 20. März hatten die Umweltschutzgruppe Vinschgau und die Vereinigung Südtiroler Biologen noch gefordert, dass es keinen Eingriff am Haidersee geben dürfe. Gefordert wurde von der Landesregierung eine „fachlich nachvollziehbare Erklärung, nach welchen wissenschaftlichen Parametern der Schaden eines aquatischen Ökosystems mit FFH Anhang – Fischarten (marmorierte Forelle und Mühlkoppe) offensichtlich in Kauf genommen wird.“ Am 17. März habe der Landeshauptmann in Schlanders über Nachhaltigkeit und Biodiversitätskrise gesprochen, „und einige Tage danach soll ein Biotop geopfert werden. Wie soll das zusammengehen?“ Sollte die Notverordnung kommen (wie mittlerweile geschehen; Anmerkung der Redaktion), würde sich die Nachhaltigkeits-Tour des Landes als „reine Werbeshow“ entpuppen.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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