Solche oder ähnliche Hinweise könnten in Zukunft vermehrt zu sehen sein.
hds-Bezirkspräsident Dietmar Spechtenhauser
Neben der Gastronomie, Hottelerie und anderen Bereichen trifft der neue Lockdown auch den Handels- und Dienstleitungssektor hart; in den Dörfern (im Bild die Fußgängerzone Schlanders) ist wieder eine „antrische" Stimmung eingekehrt.

„Langfristig nicht haltbar“

hds-Bezirkspräsident Dietmar Spechtenhauser: „Es ist auf die Dauer nicht finanzierbar, die Wirtschaft lahm zu legen und sie stets mit Beiträgen am Leben zu erhalten.“

Publiziert in 39-40 / 2020 - Erschienen am 12. November 2020

Vinschgau - Auch der „kleine“ und jetzt wieder heftigere Lockdown trifft den Handels- und Dienstleistungssektor besonders schwer. Wir sprachen mit dem hds-Bezirkspräsidenten Dietmar Spechtenhauser. 

der Vinschger: Herr Spechtenhauser, inwiefern unterscheidet sich der „kleine“ Lockdown, der am 4. November in Kraft getreten ist und aus dem mittlerweile wieder ein größerer geworden ist, vom Lockdown des Frühjahrs 2020?

Dietmar Spechtenhauser: Aus Sicht des Handels unterschied sich der „kleine“ Lockdown dahingehend, dass wir in den ersten Tagen neben der Gastronomie und anderen wenigen die „Geschröpften“ waren, die ihre Betriebe schließen mussten. Es schmerzt umsomehr, da wir uns wirklich seit dem 8. Mai intensivst bemüht haben, alle Covid-19-Schutzmaßnahmen einzuhalten und im klein strukturierten Handel, wie wir ihn am Lande zu 99% haben, sicher keine Infektionsherde entstanden. Wir nehmen die aktuelle Situation sehr ernst und wir wissen, dass sie für alle eine Herausforderung ist.

Was können Sie als Bezirkspräsident des Handels- und Dienstleistungssektors im Vinschgau zu den konkreten Folgen des Lockdowns vom Frühjahr sagen? Wie groß waren die tatsächlichen Einbußen?

Die Einbußen liegen in der Modebranche auf das Jahr gerechnet sicher zwischen minus 20 bis minus 30%. Einige weniger, andere mehr. Die Bekleidungs- und Schuhfachgeschäfte konnten bei den sportiven Kollektionen zwar etwas wettmachen, aber alles, was direkt mit Mode zu tun hatte, litt sehr schwer unter der Schließung. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass uns heuer 3 Verkaufsmonate geschlossen worden sind. Gelitten haben alle, die nicht arbeiten durften.

Gab es Betriebsschließungen bzw. sind solche noch zu befürchten?

Die allermeisten konnten sich durch die Landes- bzw. Staatsbeiträge über die erste Zeit retten. Durch den erneuten Lockdown und die sich fast täglich ändernden Bestimmungen und Verfügungen sind viele unserer Mitglieder extrem verunsichert, ja verärgert und fühlen sich absolut zu Unrecht bestraft. Die unternehmerische Motivation steigt in solchen Zeiten wohl nicht. 

 Welche Branchen waren bzw. sind besonders schwer betroffen?

Gerade jene Bereiche, die im Frühjahr schon gelitten haben, wie Bekleidung und Schuhe, sind massivst betroffen. Aber selbst Haushaltswaren oder Kinderbekleidung dürfen dieses Mal im Gegensatz zum Frühjahr nicht verkauft werden. Scheinbar sind ja Zigaretten und Bücher überlebenswichtiger? Die Auswahl jener, die verkaufen dürfen bzw. durften oder nicht, kommt uns schon sehr eigenwillig vor, das muss ich ganz deutlich sagen. Nicht einmal unsere Minimalforderungen, wie Verkauf auf Abholung oder nach Terminvereinbarung, wurden uns zugestanden. In Österreich z.B. ist bei ähnlich schlechter Covid-19 Situation, bis dato (9. November, Anmerkung der Redaktion) der gesamte Handel normal geöffnet. Ein Staat und somit auch sein Gesundheitssystem wurden meines Wissens bis heute immer durch Steuereinnahmen aus der wirtschaftlichen Tätigkeit von Unternehmern finanziert. Es wird auf Dauer nicht zu stemmen sein, die Wirtschaft lahm zu legen und sie stets mit Beiträgen am Leben zu erhalten.

 Wie sieht es derzeit mit dem Personal im Handels- und Dienstleistungssektor aus? Sind massive Entlassungen zu befürchten?

Das hängt natürlich ganz davon ab, wie lange die Geschäfte geschlossen halten müssen. Was nach Ablauf der staatlichen Entlassungssperre passiert, weiß wohl niemand.

Wie bewerten Sie die bisherigen und neu angekündigten Unterstützungsmaßnahmen des Landes und des Staates?

Wenn wir nicht öffnen dürfen, muss es wohl Beiträge oder massive Steuererlasse geben, ansonsten wird diese Pandemie von einer Gesundheitskrise zur Wirtschaftskrise. Wenn die neuerlichen Beiträge jenen des Frühjahrs entsprechen, wird wohl das Schlimmste verhindert werden können. Die Parameter, nach denen festgelegt wird, wer in deren Genuss kommt, müssen jedoch in mancherlei Hinsicht geändert werden. Es kann z.B. nicht sein, dass es von der Mitarbeiterzahl abhängig ist. Vielmehr sollen die effektiven Einbußen hergenommen werden. Jene, die keine Mindereinnahmen hatten, sollten fairerweise auch nichts bekommen. Es muss auf jeden Fall nachvollziehbar sein, wer in den Genuss eines Beitrages kommt und wer nicht. Alles andere macht nur wieder „schlechtes Blut“ und das brauchen wir jetzt am wenigsten.

Was können bzw. sollten die Gemeinden tun, um die Nahversorgung in den Dörfern zu retten und zu stützen?

Den Gemeindeverwaltern muss bewusst sein, dass nur ein attraktiver Einzelhandel mit einem ausgeglichenen Branchenmix, verbunden mit gemütlichen Bars und ansprechender Gastronomie, ein Dorf lebenswert, frequentiert und zukunftsfähig macht. Da können die Gemeinden wirklich viele Zeichen setzen, dass es ihnen ernst ist mit der Unterstützung des Einzelhandels in den Orten. So können z.B. Initiativen gefördert, das Zentrum attraktiv gestaltet oder die Ansiedlung fehlender Branchen finanziell unterstützt werden.  Maßgeblich ist selbstverständlich die Treue unserer Kunden, welche ich an dieser Stelle unbedingt bitte, mit ihren (Weihnachts)-Einkäufen bis zur Wiedereröffnung der Geschäfte zu warten. Wenn Geschäftsleute und Kunden verstehen, dass sie eine Wertegemeinschaft sind und die Entwicklung ihres unmittelbaren Lebensraumes stark von gelebter Fairness und Identifikation mit eben dieser Gemeinschaft abhängt, dann werden wir die Nahversorgung gut in die Zukunft retten bzw. entwickeln können.

Welches zusammenfassende Fazit ziehen Sie als hds-Bezirkspräsident und als privater Kaufmann zum Corona-Jahr 2020?

2020 war ein Jahr voller Tiefen, aber auch einiger Lichtblicke. Der Sommer entwickelte sich durchwegs besser als erwartet, viele von uns haben etwas aufgeatmet, bevor nun wieder die Pandemie mit voller Wucht über uns hereinbrach. Ich wünsche uns allen, Kunden wie Unternehmern, dass am Ende die Zuversicht siegt, dass wir uns im nächsten Jahr so langsam, langsam wieder erholen können, dass wir aus dieser Krise lernen, mehr auf Gemeinsamkeit und weniger auf Egoismen zu setzen. Sodass wir irgendwann wieder aus diesem Tal der Unsicherheit in eine Lichtung gelangen, in der wir uns des Lebens freuen und es mit unseren Lieben genießen können. Ich wünsche uns, dass wir dann wieder mit neuem Mut unsere Geschäfte führen und zum Wohle unserer Mitarbeiter und unserer Orte entwickeln können.

Josef Laner
Josef Laner

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