„Kommt zurück, wir brauchen euch!“

Publiziert in 34 / 2016 - Erschienen am 28. September 2016
Besondere Initiative zur Anwerbung von jungen Ärztinnen und Ärzten, die im Ausland studieren oder arbeiten. Schlanders – Der akute Mangel an Fachärzten gehört zu den derzeit größten Herausforderungen im Südtiroler Gesundheitswesen. Eine besondere Initiative, gegen dieses Problem anzukämpfen, hat die Bezirksgemeinschaft Vinschgau in Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus Schlanders, dem KVW und der Gruppe „Freunde Krankenhaus Schlanders“ ins Leben gerufen. Rund 100 Studenten und Studentinnen aus dem Vinschgau, die im Ausland Medizin studieren oder dort arbeiten, wurden zur Veranstaltung „Ein Herz für die Peripherie“ nach Schlanders eingeladen. Rund 30 der Angeschriebenen fanden sich am Samstagnachmittag auf der Dachterrasse des Krankenhauses ein. Bürgermeister Dieter Pinggera nahm einleitend zur Gesundheitsreform Stellung. „Im Krankenhaus in Schlanders bleiben alle wesentlichen Dienste erhalten. Wir sind in den meisten Punkten zufrieden, in einem aber nicht, und der betrifft den Erhalt der Primariate. Von ursprünglich 6 müssen mindestens 4 Kernprimariate beibehalten werden. Geschieht das nicht, wäre das der Anfang vom Ende.“ Landesrätin Martha Stocker habe eine „sorgfältige Überprüfung“ zugesichert. Eindringlich rief Pinggera die angehenden oder bereits arbeitenden Ärztinnen und Ärzte auf, in den Vinschgau zurückzukehren: „Eure Heimat braucht euch.“ „Das Wesen Südtirols ist die Peripherie“ Auch Primar Anton Theiner, der ärztliche Leiter des Krankenhauses, äußerte sich in diesem Sinn: „Wir haben ein schönes und funktionelles Krankenhaus. Das Einzugsgebiet umfasst rund 40.000 Personen. Nicht zu vergessen sind auch die Feriengäste, wir haben rund 1,9 Millionen Nächtigungen pro Jahr.“ Was es vor allem brauche, sei Sicherheit. Gewährt werden könne diese, „wenn der Standort attraktiv ist und wenn es Anreize für junge Ärzte und Ärztinnen gibt.“ Auch Theiner warnte im Zusammenhang mit der Frage der Primariate vor einer sich „anbahnenden Fremdbestimmung“. Das Wesen Südtirols sei die Peripherie. Auch der aus Allitz gebürtige Chirurg Bernhard Spechtenhauser, der am Bezirkskrankenhaus Kufstein die Abteilung Chirurgie leitet, kann sich nicht vorstellen, „dass das Krankenhaus Schlanders irgendwie von Meran aus geleitet werden kann.“ Chirurgische Not- operationen müssen in Schlanders weiterhin beherrschbar sein: „Die Fahrt von Langtaufers oder einem anderen Seitental bis Meran wäre viel zu weit. Außerdem gehen viele Menschen erst dann ins Krankenhaus, wenn es wirklich ernst ist.“ Motivation ist enorm wichtig Für besonders wichtig hält er die Motivation: „Dass Studierende und angehende Mediziner wenig Motivation haben, stimmt nicht. Sie sind motiviert, müssen aber auch sehen, dass sie im Beruf weiterkommen.“ Als einen der Gründe, warum der Erhalt der Gesundheitsleistungen in der Peripherie wichtig ist, nannte Spechtenhauser auch die Sprache. Für Patienten, die z.B. nach Bozen kommen und der italienischen Sprache nicht mächtig sind, könne es sehr schwer werden, wenn die Krankenschwestern nicht Deutsch sprechen. Diese Ansicht teilte auch Raimund Margreiter, der ehemalige Leiter der Transplantationschirurgie an der Universität Innsbruck. Die Größe des Einzugsgebietes eines Krankenhauses und auch die Fallzahlen spielen laut Margreiter schon eine Rolle, „aber wenn man sich bemüht und motiviert ist, kann man auch in einem kleinen Umfeld Qualität erbringen.“ Vollverantwortliche Führungskräfte hält Margreiter für das Funktionieren einer Abteilung für essentiell. Es sei zwar sinnvoll, bestimmte Spezialabteilungen zu konzentrieren, die anderen Abteilungen sollten aber erhalten bleiben: „Ein finanzielles Problem kann es nicht sein. Südtirol hat ein reiches Budget.“ Zum Beruf des Mediziners allgemein hielt Margreiter fest, „dass es heute leider nur mehr um zwei Themen geht, um Arbeitszeit und Geld. Der Arztberuf ist zum Job verkommen.“ Landesrätin Martha Stocker sagte, „dass die Gesundheitsversorgung in Südtirol keine Frage des Geldes ist.“ Es sei das Fachpersonal, das an allen Enden und Ecken fehle. Bei den Allgemeinmedizinern zeichne sich dasselbe Problem ab. Als große Herausforderung nannte sie in diesem Zusammenhang die wachsende Zahl der chronisch kranken Menschen. Etwas erstaunt waren viele vom ersten Satz, den Stocker gesagt hatte: „Man kann einen Standort auch krank reden. Ich wünsche mir, dass er gesund geredet wird.“ Wenngleich mehrere Ärzte von der Landesrätin wissen wollten, was in Sachen Primariate zwischen Meran und Schlanders geschehen wird, kamen seitens der Landesrätin keine klaren Aussagen. „Es stimmt nicht, dass wir nicht zurückkehren wollen.“ Silke Regensburger aus Latsch, die in Österreich eine Facharztausbildung absolviert hat, wehrte sich gegen die in Medien geäußerte Behauptung, „dass wir nicht zurück nach Südtirol wollen.“ Das stimme nicht. Sie warte schon seit längerer Zeit vergeblich auf die Anerkennung ihrer Facharztausbildung in Italien. Das Problem liege bei der Ärztekammer in Österreich: „Die Kammer macht einfach zu, es wird nichts anerkannt.“ Martha Stocker meinte, „dass hier kein politischer Einfluss möglich ist. In Österreich verleiht die Ärztekammer die Titel.“ Sieglinde Kofler aus Tschars, die in München studiert und über 20 Jahre lang an der Uniklinik Großhadern gearbeitet hatte, kehrte vor drei Jahren nach Südtirol zurück. Sie arbeitet als Fachärztin für Innere Medizin und Kardiologie im Krankenhaus Meran. „Die Anerkennung der Titel kann zwar dauern und auch ich habe einige Zeit gewartet, aber am Ende hat es geklappt“, sagte Kofler. Und weiter: „Ich bin froh, wenn Leute zur Ausbildung kommen. Wir brauchen Internisten und sie werden gut ausgebildet.“ Auf die Frage, warum sie nach Südtirol zurückgekehrt ist, sagte Sieglinde Kofler dem der Vinschger: „Es waren zum einen familiäre Gründe. Zum anderen sind wir Südtiroler heimatverbunden und kommen in der Regel gerne zurück, wenn es die Gegebenheiten ermöglichen.“ Was spricht dafür, zurückzu- kehren und was dagegen? Kofler: „Dafür spricht unter anderem die Tatsache, dass in Südtirol Ärzte gerbraucht werden und dass freie Stellen vorhanden sind. Dagegen sprechen kann zum Beispiel der finanzielle Aspekt.“ Für sehr wichtig hält Kofler die Möglichkeit, „dass junge Ärzte und Ärztinnen in Südtirol das umsetzen können, was sie im Ausland gelernt haben.“ Austausch und Besichtigung Zur „Charmeoffensive“, die von Josef Bernhart gekonnt moderiert wurde, waren neben fast allen Bürgermeistern des Tals und vielen Vertretern des Ärzte-, Pflege- und Verwaltungsteams des Krankenhauses Schlanders und zum Teil auch des Krankenhauses Meran auch der Kammerabgeordnete Albrecht Plangger, der Regionalassessor Sepp Noggler und der Landtagsabgeordnete Bernhard Zimmerhofer mit Mitstreitern aus dem Vinschgau nach Schlanders gekommen. Im Anschluss an die Diskussion konnten sich die „Umworbenen“ mit den Ärzten austauschen und bei Führungen einen Einblick in das Krankenhaus gewinnen. Detail am Rande: die Arbeiten am neuen Bettentrakt stehen kurz vor der Fertigstellung.
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.