Mitreden und mitgestalten
Sozialer Aspekt soll bei Entwicklungsprogrammen nicht zu kurz kommen.
Schlanders - In allen Gemeinden Südtirols müssen laut einer Vorgabe des Landesgesetzes „Raum und Landschaft“ in den nächsten Jahren Gemeindeentwicklungsprogramme erarbeitet werden. Mit diesen Programmen werden die Leitlinien der zukünftigen Entwicklung der Gemeinden definiert. Betroffen sind alle Bereiche: die räumliche und wirtschaftliche Entwicklung ebenso wie die Bereiche Mobilität, Wohnen, Erholung, Nahversorgung, Jugend, ältere Menschen, Kinder, Landschaft, Nachhaltigkeit und weitere Themen mehr. Explizit festgeschrieben ist im Gesetz die Bürgerbeteiligung bei der Erstellung der Programme. „Die Entwicklung der Dörfer und Gemeinden hat viel mit dem Sozialen zu tun und damit der soziale Aspekt nicht nur kurz kommt, ist es uns als KVW ein Anliegen, sozial engagierte Personen zu informieren und zum Mitdenken und Mitgestalten zu motivieren.“ So führte der KVW-Bezirksvorsitzende Heinrich Fliri in den Vortags- und Diskussionsabend zum Thema „Spannungsfeld zwischen Urbanistik und Sozialpolitik“ ein, der am 3. November auf Einladung der „KVW Bildung Vinschgau“ in der Mittelschule in Schlanders stattgefunden hat. Auch Leonhard Resch, der Geschäftsführer der Arche im KVW, betonte, dass es wichtig ist, auch den „sozialen Flügel“ bei der Erarbeitung der Gemeindeentwicklungsprogramme miteinzubinden. Große Verbände wie etwa der Bauernbund, der HGV oder der lvh hätten sich bereits gut vorbereitet, um ihre Interessen durchzusetzen. Einer der Kernpunkt der Programm-Erstellung sei die Festlegung der Siedlungsgrenzen: „Es liegt auf der Hand, dass der Preis von Grundflächen um ein Vielfaches steigt, sobald definiert ist, dass sie sich innerhalb der Siedlungsgrenzen befinden.“ Festzulegen sind die Siedlungsgrenzen vom Gemeinderat, und zwar im Rahmen der abschließenden Genehmigung des Gemeindeentwicklungsprogrammes. Der Weg bis dahin ist aber noch lang, denn bis das „übergeordnete Planungsinstrument, das die Vorhaben und Ziele für eine nachhaltige, zukunftsorientierte Entwicklung der Gemeinde definiert“, vorliegt, sind noch viele Schritte zu tun. Dazu gehören nicht nur umfassende Erhebungen (Leerstand, Ensembles, Wohnungsbedarf, Mobilität usw.), sondern auch die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sowie auch die Arbeit von Technikern und Fachleuten.
Vorschläge und Ideen gefragt
Alle Bürgerinnen und Bürger sind laut Resch aufgerufen, sich im Rahmen des Bürgerbeteiligungsprozesses mit Vorschlägen, Ideen und Visionen einzubringen. Die Form der Beteiligung (Bürgerversammlungen, runde Tische, Workshops usw.) wird von den Kerngruppen gewählt, wie sie in allen Gemeinden für die Erarbeitung der Entwicklungsprogramme einzusetzen sind. Alle Initiativen, für die es in den Gemeinden und Dörfern Raum und Fläche braucht, sind zu thematisieren. Das können Rad- und Fußwege sein, Erholungsräume, Flächen für das Wohnen, Gewerbezonen, Spielplätze oder touristische Infrastrukturen.
Wo steht Schlanders?
Die Voraussetzungen für die Erstellung des Programms in der Gemeinde Schlanders sind laut dem Bürgermeister Dieter Pinggera gut: „Wir haben einen Gefahrenzonenplan, einen Ensembleschutzplan mit 20 ausgewiesenen Ensembles, einen guten Bauleitplan und einen Masterplan, der zwar keine rechtliche Verbindlichkeit hat, aber ein wertvolles Leitungsinstrument ist.“ Was das Modul der „vertiefenden landschaftlichen Analyse“ betrifft, so werde Schlanders zusammen mit den Gemeinden Latsch, Martell und Kastelbell-Tschars ein gemeinsames Konzept in Auftrag geben. Für die touristische Entwicklung streben alle 13 Vinschger Gemeinden ein Gesamtkonzept an, wobei grundsätzlich die Nachhaltigkeit und der Qualitätstourismus im Vordergrund stehen sollen. Die Gemeinde Schlanders wird die technische Erarbeitung der Fachpläne in Auftrag geben, „sobald die Kriterien für die Vergabe vollständig feststehen“, sagte der Bürgermeister. Um eine europaweite Ausschreibung zu vermeiden - die Erarbeitung des Programms für Schlanders dürfte ca. 350.000 Euro kosten -, werde eine „rechtlich korrekte Splittung der Arbeiten“ ins Auge gefasst. Ein Rundschreiben dazu soll in Kürze seitens des Amtes für Raumplanung eintreffen.
Leistbares Wohnen
Einer der Diskussionsschwerpunkte war das leistbare Wohnen. Laut Resch ist angesichts der Preissteigerungen, Zinsentwicklung und Inflation nicht davon auszugehen, dass der Anteil der Eigentumswohnungen in nächster Zeit merklich steigen wird. Wohl aber werde die Nachfrage nach Mietwohnungen wachsen. Resch informierte über ein Konzept, wonach daran gedacht werde, dass gemeinnützige Organisationen, Stiftungen bzw. Genossenschaften landesweit ca. 300 leistbare Mietwohnungen auf gefördertem Baugrund mit entsprechender Landesförderung errichten. Die ersten 20 bis 30 dieser Mietwohnungen sollen als Pilotprojekt auf dem ehemaligen Kasernen-Areal in Schlanders entstehen. „Es war und ist weiterhin unser Ziel, Wohnen leistbar zu machen“, sagte Dieter Pinggera. Mehrfach unterstrichen wurde bei der Diskussion, dass es immer schwerer und teurer werde, zu Wohnungen zu kommen. Auch der geförderte Wohnbau sei für viele nicht leistbar und die Mieten seien zu hoch. Ein weiteres Thema war die Nahversorgung in den Dörfern und Gemeinden sowie der Detailhandel insgesamt. „Auch die Fußgängerzone in Schlanders hat es alles andere als leicht“, sagte der Bürgermeister. Er verwies auf die stete Zunahme des Online-Handels, aber auch auf teils „absurde Preiserwartungen“ seitens der Eigentümer von Geschäftsräumen.
Diskussionsabend in Mals
Ein weiterer Diskussionsabend zum Thema „Spannungsfeld zwischen Urbanistik und Sozialpolitik“ findet auf Einladung der „KVW Bildung Vinschgau“ am 21. November um 19 Uhr im Seniorenclubraum in Mals statt.