Zeitzeugen, Referenten und Interessierte in Naturns (v.l.).: Altbürgermeister Walter Weiss, Benjamin Peer und Franz Fliri vom Heimatpflegeverein, die Referenten Luis Durnwalder und Martha Stocker, die Vorsitzende des Bildungsausschusses Astrid Pichler, Bürgermeister Zeno Christanell und Gaby Hofer, Werner Höllrigl und Veronika Stocker Mair vom Bildungsausschuss Naturns
Luis Durnwalder und Martha Stocker referierten zu den „Jahresmarksteinen“ der Geschichte Südtirols.
Astrid Pichler überreichte Prokulus-Rosen an Altlandeshauptmann Luis Durnwalder

Jahresmarksteine auf dem Weg zur Autonomie

Bildungsausschuss Naturns und Heimatpflegeverein Naturns-Plaus haben Zeitzeugen eingeladen …

Publiziert in 10 / 2022 - Erschienen am 24. Mai 2022

Naturns - …und dazu „hochkarätige Referenten gewählt“, wie Moderatorin Astrid Pichler zur Begrüßung anmerkte. Als Vertreter des Heimatpflegevereines sah Franz Fliri im Vortragsabend mit Martha Stocker und Luis Durnwalder eine Gelegenheit, jungen Generationen Südtiroler Geschichte näher zu bringen. Historikerin und Politikerin Stocker und Altlandeshauptmann Durnwalder spielten eine Doppelrolle, einerseits als Zeitzeugen, anderseits als ehemalige Akteure. Wie sie den 100 Jahre langen Weg von 1922 bis 1992 erklärten und darstellten, war fundiert und rhetorisch angenehm. Martha Stocker hatte den Titel gewählt: „100 Jahre faschistischer Überfall auf Bozen und Trient, 50 Jahre 2. Autonomiestatut und 30 Jahre Streitbeilegung“. Sie stapelte tief, indem sie ihren Beitrag „historische Splitter“ nannte. Das „Ende der Demokratie“ sah sie in der „Liquidierung“ des Bozner Bürgermeisters Perathoner. Mussolinis Aufforderung, die „Italienisierung des Gebietes voranzutreiben“, die Hoffnung auf Hitler, der Marsch nach Sigmundskron und die Anschläge ab 1960 waren weitere Schwerpunkte. Das Wirken der Südtiroler Volkspartei bis hin zur Landesversammlung 1972, das Ringen um deutschsprachige Fernsehprogramme, die Rolle der Region und schließlich die Streitbeilegung präsentierte Stocker als spannende Erzählung. Luis Durnwalder rief auf, die Optanten nicht pauschal als Verräter hinzustellen. Nicht hoch genug müsse man es schätzen, dass es der Südtiroler Volkspartei gelungen sei, Optanten und Dableiber zusammen zu bringen. Durnwalder erinnerte an die Rolle von Silvius Magnago, der viel mehr wusste, als er sagte, und von Alcide De Gasperi, der es in der Hand hatte, für beide Provinzen eine stabile Autonomie einzurichten, hätte er nur gewollt. Auch den Vorwurf aus dem Munde des ehemaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky, undankbare Südtiroler zu sein, zitierte Durnwalder. Stolz erinnerte er sich: „Ende der 1980er Jahre lagen wir von den 92 Provinzen Italiens an 91. Stelle mit unserem Bruttoinlandprodukt, heute liegen wir mit Abstand an 1. Stelle.“ Er sprach von den Lehrern in Südtirol als den „Staatsangestellten im Landesdienst“. Die neuen Zuständigkeiten der Rai kamen zur Sprache, ebenso die Übergänge von Straßen, Kasernen und Wasserkonzessionen, die Frage der Universität und vieles mehr. Als noch abzuschließenden, wichtigen Punkt bezeichnete Durnwalder den Übergang der Finanzregelung. Schließlich holt er zum Finale aus: „Durch’s Paket sind wir keine Mehrheit geworden, wir sind nicht einmal 1 Prozent der Bevölkerung Italiens, wir sind nach wie vor eine deutschsprachige, österreichische Minderheit in Italien. Wenn wir auf unsere Eigenart, auf Kultur und Tradition verzichten, werden wir zu einem Mischmasch, wir werden zu Italienern, denen es halt ein bisschen besser geht.“ Martha Stocker fasste zusammen: „Jetzt hat er alle Fragen, die ich mir ausgedenkt habe, in einem Aufwisch beantwortet.

Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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