Kehraus auf der Zetn-Alm
Hans und Resi Aster nehmen nach 37 Jahren Abschied von „ihrer“ Alm.
Naturns - Eigentlich ist der Rücken von Hans Aster der Grund dafür, warum der gebürtige Penser und seine Frau Resi sozusagen das halbe Leben auf der Zetn-Alm hoch über Naturns verbracht haben. Noch genauer gesagt waren es die Rückenschmerzen, die den Sarner dazu bewogen, seinen Beruf als Metzger aufzugeben und eine andere Arbeit zu suchen. Rohrbahnanlagen, Kettenzüge und andere Einrichtungen, wie sie in den Metzgerbetrieben seit langer Zeit gang und gäbe sind, gab es damals nicht. „Wenn man das ganz Jahr über halbe Schweine und Viertel von Ochsen und Kühen herumtragen muss, schlägt das auf den Rücken,“ blickte Hans am 23. Oktober dieses Jahres zurück. An diesem Tag herrschte auf der Zetn-Alm Kehraus. Kehraus bedeutet von seiner Bedeutung her eigentlich das Ende einer Tanzveranstaltung. Für Hans und Resi war der Kehraus der letzte Tag ihres 37-jährigen Arbeitens und Lebens auf der Alm. Obwohl sie der Eigenverwaltung Bürgerlicher Nutzungsrechte Naturns gehört, dürfen Hans und Resi ruhig von „ihrer“ Alm reden, denn so gut wie alles, was man in- und außerhalb der Almhütte sieht, trägt ihre Handschrift, vor allem aber den Schweiß von Hans. Als dieser vor 37 Jahren zum ersten Mal auf die 1.747 Meter hoch gelegene Alm zog, die sich auf einer Lichtung am Fuße der Hochwart am Naturnser Nörderberg befindet, war nur die Lage idyllisch.
Von Romantik keine Spur
Sonst war alles eher als romantisch: „Es gab kein Wasser und keinen Strom. Die Notdurft musste man auf einem Plumpsklo verrichten, geschlafen wurde auf einfachen Strohmatratzen“, erinnert sich Hans. Bis zu den Jahren 2006 und 2007, als die Eigenverwaltung die Almhütte erweiterte und eine Küche sowie einen neuen Stall mit Lagerräumen dazu baute, hatten sich die Küche (de facto nur ein Holzherd), das Schlafzimmer und die Stube in einem einzigen Raum befunden. Das letzte Teilstück des Weges bis zur Alm war zu Beginn der 1970er Jahre errichtet worden.
Neubeginn nach 23 Metzger-Jahren
Mit der Pacht der Alm begann für Hans nach 23 Metzger-Jahren - er hatte mit dieser Arbeit schon als 14-Jähriger begonnen - ein neuer Lebensabschnitt. Während der ersten Jahre bewirtschaftete er die Alm zusammen mit seinen Eltern. Seinen Sohn Marius holte er schon als 3-Jährigen auf die Alm. Dass es Schafe partout nicht mögen, auf der Schattenseite von Tälern zu bleiben, musste der Vater von Hans, der ein Schafnarr war, mehrmals erfahren. Manchmal war er gezwungen, seine Schafe von Weißbrunn in Ulten nach Naturns zurückzuholen. „Früher hatten wir 5 Melkkühe hier oben“, erzählt Hans. Er hat sie per Hand gemolken und auch selbst Butter gemacht. Dass sich die Almhütte und das unmittelbare Umfeld jetzt in einem sehr guten Zustand befinden, ist zu einem guten Teil auf die Eigenleistung von Hans und Resi zurückzuführen.
Viel Eigenleistung
Hans hat u.a. eine Wasserleitung bis zur Alm verlegt, ein kleines E-Werk gebaut und Toiletten errichtet. Das sind aber nur einige der Arbeiten, die er in Eigenregie durchgeführt hat. Resi arbeitete lange Zeit beim international tätigen Unternehmen „Ivoclar Vivadent AG“ in Naturns. Um ihrem Mann auf der Alm vermehrt helfen zu können, arbeitete sie für einige Jahre in Nachtschicht. Während der vergangenen 15 Jahre war ihr Mann der alleinige „Arbeitgeber“. Was Hans und Resi während all der Jahre noch aufgebaut haben, ist der gute Ruf der Zetn-Alm. Es sind nicht zuletzt die Wildgerichte, speziell Hirsch und Gemse, die Hans aus der Pfanne zauberte, aber auch der Kaiserschmarren und viele weitere Köstlichkeiten, die den Namen der Zetn-Alm weit über Naturns hinausgetragen haben.
Zetn-Alm genießt guten Ruf
Zwei Dinge haben Resi und Hans bis heute nicht verloren. Das ist zum einen ihr Humor und zum anderen ihre Liebe, die trotz des etwas fortgeschrittenen Alters noch immer zu wachsen scheint. Vieles andere hat sich während der vergangenen 37 Jahre zum Teil stark verändert. „Früher war es schöner, die Leute hatten mehr Zeit und viel weniger Stress“, bringt es Resi auf den Punkt. Die Ansprüche der Gäste waren viel geringer. „Früher kam es niemandem in den Sinn, hier oben einen Latte-Macchiato zu bestellen oder eine besondere Art von Kuchen“, so Resi weiter. Und eilig hatte man es auch nicht: „In den vergangenen Jahren hieß es immer häufiger: bitte schnell, wir haben nur wenig Zeit, denn in einer Dreiviertelstunde müssen wir wieder im Hotel sein.“
Stress hatte früher niemand
Neben vielen Wanderern wird die Zetn-Alm zunehmend auch von Mountainbikern und neuerdings auch von E-Bikern besucht. Zur Corona-Krise meinte das Paar, dass es in erster Linie Einheimische waren, die den heurigen Almsommer gerettet haben. Geändert haben sich Hand in Hand mit dem wachsenden Tourismus auch die Betriebszeiten. Folgte die Almsaison früher noch dem Rhythmus der Natur, sprich der Vegetation, so hat sich die Betriebszeit jetzt den Gästen „angepasst“, sie läuft von Anfang Mai bis Ende Oktober. Was das Vieh anbelangt, hält sich die Arbeit auf Zetn in Grenzen. Es sind in etwa nur mehr 7 bis 8 Stück Galtvieh, die den Sommer auf der Alm verbringen. Einen großen Dank sprechen Hans und Resi den vielen Menschen aus, „die uns all die Jahre aus nah und fern besucht haben und mit denen wir schöne Momente erleben durften.“ Der Abschied von ihrem zweiten Zuhause falle ihnen nicht leicht, „dennoch freuen wir uns auf unsere Ruhepause mit spannenden neuen Aufgaben, wie zum Beispiel auf unsere Enkelen schauen.“
Holzterrasse als Geschenk
Worüber sich Hans noch heute freut, ist die Holzterrasse, welche die Eigenverwaltung zu seinem 70sten Geburtstag vor der Almhütte errichtet hat. Jetzt ist Hans 74 Jahre alt. Für das Erinnerungsfoto am letzten Tag auf der Alm muss ihn seine Resi (72) wieder einmal zurechtweisen: „Entweder du besorgst dir eine neue Schürze oder dur drehst diese zumindest um.“ Wovon sich Hans nur sehr ungern trennt, ist eine große, schwere Holzwurzel, die er vor 35 Jahren von den „Hildböden“ in einem zweieinhalbstündigen Fußmarsch bis zur Alm getragen und ober der Eingangstür festgenagelt hat. Um das, was Hans und Resi aus der Zetn-Alm gemacht haben, erfolgreich weiterführen zu können, wird sich der neue Pächter ganz schön ins Zeug legen müssen. Die Bewirtschaftung der Alm wird neu ausgeschrieben. Aber Hans hat einen guten Rat auf Lager: „Wer am wenigsten Pachtgeld bietet, bekommt die Alm.“