Oberschüler „prüfen“ Landesrätin

Publiziert in 9 / 2015 - Erschienen am 11. März 2015
Podiumsdiskussion mit Martha Stocker, BM Dieter Pinggera und Primar Anton Theiner. Zum Thema Geburtenabteilung heißt es noch abwarten. Schlanders - Wann und von wem wird entschieden, ob die Geburtenabteilung in Schlanders geschlossen wird? Welche Abteilungen bleiben im Krankenhaus weiterhin bestehen? Warum muss gerade im Gesundheitsbereich gespart werden? Mit diesen und anderen Fragen und auch Vorschlägen wurde die Gesundheitslandesrätin Martha Stocker am 2. März im Kulturhaus in Schlanders konfrontiert. An der Veranstaltung des Oberschulzentrums Schlanders nahmen die 3. und 4. Klassen des Realgymnasiums, des Sprachengymnasiums und der Wirtschaftlichen Fachoberschule sowie die 5. Klasse der Technologischen Fachoberschule teil. Podiumsgäste waren neben der Landesrätin auch BM Dieter Pinggera und Primar ­Anton ­Theiner, der ärztliche Leiter des Krankenhauses. Theiner informierte einleitend, dass das Grundversorgungskrankenhaus in Schlanders in seinem Einzugsgebiet rund 36.000 Menschen bedient. Es werden jährlich ca. 5.000 stationäre Aufnahmen gezählt sowie rund 30.000 Aufenthaltstage. Im Gesamtbudget des Südtiroler Sanitätsbetriebes schlagen die jährlichen Kosten für das Krankenhaus Schlanders mit 24,9 Mio. Euro zu Buche. Das sind 2,5% des Gesamtbudgets, wobei aber 20% des Landesgebietes abgedeckt werden. Eine Reform sei sicher notwendig, „und mit dem Großteil der Vorschläge sind wir auch einverstanden, mit anderen aber nicht.“ Im Krankenhaus werde im Großen und Ganzen gut gearbeitet. Die Rückmeldungen seien überwiegend positiv, besonders seitens von Auswärtigen. Natürlich passieren manchmal auch Fehler. Theiner plädierte für den Erhalt des Krankenhauses als Akut-Spital mit allen derzeitigen Abteilungen und natürlich auch der Geburtenstation. „Dort sparen, wo es nicht weh tut“ BM Dieter Pinggera stellte im Namen aller Vinschger Bürgermeister fest, dass es gelungen ist, in Gesprächen und Verhandlungen die Reform zu überarbeiten und dabei wesentliche Vorteile für die drei sogenannten kleinen Bezirke zu erzielen, „wobei das Krankenhaus Schlanders – bei aller Solidarität mit Innichen und Sterzing – eher mit Bruneck zu vergleichen ist.“ Auch Pinggera ist von der Notwendigkeit einer Reform überzeugt, „aber es muss dort gespart werden, wo es nicht weh tut und wo es zu keiner Beeinträchtigung der Grundversorgung kommt.“ Alle wichtigen Abteilungen und Dienste, die in Schlanders derzeit bestehen, müssten erhalten bleiben. Auch auf die wirtschaftliche Bedeutung des Krankenhauses wies Pinggera hin: „Mit ca. 470 Vollzeit- bzw. Teilzeitbeschäftigten ist das Krankenhaus der zweitgrößte Arbeitgeber im Tal.“ Ein Abbau von Diensten käme einer Schwächung des zum Teil bereits abwanderungsgefährdeten Gebietes gleich. „Kostenanstieg bremsen“ Den Zweck der Gesundheits­reform sieht Martha Stocker darin, den zu erwartenden Anstieg der Ausgaben im Sanitätsbereich in Grenzen zu halten: „Einsparungen im Sinne von weniger Ausgaben wie bisher sind unmöglich. Wenn es uns aber gelingt, den Kostenanstieg zu bremsen, haben wir schon viel erreicht.“ Ansteigen werden die Ausgaben vor allem aufgrund der Alterung der Bevölkerung: „Derzeit haben wir in Südtirol 100.000 Menschen, die über 65 Jahre alt sind, 2030 werden es 140.000 sein.“ Dass ­ältere Menschen mehr Leistungen brauchen, liege auf der Hand. Außerdem habe man sich anderen großen Herausforderungen zu stellen: „Demenzkranke, Rheumapatienten, Menschen mit psychischen Leiden usw.“ Kernfrage Geburtenabteilung Konkrete Antworten wünschten sich die Schüler bezüglich des Weiterbestandes der Geburtenabteilung sowie der anderen bestehenden Abteilungen im Krankenhaus. „Ich ging von Anfang an nicht davon aus, dass die Geburtenabteilung in Schlanders geschlossen wird“, sagte Stocker. Wohl aber sei ein Rotations-­Modell mit Meran ins Auge gefasst worden. Ein Modell der Rotation sei unter dem Motto „Ein Krankenhaus mit zwei Standorten“ auch für andere Bereiche vorgesehen. Stocker: „Das Krankenhaus Schlanders bleibt in diesem Sinn mit bettenführenden Abteilungen erhalten. Es kann sogar gestärkt werden.“ Das Problem, „dass in Schlanders abgebaut wird, sehe ich nicht“, so Stocker. Das Krankenhaus Schlanders stufe sie nicht als „kleines“, sondern eher als „mittleres“ Krankenhaus ein. In Bezug auf die Geburtenabteilungen in den kleinen Krankenhäusern gab es kürzlich eine Aussprache bei der Gesundheitsministerin in Rom. Auf die Frage, ob noch vor den Gemeinderatswahlen mit einer Entscheidung im Ministerium zu rechnen ist, meinte Stocker: „Ja natürlich“. Aufs Tapet gebracht haben die Schüler auch den Mangel an Fachärzten sowie die teils langen Wartezeiten. Angeregt wurden ein verstärkter Austausch mit anderen Regionen in Europa und die Schließung von Abteilungen, die schlecht funktionieren. Nicht nachvollziehbar sei, warum man im modernen Europa gerade bei der Gesundheit sparen müsse. Problem Wartezeiten Bezüglich Wartezeiten kann sich Stocker vorstellen, den ­Ärzten in den Krankenhäusern die Möglichkeit zu bieten, „etwas mehr privat arbeiten zu können. Dass ich mit diesem Vorschlag eine ‚heilige Kuh’ schlachte, ist mir bewusst“. Zudem werde es in Zukunft so sein, „dass jene, die sich anmelden und dann nicht zur Visite kommen, trotzdem zahlen müssen.“ Die Fehlmeldungen belaufen sich derzeit zum Teil auf bis zu 30%. Gut fand die Landesrätin den Vorschlag eines Schülers, auch bei der ­Anschaffung großer und teurer Geräte genau hinzuschauen. „In diesem Punkt sind ebenso Einsparungen möglich wie in der Verwaltung und anderen Bereichen.“ „Zu schwammig“ Dass das Krankenhaus ­Schlanders ein „mittleres“ ist, sei ihm im Ohr geblieben, meinte Anton Theiner in seinen Schlussworten. Der Begriff „Ein Krankenhaus mit zwei Standorten“ sei für ihn allerdings „zu schwammig und bedarf einer verbindlichen Definition.“ Die Rotation bringe zwar einige Vorteile, „es muss aber vor Ort ein bestimmter, fixer Personalstand sein. Sehr viele Ärzte, die in der Vergangenheit zu uns rotierten, haben bei uns ihren Jahresurlaub abgeleistet und wir haben wenig profitiert.“ Theiner verwies auch darauf, „dass die Hälfte unserer Basisärzte in den nächsten 5 Jahren in Pension geht, sodass das Krankenhaus zunehmend auch die Basis­medizin versorgen wird müssen.“ Ein Kahlschlag aller Primariate sei nicht zielführend, „gerade nicht bei den Kernprimariaten. Es könnte kein Mitbestimmen auf Augenhöhe mehr geben, dem Primar im Schwerpunktkrankenhaus ist seine dortige Abteilung wichtiger als die periphere, wie es sich bereits gezeigt hat.“ Wer könnte sich dann mit dem Krankenhaus und der Abteilung identifizieren? Wie steht es um die Verantwortlichkeit? Theiner: „Es gäbe keine Attraktivität mehr, einen überdurchschnittlich kompetenten Arzt für unser Krankenhaus zu gewinnen. Und ausbaden können es wieder die Patienten. Die Auflösung des Spitals ergäbe sich von selbst.“ Theiners Appell an die Landesrätin: „Helfen Sie uns, den Standort Krankenhaus Schlanders für junge Kollegen attraktiv zu halten, helfen Sie uns, dass sich das Krankenhaus weiter entwickeln kann.“ BM Dieter Pinggera packte die Gelegenheit am Schopf und rief die Oberschüler/innen dazu auf, sich für das Medizinstudium zu entscheiden. „Schließung stand nie zur Diskussion“ Stocker beteuerte, dass eine Schließung des Krankenhauses nie zur Diskussion gestanden sei. Anderslautende Äußerungen seien „böse Unterstellungen“ gewesen. Auch in Medien habe es diesbezüglich Fehlinformationen gegeben. Den Sinn und Zweck der Reform und ihres politischen Credos dazu brachte Stocker so auf den Punkt: „Wir müssen imstande sein, die wesentlichen gesundheitlichen Dienste für die Bevölkerung auch noch in zehn Jahren mit Steuergeld zu finanzieren.“ Sepp
Josef Laner
Josef Laner

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