Neue Gentechnologie
Was ist das eigentlich?
Prad - Die Freiwillige Feuerwehr von Prad hat unlängst in Zusammenarbeit mit dem Bildungsausschuss von Prad zu einem Vortrag in den Raiffeisensaal von aquaprad eingeladen mit dem Thema „Die neue Gentechnologie“ mit Eva Gelinsky, Leiterin der politischen Koordination der Interessensgemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit in Göttingen (Deutschland). Es waren etwa 30 Anwesende im Saal. An die 70 Personen hatten sich über Zoom zugeschaltet.
Derzeit wird in der EU intensiv über die Neue Gentechnik diskutiert. Kommission und Parlament machen Druck: Sie wollen noch vor den EU-Parlamentswahlen (Juni 2024) eine neue Verordnung verabschieden. Die Vorschläge, die hierfür derzeit auf dem Tisch liegen, sehen eine weitgehende Deregulierung der Neuen Gentechnik und der damit entwickelten Pflanzen vor. Die Interessen der Konsumenten, der Umwelt und der gentechnikfreien Lebensmittelerzeugung bleiben dagegen weitgehend unberücksichtigt. Mit der Umsetzung dieses Vorschlags würden zentrale Standards abgeschafft, wie z. B. das verpflichtende Zulassungsverfahren mit einer Risikoprüfung und Nachweisverfahren, die eindeutige Kennzeichnung dieser genmanipulierten Lebensmittel im Regal, die Koexistenzregeln, sowie das Verursacherprinzip. Dies bedrohe die gesamte (konventionelle und ökologische) gentechnikfrei arbeitende Land- und Lebensmittelwirtschaft. Gerechtfertigt wird die Deregulierung mit zwei Behauptungen: Zum einen sollen Eingriffe mit neuen gentechnischen Verfahren so sicher sein wie die konventionelle Züchtung. Zum anderen sollen sich mit Hilfe dieser Verfahren rascher Pflanzen entwickeln lassen, die resistent gegen Schädlinge, Krankheiten oder extreme Trockenheit sind.
Was ist aber dran an diesen Versprechungen? Was ist überhaupt Gentechnik und was unterscheidet die „Neue“ von der herkömmlichen Gentechnik? Stimmt es, dass die Neue Gentechnik „präzise“ und damit auch „sicher“ ist? Gibt es bereits Neue Gentechnik-Pflanzen? Und wenn ja: Welche Eigenschaften haben sie und wo wachsen sie? Kann der laufende politische Prozess noch beeinflusst werden? Welche Gefahr stellen Patente auf gentechnisch veränderte Pflanzen für die bäuerlichen Familienbetriebe in Europa dar? Das die wichtigsten Fragen, die im Laufe des Vortragsabends von der Expertin näher erläutert und auch wissenschaftlich unter die Lupe genommen wurden.
Wichtig und zugleich brisant
Medientechnisch und in der breiten Bevölkerung ist das Thema allerdings noch zu wenig präsent, bemängelte zum Beispiel Anja Matscher Bergbäuerin am Lechtlhof in Muntetschinig/Mals. Die studierte Agrarwissenschafterin setzt sich derzeit in einer eigenen Bioland-Arbeitsgruppe „Gentechnik“ intensiv mit diesem wichtigen und zugleich brisanten Thema auseinander. In einem Kommentar zu einem Artikel, der kürzlich im Südtiroler Online–Nachrichtenportal „Salto“ erschienen ist, schreibt sie: „Es geht darum gesamtgesellschaftlich zu entscheiden, ob die Risiken oder die vermuteten Vorteile überwiegen. Ich bin der Meinung, dass sowohl Universität als auch Politik die Aufgabe haben eine Technik nicht nur aus dem Blickwinkel der technischen Möglichkeiten zu betrachten, sondern sich auch damit beschäftigen müssen, welche sozialen und ökonomischen Auswirkungen eine Technik haben kann.“ Weiters ist in ihrem Beitrag zu lesen: „Ich möchte auch in Zukunft wissen, WAS ich esse, wie auch 80 bis 90 Prozent der Konsument*innen in repräsentativen Umfragen in anderen europäischen Ländern fordern…Könnte ein weiterhin gentechnikfreies Südtirol/Europa nicht auch ein Wettbewerbsvorteil in der Welt sein?“.
Die Verbraucherzentrale Südtirol wird Anfang Februar ein Positionspapier gegen die Deregulierung der Neuen Gentechnik im Rahmen einer Pressekonferenz in Bozen vorstellen, das von zahlreichen Südtiroler Verbänden mitgetragen wird. Wer zu dem Thema aktiv werden möchte kann dem Südtiroler Vertreter im EU-Parlament Herbert Dorfmann auch eine E-Mail schreiben. Am 06.02.2024 wird im EU-Parlament voraussichtlich über den Gesetzesvorschlag abgestimmt.