Mit 64 Sortierkanälen ist die hochmoderne Sortiermaschine der OVEG in Prad ausgestattet.

OVEG setzt Maßstäbe

Publiziert in 44 / 2014 - Erschienen am 11. Dezember 2014
Neue Genossenschaft in Prad ist jetzt voll in Betrieb. Begeisterte Mitglieder. „Anlaufstelle für den Obervinschgau“. Prad/Eyrs - Es kommt selten vor, dass eine Obstgenossenschaft zur Gänze auf der grünen Wiese geplant und gebaut werden kann. Dieses Glück hatte die OVEG (Obervinschgauer Produktionsgenossenschaft landwirtschaftlicher Erzeugnisse), für die es in Eyrs keine Erweiterungsmöglichkeiten gab und die in der Handwerkerzone in Prad eine neue Genossenschaft mit Sortier- und Verpackungsanlagen errichtet hat. Auch eigene Trakte für die Verwaltung und die Mitarbeiter wurden gebaut. Obmann Christoph ­Alber und Geschäftsführer Markus Niederegger haben kürzlich bei insgesamt fünf Führungen die Genossenschaftsmitglieder, deren Partner sowie Interessierte durch die neue Genossenschaft geführt. Die Mitglieder zeigten sich durchwegs begeistert, vor allem auch von der hochmodernen Maschinenausstattung, aber auch von der Architektur und Einrichtung des Verwaltungstraktes sowie vom Arbeitsklima insgesamt. Zunächst nur als Außenlager gedacht Im Jahr 2008 ging es der OVEG zunächst nur darum, einen Standort für ein Außenlager zu suchen, zumal man in Eyrs aus allen Nähten platzte. Es wurde entschieden, in der Prader Handwerkerzone Grundflächen im Ausmaß von ca. 2,3 Hektar anzukaufen und dort das Außenlager zu errichten. 2009 und 2010 wurden so die ersten zwei so genannten Zellgänge gebaut, die jeweils rund 700 Waggon Äpfel aufnehmen konnten. Zumal eine Fusion mit der ALPE in Laas (Alpine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft mit Eigenverwertung), über die lange diskutiert worden war, nicht zustande kam und der seit 1997 bestehende Kooperationsvertrag mit der ALPE vor dem Ablaufen stand, stellte sich für OVEG die Frage, was mit der Ernte 2014 geschehen soll. Die wohl historische Entscheidung fiel am 19. April 2012 auf einer Mitgliederversammlung in Tschengls. Fast 85% der Mitglieder sprachen sich dafür aus, den Weg der Eigenständigkeit einzuschlagen und in Prad eine neue Genossenschaft mit Sortier- und Verpackungsanlagen und weiteren Einrichtungen zu errichten. Schlag auf Schlag Im Anschluss an diese Entscheidung ging es Schlag auf Schlag. Es wurden zusätzliche ca. 2 Hektar Grundflächen dazu gekauft. Eine eigens eingesetzte Arbeitsgruppe, Bauausschuss genannt, hatte alle Hände voll zu tun, um das große Vorhaben termingerecht planen und dann auch umsetzen zu können. Laut Markus Niederegger, der die Geschäftsführung im November 2012 übernahm, war es ein Glücksfall, die Genossenschaft auf der grünen Wiese bauen zu können: „Schon in der Planungsphase, die rund ein halbes Jahr dauerte, konnten wir alle Strukturen so konzipieren, dass alle Gebäudeteile optimal angeordnet werden konnten, auch unter dem Gesichtspunkt der Logistik und des gesamten Betriebsablaufs.“ 2012 und 2014 wurden zwei weitere Zellgänge errichtet. Hochmoderne Maschinen Zusätzlich zu den Lagerhallen wurden auch die neuen Produktions- bzw. Verarbeitungsstätten geschaffen. Zu den Kernstücken der OVEG in Prad gehört sicher die hochmoderne Sortieranlage. Sie ist mit 64 sogenannten ­Kanälen ausgestattet und kann die Äpfel in 55 Varianten sortieren, wobei die jeweils unterschied­lichen Merkmale der Qualität, der Fruchtgröße und der Farbgebung berücksichtigt werden. „Wir sind auf diese Weise in der Lage, fast allen Ansprüchen, wie sie von unseren Kunden verlangt werden, zu entsprechen“, erläutert der Geschäftsführer. Der Verpackungsraum könne ohne Übertreibung als der schönste im Vinschgau bezeichnet werden. Den vollständigen Kistenentleerungsbereich hat die Firma Longobardi (Lana) realisiert. Die Sortiermaschine wurde zusammen mit dem langjährigen Partner von Longobardi, Greefa aus Holland, angefertigt. Um die Sortierkanäle sauber zu halten, hat Longobardi einen eigenen Putzroboter entwickelt und geliefert. Auch Maschinen für den Verpackungsbereich wurden vom Unternehmen aus Lana geliefert. Kapazität nach oben Wie in anderen Bereichen haben der Vorstand und die Geschäftsführung der OVEG auch bei der Anschaffung der Sortiermaschine den Blick nach vorne gerichtet. Zumal die Anlage pro Stunde rund 22 Tonnen Golden sortieren kann und rund 25 Tonnen rote Apfelsorten, ist ihre Kapazität derzeit noch nicht voll ausgeschöpft. Würde die Anlage im Dreischichtbetrieb laufen, was theoretisch ohne weiteres möglich wäre, könnte sie pro Jahr zwischen 8.000 und 9.000 Waggon Äpfel über die Kanäle laufen lassen. Zurzeit ist das nicht notwendig, denn die Apfelernte 2014 belief sich auf 4.200 Waggon. In den nächsten vier bis fünf Jahren wird von einer Steigerung auf die 5.000 Waggon ausgegangen. Rasante Entwicklung Als 1997 der Kooperationsvertrag mit der ALPE unterzeichnet wurde, lieferten die damaligen OVEG-Mitglieder nur 380 ­Waggon Äpfel zur Genossenschaft. Zu erwähnen ist allerdings auch, dass die damalige Ernte aufgrund großer Frostschäden ziemlich gering ausfiel. Im Jahr 2000 wurden rund 1.000 Waggon geerntet. 2010 waren es 2.600 und jetzt 4.200, wobei 1.400 in Eyrs eingelagert wurden und der Rest in Prad. Zumal es weitere Lagerkapazität brauchen wird, wurden mittlerweile zwei weitere Hektar an Grundflächen angekauft, die an das bestehende Genossenschaftsareal in Prad angrenzen. „Auch der Verwaltungs- und Personaltrakt wurden so konzipiert und geplant, dass wir zusätzlichen Raumbedarf decken können“, so der Obmann und der Geschäftsführer. 23 Millionen allein für die Infrastrukturen Allein für den Bau und die Einrichtung der Infrastrukturen in Prad sowie für die maschinelle Ausstattung wurden über 23 Millionen Euro investiert. Die Ausgaben für den Ankauf der Grundflächen kommen noch dazu. Auf die Frage, ob die OVEG auch auf öffentliche Geldmittel zurückgreifen konnte, meinte Markus Niederegger: „Wir bekamen Zuschüsse über die Operationellen Programme und konnten auch auf den Rotationsfonds des Landes zugreifen. Wir wissen das sehr zu schätzen und sind dankbar, diese Möglichkeiten nutzen zu können, wenngleich auch zu sagen ist, dass die Förderungen im Vergleich zu früheren Zeiten knapper geworden sind.“ Und was heißt das für die Mitglieder? Niederegger: „Die Mitglieder, die eigentlichen Eigentümer dieses Betriebs, werden einen beachtlichen Teil der Investitionen mit eigener Kraft stemmen müssen.“ Vor allem während der nächsten Jahre sei diese finanzielle Belastung relativ hoch. Neue Arbeitsplätze Zumal die OVEG versucht hat, die Arbeiten und Aufträge möglichst an Vinschger bzw. Südtiroler Betriebe, Handwerker und Firmen zu vergeben, führte der Neubau der Genossenschaft zu einem positiven Effekt für die Wirtschaft insgesamt. Solche Effekte sind in Zeiten wie diesen eher selten und sehr willkommen. Darüber hinaus wurden auch zusätzliche neue Arbeitsplätze geschaffen. Es wurden zwar Arbeiter/innen von der ALPE abgezogen, um in Prad arbeiten zu können, doch es entstanden auch neue Stellen. Beim Großteil des nunmehr rund 60-köpfigen Mitarbeiter-Teams handelt es sich um Frauen aus der unmittelbaren Umgebung. Besonders geschätzt sind auch die Teilzeitstellen. Nicht leicht zu finden sind laut Niederegger Fachkräfte für den technischen Bereich, sprich die Bedienung der hochmodernen Maschinen. Anlaufstelle für den Obervinschgau Einig sind sich der Vorstand und die Geschäftsführung, dass die OVEG in Prad nun - auch dank der Einbettung in das Netz der VI.P - zur Anlaufstelle und zum Ansprechpartner für all jene Obervinschger Landwirte geworden ist, die sich dem Anbau von Äpfeln, Beeren, Gemüse, Steinobst und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen widmen bzw. in Zukunft widmen werden. Laut Markus Niederegger ist die gesamtwirtschaftliche Bedeutung, die der intensiven Landwirtschaft zukommt und in Zukunft zukommen wird, nicht zu unterschätzen. Außerdem werden nicht nur Äpfelbäume gepflanzt, sondern auch viele andere Produkte erzeugt, wie etwa Kirschen, Karfiol, Beeren und vieles mehr. Auch Bioprodukte sind willkommen. Wie groß die Produktvielfalt ist, zeigt schon ein Besuch im Detailgeschäft der OVEG in Eyrs. Wo es laut dem Geschäftsführer nach wie vor hapert, ist der relativ geringe Produktankauf seitens der heimischen Gastronomie. Es werde zwar oft und gerne von der Stärkung der kleinen Kreisläufe geredet, „doch die Wirklichkeit sieht anders aus.“ Oft anzutreffen seien in Eyrs hingegen Privatpersonen und Gäste, besonders aus der Schweiz. Wie geht es in Eyrs weiter? Der Steuersitz der OVEG verbleibt übrigens weiterhin am bisherigen Standort in Eyrs. Auch die dortigen Zellen werden weiterhin für die Einlagerung genutzt. Erhalten bleiben auch die Warenvermittlung sowie das Detailgeschäft. Weitere Neuerungen in Prad werden zwar angedacht, sind zurzeit aber noch nicht spruchreif. Zusätzlich zu einer Steigerung der Anbau­flächen geht die OVEG davon aus, dass auch die Zahl der Mitglieder und die Menge der Produkte steigen werden. In diesem Sinn zeigen viele Kurven nach oben. Derzeit zählt die OVEG 220 Mitglieder. Die Apfelanbauflächen umfassen zurzeit ca. 610 Hektar. Das Einzugsgebiet erstreckt sich von Eyrs, Tschengls und Prad über Lichtenberg, Schluderns und Glurns bis Mals. Dankbar ist die OVEG-Führung der Gemeinde Prad, die der Ansiedlung der neuen Genossenschaft von Anfang an positiv gegenübergestanden ist. Verarbeitungsbetrieb Der Verarbeitungsbetrieb wurde vom Ingenieur Wolfgang Oberdörfer (Ingenieurbüro Bauteam) geplant. Dabei wurden die Sortierhalle, die Räumlichkeiten für die Kartonagen, der Verpackungsraum, die Kommissionierhalle mit Depotzelle, die Durchfahrt inklusive Anlieferungshalle sowie ein Zellenzubau für 550 Waggon realisiert. Im Zuge dieser Ausführungsarbeiten wurde eine Nutzfläche von ca. 19.000 m² realisiert und eine Kubatur von 150.000 m³ verbaut. Das entspricht einem Bauvolumen von ca. 300 Wohnhäusern. Der gesamte Verarbeitungsbetrieb inklusive des neuen Zellenzubaus wurde von Mitte August 2013 bis September 2014 realisiert. Abzüglich des Stillstandes im Winter ergibt das eine reine Bauzeit von 11 Monaten. Eine so kurze Bauzeit für ein derart großes und komplexes Bauvorhaben ist rekordverdächtigt. Sämtliche Einrichtungen konnten der Obstgenossenschaft OVEG pünktlich übergeben werden. Ein Bauobjekt dieser Größenordnung in dieser Zeit ist nur durch eine ausgezeichnete Zusammenarbeit aller Beteiligten möglich. Gelungener Verwaltungs- und Personaltrakt Während die Produktions- und Lagerräume von Ingenieur Wolfgang Oberdörfer geplant wurden, hat den Büro- und Personaltrakt die junge Architektin Christa Mair aus Tschengls (Architekturbüro plan_ar) entworfen. Der dreistöckige Bau hebt sich auch äußerlich klar vom Rest des Baukomplexes ab. Und das nicht nur durch die Farbgebung, sondern auch aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Materialien. So wurden etwa für das Mauerwerk im Eingangsbereich Steine aus dem Allitzer Tal verwendet. Großen Wert legte Christa Mair auch darauf, dass möglichst viel Naturlicht einfällt. Das trifft für die Räume des Verwaltungstraktes ebenso zu wie für die Mensa und die weiteren Räume, die für die Mitarbeiter reserviert sind. Für Mair war es eine große, aber auch spannende Herausforderung, die äußere Farbgebung auch im Inneren stimmig weiterlaufen zu lassen. Für sie war es wichtig, dem „Herzen“ der Genossenschaft auch im Inneren eine besondere und einzigartige Note zu verleihen, wobei stets darauf geachtet wurde, möglichst heimische Materialien einzusetzen und auch heimische Betriebe zu verpflichten. Die Handwerker und Betriebe haben laut der Architektin mustergültig gearbeitet und die teils schwierigen Herausforderungen angenommen und gut gemeistert. 580 Flurnamen eingearbeitet Zu den Besonderheiten gehören zum Beispiel 580 Flurnamen aus dem Einzugsgebiet der OVEG, die auf Glaselementen im Bürotrakt eingraviert wurden. Die Richtigkeit der Namen hatte im Vorfeld gefälligkeitshalber Johannes ­Ortner geprüft. Ein weiteres Detail ist etwa die Metallstiege im Stiegenhaus, das den Verwaltungs- und Personaltrakt voneinander trennt. Als Muster für das Geländer hatte Christa Mair den Querschnitt eines ­Apfelkerns vorgegeben. Das Muster entstand durch die Vergrößerung einer mikroskopischen Aufnahme eines Apfelkernquerschnittes. Höchst originell sind zudem auch die Kleider-Schließfächer für die Mitarbeiter. Sie tragen die Farben der Vinschgerbahn, sprich jene der Dachmarke Südtirol. Zu den Glanzstücken zählt auch ein Versammlungsraum, wo sowohl der Boden als auch die Möbel aus heimischem Kirschbaumholz sind. Die Liebe zum Detail wird überall sichtbar, sogar bei den Kleiderbügeln, die nach der Form von Äpfeln entworfen wurden. Die Kleiderbügel hängen an nachgeahmten kahlen Bäumen. Christa Mair ist es insgesamt gelungen, dem Bauwerk einen originellen, überzeugenden und in bestimmter Hinsicht auch bewusst fraulichen Stempel aufzudrücken. sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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