„Magisch-mystisches Karthaus“
Die 32. Sommerausstellung in Karthaus steht im Zeichen der Fotografie und trägt den Titel „das tal/la valle“.
Karthaus - Die Ortsangabe müsste lauten „Karthause Allerengelberg im Schnalstal“. Einige schweigsame Mönche aus Wien haben vor fast 700 Jahren Südtirols einziges Karthäuserkloster unter den Schutz aller Engel gestellt. Inzwischen sind sich die Schnalser dieses Alleinstellungsmerkmals in Südtirol bewusst. Seit 32 Jahren lädt der Kulturverein Schnals Südtiroler Künstler nach Karthaus ein. Seit 10 Jahren gibt es das Markenzeichen „Kunst in der Karthause“. Zum „kleinen Jubiläum“ sind Obmann Benjamin Santer und seine Stellvertreterin Monika Gamper ein Wagnis eingegangen. Einerseits haben sie sich einer neuen Kunstgattung geöffnet, andrerseits haben sie die Kulturmanagerin Barbara Psenner beauftragt, die Klosteranlage und das gesamte Tal in Beziehung zu setzen.
Eine besondere Ausstellung
Die in Innsbruck lebende Psenner fand 8 Südtiroler Fotokünstler - 4 Frauen und 4 Männer - die sich aus unterschiedlichen Positionen von der Karthause inspirieren ließen, das Klosterareal weitläufiger nutzten und sich „das tal/la valle“ erschlossen. Kuratorin Psenner kündigte eine „ganz besondere Ausstellung“ an. „Zum ersten Mal ist Karthaus nicht nur Ort der Inspiration, sondern wird auch zum Gegenstand und zum Ausgangspunkt von Sichtweisen auf das Tal bis hinauf zum Gletscher“, erklärte sie einem Publikum, das nicht nur aus allen Südtiroler Landesteilen kam. Eine besondere Sichtweise auf die Karthause und von der Karthause nach außen, genauer hinauf auf die Berghöfe, habe der Bozner Fotograf Ludwig Thalheimer entwickelt. Er habe Bewohnerinnen und Bewohner dieser Höfe portraitiert. Deren Vorfahren hätten das Klosterleben erst ermöglicht, erklärte die Kuratorin. Brigitte Niedermair, zwischen Meran und New York lebend, habe sich vom Schweigegebot der Mönche inspirieren lassen. Mit ihren 6 Holzkassetten und dem weißen Fotopapier verzichte sie auf die „laute Fotografie“. Mit dem Bild aus ihrer Fotoarbeit „Eccehomo“ auf die Beine des berühmtesten Schnalsers, des Ötzi, wecke sie Assoziationen zur Passion. Vom Verzicht zur Wucht des Meraners Christian Martinelli. Sein tonnenschwerer „Cube“ im Klosterfriedhof ist die größte mobile Kamera, die je im Schnalstal stand, die nicht nur beweglich ist, nicht nur reflektiert, sondern auch fotografiert. Der Experte und Liebhaber analoger Fotografie Martinelli lasse Licht über ein eingebautes Objektiv einfließen und stelle damit die Fotografie auf die Anfänge zurück. An die Anfänge der Kunst selbst begab sich Paul Thuile, Gargazon, mit seinen Zeichnungen aus dem Inneren des geschlossenen Gasthofs Weißes Kreuz. Daraus entstand der Fotozyklus „Karthaus 13“. Mit Hilfe des Fotografen Thuile gelang dem Kulturverein die Erschließung unsichtbarer Räume.
Blick von Karthaus auf Karthaus
Aus Karthaus ausgestiegen, um sich Karthaus zu nähern, ist die Meranerin Elisabeth Hölzl. Sie hat den „extremen Schulweg“ der zehnjährigen Ida Sophie vom Sachsalb-Hof dokumentiert. Mit „Sommer im Winter“ sei laut Kuratorin Psenner eine „einfühlsame Fotodokumentation“ entstanden. Ida Sophies Wahrnehmungen über die eigene Handy-Kamera wurden von den Beobachtungen der Fotografin Hölzl ergänzt. Franziska Gilli, Bozen-Hannover, hat ihre journalistisch angehauchte Fotostrecke „Amen“ genannt und versucht, am Ziel des Ötzi-Marathons auf 3.200 Höhenmetern jene Momente festzuhalten, in denen Extremsportler mit sich und ihren Emotionen allein sind. Mit bewegten Bildern in der Klosterzelle stellte der Bozner Walter Niedermayr der Unterhaltungs- und Sportindustrie die Rute ins Fenster. Die Sportler konzentrieren sich auf ihre Sportgeräte, die Beobachter – auch die in der Klosterzelle – sehen das Spektakel und vergessen die alpine Landschaft. Mit dem Schnalstal, das es in einigen Jahren nicht mehr geben wird, hat sich Daniela Brugger, die einzige Einheimische unter den Fotografen, befasst. Die Karthauserin hat Fäden in ihre Arbeiten eingenäht und damit das Verschwinden der Gletscher optisch begreifbar gemacht. Kuratorin Psenner versäumte nicht, den Schnalsern für die „selbstverständliche, freundliche Hilfsbereitschaft“ zu danken. Die Überleitung zur Ausstellungseröffnung schaffte mit virtuosen Klarinettenklängen Lisa Santer aus Karthaus. Kulturlandesrat Philipp Achammer stellte zur Eröffnung fest, dass sich Karthaus das Prädikat „besonders“ mehr als verdiene und sprach von einer „magisch-mystischen Faszination, die von Karthaus ausgehe“. Begleitet von den Darbietungen der „Schnalser Jungtanzlmusi“ und gestärkt beim traditionellen Umtrunk und am köstlichen Buffet von Stefania und Paul Grüner, Hotel Goldene Rose, und Valentina und Erwin Grüner, Restaurant Grüner, verteilte sich das internationale Publikum zwischen Priorat, Kreuzgang, Mönchszelle, Klosterfriedhof und Klostergarten.