Die Selbsthilfegruppe für Depression und Angststörungen hilft Betroffenen, aus der Dunkelheit wieder ans Licht zu kommen.

Kein Ersatz für Therapie, aber wertvolle Ergänzung

Publiziert in 16 / 2013 - Erschienen am 2. Mai 2013
Beratung und Hilfe für Menschen mit Depression und Angststörungen. Ab Mai jeweils zwei Treffen im Monat. Schlanders - Die „Lichtung“ ist ein Verein zur Förderung der psychischen Gesundheit. Neben Bozen, Meran, Brixen, Bruneck und Toblach hat die „Lichtung“ nun auch in Schlanders in enger Zusammenarbeit mit dem Therapiezentrum Bad Bachgart eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen. „Es war der Wunsch von Helmut Zingerle, dem Leiter des Therapiezentrums, auch für Betroffene im Vinschgau eine Selbsthilfegruppe zu gründen,“ sagt Ingeborg Forcher. Sie übernimmt die Leitung der Gruppe, die sich ab dem 9. Mai jeden 2. und 4. Donnerstag im Monat im Haus der Begegnung in Schlanders trifft. Helmut Zingerle (siehe auch Interview) und Ingeborg Forcher stimmen darin überein, dass die Hilfe zur Selbsthilfe kein Ersatz für eine Therapie ist, wohl aber eine wertvolle Ergänzung zu den medizinischen und sozialen Diensten. Forcher, die von 1998 bis 2008 in Schlanders Gruppen geleitet hat, seit über einem Jahr in Meran eine Selbsthilfegruppe der „Lichtung“ führt und in regelmäßigen Treffen die „Lichtung“ in Bad Bachgart vorstellt, weiß auch aus Erfahrung, wie wichtig es für Menschen mit psychischen Erkrankungen ist, im Anschluss an eine erfolgreiche Behandlung im Therapiezentrum weiterhin Stütze und Halt zu finden: „Genau hier setzt die Arbeit in der Selbsthilfegruppe an. Die Gruppe kann die stützende Rolle eines Wegbegleiters einnehmen, die vor, während oder nach der Inanspruchnahme von professioneller Hilfe genutzt werden kann.“ Offen ist die Gruppe natürlich auch für Betroffene, die nicht professionell behandelt werden. „Ersatzheimat auf Zeit“ In der Gruppe können Betroffene eine „Ersatzheimat auf Zeit“ finden, in der sie vor Menschen mit ähnlichen Problemen ihre Sorgen abladen können und mit ihren Nöten verstanden werden. Die Gruppe bietet einen diskreten und geschützten Rahmen, der es erleichtert, den Mut zu finden, sich zur eigenen Betroffenheit zu bekennen und sie anzunehmen. Forcher: „Im Gespräch entsteht die Möglichkeit, Hintergründe von Depression und Angsterkrankungen zu erkennen und verstehen zu lernen.“ Es gehe auch darum, „die eigenen Selbstheilungskräfte wieder zu entdecken, das Vertrauen zu sich selbst wieder spüren zu lernen, krankmachende Verhaltensmuster zu verändern, um wieder frei und mit Freude am Leben der Gesellschaft teilnehmen zu können.“ Depression ist kein Schicksal Schritt für Schritt wird gelernt, die Krankheit nicht mehr als Schicksal zu sehen.“Gesundheit bedeutet für uns, sich selbst helfen zu können, so gut es eben geht,“ ist Ingeborg Forcher überzeugt. Die Selbsthilfegruppe sei in diesem Sinn keine Therapie­gruppe, sondern eine Lerngrupp, deren wichtigstes Instrument das Gespräch ist. Daher sei es auch wichtig, dass die Leiter von Selbsthilfegruppen stets selbst Betroffene sind, die persönlich schwierige psychische Krisen überwunden haben und bereit sind, ihre Erfahrungen mit anderen Betroffenen zu teilen. Damit Selbsthilfe überhaupt funktioniert, „müssen Betroffene bereit sein, sich auf den Weg der Gesundung zu machen.“ Dazu gehöre auch die Bereitschaft, regelmäßig an den Treffen teilzunehmen. Ziel sei es, den Betroffenen zu helfen, ihre menschliche Würde wieder zu erlangen, verloren gegangene Fähigkeiten neu zu entdecken und das Leben wieder selbstständig in die Hand zu nehmen. „Erst wenn man beginnt, nach und nach - aber konsequent und mit vollem Einsatz - an sich selbst und an der Lösung der eigenen Probleme zu arbeiten, also die eigenen Denkmuster und das tägliche Leben zu verändern, können die Symptome von Depression und Angststörung sowie auch die körperlichen Beschwerden schrittweise in den Hintergrund treten,“ weiß Forcher aus Erfahrung. Die Selbsthilfe lebt aus der Kraft der menschlichen Gemeinschaft. „Optimale Ergänzung zu bestehenden Therapiemöglichkeiten“ der Vinschger: Herr Zingerle, Sie leiten das Therapiezentrum Bad Bachgart in Rodeneck, wo auch Patienten aus dem Vinschgau behandelt werden. Nun wird in Schlanders eine Selbsthilfegruppe des Vereins „Lichtung“ aktiv, um Menschen mit Depression und Angststörungen zu begleiten. Sind solche Selbsthilfegruppen überhaupt notwendig? Helmut Zingerle: Aus meiner Sicht sind Selbsthilfegruppen eine unverzichtbare Ergänzung zu den diversen ambulanten therapeutischen Angeboten. Zum einen helfen solche Gruppen durch die Gespräche mit anderen Betroffenen manchmal schon vor dem Beginn einer Therapie bei der Entwicklung einer Behandlungsmotivation und nehmen vielen auch die Angst vor einer Therapie. Zum anderen sind sie eine wichtige Begleitung, zum Beispiel auch nach einer stationären Behandlung. Es gibt auch im Vinschgau offizielle Anlaufstellen für Menschen, die unter Depressionen oder Angst­störungen leiden. Worin unterscheiden sich die Dienste dieser Stellen von jenen, wie sie Betroffene in Selbsthilfegruppen finden? In einer Selbsthilfegruppe treffe ich auf Menschen, die Ähnliches wie ich selbst erlebt haben, es gibt daher einen wichtigen Erfahrungsaustausch und eine gemeinsame Sprache. Ich treffe auf Menschen, die sich in ganz unterschiedlichen Entwicklungsstadien einer Problembewältigung befinden. Diese können für den Einzelnen zum Modell werden, wie solche Probleme angegangen werden können. Der große Unterschied zu den Angeboten der Dienste ist, dass dort ein professioneller Helfer mit seinem Rüstzeug zur Verfügung steht. Im Anschluss an eine Therapie müssen Betroffene mit dem Alltag meistens wieder allein zurechtkommen. Ist die Gefahr, wieder „rückfällig“ zu werden, nicht groß? Bei jeder Problematik besteht vor allem in der ersten Zeit die Gefahr, dass ich wieder in alte Verhaltens- und Denkmuster zurückfallen könnte. Das Problem hat ja meistens eine jahrelange Entwicklungsgeschichte hinter sich und ist in den Lebensalltag des Betroffenen integriert worden. Neues zu erproben ist daher nicht immer so einfach. Auch wenn ich unter dem alten Verhalten gelitten habe, wird es oft trotzdem wieder gezeigt, weil es mir so vertraut geworden ist. Sie haben sich die Gründung einer Selbsthilfegruppe im Vinschgau persönlich gewünscht. Was erwarten Sie sich davon? Wie schon erwähnt halte ich das für eine optimale Ergänzung zu den bestehenden Therapiemöglichkeiten. Vor allem muss man berücksichtigen, dass es in den öffentlichen Diensten aufgrund des großen Andrangs längere Wartezeiten gibt. Die Selbsthilfegruppe hilft mir auch, eine oft schwierige Zeit besser über­brücken zu können. Gibt ist nicht auch im Bereich der Betreuung psychisch kranker Menschen bestimmte Eifersüchteleien unter den zuständigen Diensten? Wenn ja, würde dieses Klima durch eine Selbsthilfegruppe nicht weiter „angeheizt“? Das mag vorkommen. Ich hoffe aber doch sehr, dass wir als Therapeuten in den unterschiedlichen Diensten unseren „Narzissmus“ soweit abbauen konnten, dass wir uns auch darüber freuen können, dass es eine Vielfalt von Hilfsmöglichkeiten gibt, die auch der Vielfalt sehr unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlichen Problemen erst wirklich gerecht werden kann. Ich halte nichts davon, wenn sich jemand als alleinig seligmachende Instanz sieht! Interview: Sepp Laner Infos In der Selbsthilfegruppe für Depression und Angst­störungen werden ­Menschen, die es wollen, auf ihrem ganz persönlichen Lebensweg in einem geschützten Rahmen begleitet. Die Gruppe beginnt ihre Tätigkeit am Donnerstag, 9. Mai, um 19 Uhr im Haus der Begegnung in der Göflanerstraße 4 in Schlanders. Weitere Treffen: jeden 2. und 4. Donnerstag im Monat von 19 bis 21 Uhr. Ein Vorgespräch mit der Gruppenleiterin Ingeborg Forcher ist erforderlich (Tel. 0473 624558 oder 339 1637100). Neueinstiege sind jederzeit möglich.
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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