Der scheidenden Parlamentarier Albrecht Plangger am 26. August 2022 in der Abgeordnetenkammer in Rom.

„Relativ gut verdaut“

Albrecht Plangger hofft, nach 9 Jahren Arbeit im Parlament „aufrecht durch den Vinschgau gehen zu können.“

Publiziert in 15 / 2022 - Erschienen am 30. August 2022

Vinschgau - Das Scheitern von Albrecht „Abi“ Plangger bei der SVP-internen Kandidatenwahl für die Parlamentswahlen am 25. September hat für Schlagzeilen, viel Unruhe und Enttäuschung gesorgt, in erster Linie in seinem Heimatbezirk Vinschgau. Wir sprachen mit Albrecht Plangger über sein Scheitern bei der Kandidaten-Bestimmung, seine bisherige Tätigkeit in Rom und darüber, wie es mit der SVP Vinschgau und ihm persönlich in Zukunft weitergeht.

der Vinschger: Wie gut oder wie schlecht haben Sie persönlich Ihre Niederlage bei der Bestimmung der Kandidaten für die Parlamentswahlen am 25. September verdaut?

Albrecht Plangger: Die Niederlage habe ich relativ gut verdaut. Ich gewöhne mich schon gut an die neue Rolle, in der mich politische Themen in Rom nichts mehr anzugehen haben und für die ich mir jetzt unter den Parlamentariern meine Ansprechpartner suchen muss. Diese werde ich sicher finden, damit die Themen nicht „versanden“. Weniger gut habe ich die Titelgeschichten vor und nach den Basiswahlen in der Neuen Südtiroler Tageszeitung verdaut. Da habe ich mich letzthin nicht mit gutmütiger Diplomatie gezeigt, sondern einmal den „Muli“ in mir ausschlagen. Da ist eben Einiges aufzuarbeiten.

Beim Bezirkstag der Vinschger SVP am 25. Juli in Schluderns wurden Sie vom Parteiobmann als außerordentlich „nahbarer“ Politiker gewürdigt. Bei der Wahl der SVP-Ortsgruppen am 16. August waren Sie nur für 38,60 Prozent der Ortsausschüsse „nahbar“, während Ihr Mitbewerber Dieter Steger das Rennen im Kammerwahlkreis Verhältniswahl mit fast 61 Prozent für sich entschied. Ist diese parteiinterne Art der Kandidatenbestimmung noch zeitgemäß?

Die Kandidatenfindung der SVP ist schon besser als alles, was andere Parteien gemacht haben. Selbstverständlich müsste das Votum - wie letztes Mal - auf alle Parteimitglieder gestreut werden, denn sonst engen die Bezirksleitungen mit ihren „Empfehlungen“ die freie Willensäußerung der Ortsgruppen bzw. Ortsobleute zu viel ein. Demokratiepolitisch ist da beim nächsten Mal unbedingt nachzubessern. Aber die Wähler haben nun entschieden und das passt. Ich hätte mehr Zeit gebraucht, um mit den neuen Ortsobleuten, von denen ich die meisten nicht kenne, in Kontakt zu kommen. Meinem Mitbewerber wünsche ich jetzt eine gute und erfolgreiche Arbeit in der Kammer. 

Ist die SVP Vinschgau ein Stück weit selbst für Ihren „Abgang“ verantwortlich? Es soll im Vorfeld auch im Vinschgau für Martin Ganner als Kandidat im Senatswahlkreis Meran die Werbetrommel gerührt worden sein, was bei der Burrgräfler Bezirksobfrau Rosmarie Pamer auf wenig Gegenliebe stieß. Julia Unterberger setzte sich zwar mit 75 Prozent gegen Ganner durch, doch von einer gemeinsamen Achse Burggrafenamt-Vinschgau war anscheinend wenig zu spüren.

Martin Ganner wurde in Meran nominiert. Er war dort über Jahre Bezirksobmann. Der Vinschgau war absolut loyal. Wir haben sicher zu 100% Julia Unterberger und Renate Gebhard nominiert. Danach bei den Wahlen und der überraschenden Präsenz eines Gegenkandidaten, den im Vinschgau als ehemaliger Nachbar-Bezirksobmann jeder kannte, habe ich nie 100% versprochen, aber übrigens die Meraner mir auch nicht. Aber ich war so viel Demokrat und habe Martin Ganner nicht verboten, die Vinschger Ortsobleute zu treffen oder zu kontaktieren, auch weil ich mir selbst im ganzen Land die Freiheit genommen habe, Bürgermeister/innen oder Ortsobleute zu treffen, obwohl die Bezirksleitungen eine Empfehlung für meinen Mitkonkurrenten ausgesprochen hatten. Mir wurde im Vinschgau ein „Strick gedreht“, indem man den Vinschgau zu Unrecht als unzuverlässig anprangerte. Im Bezirk Bozen hat der Kollege Manfred Schullian auch einen Gegenkandidaten erhalten, aber dort hat es keinen Aufstand gegeben und den Unterländern wurde z.B. nicht gedroht, den Manfred Mayr im Umkehrweg nicht zu unterstützen, falls dort jemand den Lorenz Ebner getroffen hat. Da ist demokratiepolitisch noch Einiges offen und dazu wurden Unwahrheiten auf die Titelseiten der Neuen Südtiroler Tageszeitung gebracht, die heute noch schmerzen, weil sie einfach nicht wahr sind.

Mit Ihrem Ausscheiden als Parlamentarier verliert der Vinschgau den einzigen direkten Ansprechpartner, der in der vergangenen 10 Jahren für viele Vinschger Anliegen in Rom „gesprungen“ ist, auch auf der Ebene von Ministerien und Ämtern, man denke etwa an die Themen Nationalpark, Krankenhaus Schlanders, Post, Strom-Geschichten, Energiefragen, Jagd, Finanzierungsfragen seitens von Gemeinden und viele weitere Anliegen mehr. Wie geht es jetzt mit diesen Agenden weiter? 

Ich bin schon voll dabei, meine Agenden zu ordnen, um sie an meine Ex-Kollegen weiterzugeben. Ich möchte nicht, dass die ganze Vorarbeit umsonst war bzw. ich über Jahre „per il gatto“ gearbeitet hätte. Es wird sicher aufwendiger, sprich teurer werden, wie z.B. in der Wirtschaft, wenn ein weiterer Zwischenhändler dazukommt, und die „Brötchen“ werden eben dementsprechend kleiner werden. Ich durfte für meinen Bezirk fast 10 Jahre in der schönsten Stadt Italiens arbeiten und stehe daher noch lange in der Schuld des Bezirks. Ich werde an diesen Themen dranbleiben und bin mir sicher, dass mich meine Ex-Kollegen/innen dabei wohl noch gerne unterstützen.

Wie lange sind Sie noch „Onorevole“ und was werden Sie nachher beruflich machen?

Man sagt mir bis zum 12. Oktober. Am 13. Oktober wird das neue Parlament zur konstituierenden Sitzung einberufen. Ich werde diese Zeit intensiv nutzen, um das eine oder andere Thema noch „ins Trockene“ zu bringen und möchte mir in Rom bis zum letzten Tag meine Suppe verdienen. 

Ist die Motivation, die SVP Vinschgau weiterhin als Bezirksobmann zu führen, weiterhin da?

Ich bin erst vor einigen Monaten für weitere 5 Jahre gewählt worden. Damals wusste ich, dass mit Rom fertig ist. Rom wurde für mich nur noch einmal aktuell, weil sich das Unterland voll auf die Senatskandidatur im Bezirk Bozen/Unterland festgelegt hat und nicht - wie bei den letzten Parlamentswahlen - den regionalen Verhältniswahlsitz für sich eingefordert hat, weil man im Gegenzug einen autonomiefreundlichen Italiener im Senatswahlkreis hätte zum Zug kommen lassen wollen. Ich habe noch Lust auf Politik und stehe in der Schuld des Bezirks. Die nächste ganz große Herausforderung sind die Landtagswahlen im nächsten Jahr. Da möchte ich meine Arbeit besser machen als beim letzten Mal. Der Vinschgau muss wieder in der Landesregierung vertreten sein. 

Die Haflinger Bürgermeisterin Sonja Plank hat unlängst erklärt, bei der Neuwahl der SVP-Spitze am 3. September auf eine Kandidatur als stellvertretende Obfrau zugunsten ihrer Mitstreiterin Verena Tröger, der Bürgermeisterin von Laas, zu verzichten. Nun bewerben sich nur noch Waltraud Deeg und Verena Tröger um dieses Amt. Was würde ein „Sieg“ von Tröger für den Bezirk bedeuten?

Eine Vize-Obfrau Verena Tröger würde eine große Aufwertung des Vinschgaus bewirken. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit ihr. Sie wird die Basisarbeit der Ortsgruppen und die Thematik der Gemeinden in den Vordergrund der Parteiarbeit stellen. Ich danke Sonja Plank ganz persönlich für diese nicht selbstverständliche Geste. Das werden wir zu schätzen wissen.  

Aus vielen Gesprächen nach den „Schicksalswahlen“ vom 16. August war herauszuhören, dass der SVP Bezirk Vinschgau einfach zu klein ist, dass die Zahl der Stimmrechte weiter gesunken ist und dass das Gewicht des Bezirks weiter zu schrumpfen droht. Im Landtag ist die SVP Vinschgau nur mit Sepp Noggler vertreten. Ist nicht auch Landesrat Arnold Schuler ein Vertreter des Vinschgaus?

Wir sind als Vinschgau stimmenmäßig eher schwach aufgestellt, auch wenn ich sonst durch die vielen neuen und jungen Ortsobleute eine Aufbruchsstimmung verspüre. Viele Ortsgruppen haben zurzeit kein Stimmrecht. Wir müssen unbedingt zur alten Stärke zurück, wenn wir die Parteipolitik im Land beeinflussen wollen. Das ist möglich, wenn uns wieder mehr Leute als Mitglieder unterstützen, aber auch vermehrt mit uns Politik machen und Vinschger Initiativen vorantreiben helfen. Darüber werden wir in den kommenden Monaten zu beraten haben, bevor wir das Kapitel Landtagswahlen angehen. Jetzt darf niemand wegen meiner Abwahl den Kopf hängen lassen, sondern jetzt erst Recht müssen wir uns selbstbewusst aufbauen und verstärken und bei der Parlamentswahl für die Partei im Vinschgau ein gutes Ergebnis einfahren, bei allen Problemen, die es in der Partei eben auch gibt. Wir sind sehr wohl verlässliche Leute und mit Verena Tröger bekommen wir jetzt hoffentlich neben unserem Landtagsvizepräsidenten ein weiteres Zugpferd auf der parteipolitischen Ebene. Über die Kritik von Arnold Schuler werden wir bezirksintern beraten, ob sie berechtigt ist oder nicht. Nach der Nicht-Berücksichtigung von Sepp Noggler für die Landesregierung gab es - zumindest nicht mir gegenüber - kein Angebot von Arnold Schuler, in besonderer Weise die Vinschger Interessen in der Landesregierung zu vertreten. Ansonsten hätte ich wohl nicht den Landeshauptmann darum gebeten und mich mit ihm mit einem eigens ernannten SVP-Kontaktkomitee im Halbjahresrhythmus zu den aktuellen Vinschger Agenden getroffen Diesbezüglich habe ich den Landeshauptmann beim Parteitag in Schluderns als „Vinschger Landesrat“ sehr gelobt.  

Im nächsten Jahr stehen Landtagswahlen an. Wird der „Abi“ kandidieren?

Ich bin der Bezirksobmann und möchte für die nächsten Landtagswahlen in dieser Funktion mein Bestes geben. Wir haben fähige Frauen und Männer in Tal. Mehr zusammenhalten müssen wir aber und selbstbewusst unsere Leute „ankreuzeln“. Wir haben es in der Hand. 

Können Sie uns ein paar konkrete Erfolge für den Vinschgau nennen, an denen Sie während Ihrer Amtszeit in Rom mitgearbeitet haben?

Der dickste Akt in meiner ersten Amtsperiode war zweifelsohne die Rettung der Geburtenstationen der peripheren kleineren Krankenhäuser. Die Geburtenstation in Schlanders, Cavalese, Cles und Sondalo gibt es immer noch. Wir haben alle böswilligen Angriffe aus Rom erfolgreich abgewehrt. Auch bei den Grenzpendlern und bei den provisorisch angestellten Ärzten ohne Zweisprachigkeit habe ich nichts anbrennen lassen. Eine der dicksten Ordner der vergangenen Legislaturperiode betraf die Wiederverlängerung von Waffenpässen von Hunderten von Jägern. Für die Gemeinden und „Häuslebauer“ habe ich zusammen mit Kollege Manfred Schullian wieder die Besteuerung der Volkswohnbauzonen durch Fixgebühr statt 9% erreicht. Zusammen mit dem Kollegen Ugo Parolo aus dem Veltlin haben wir durchgesetzt, dass der Nationalpark Stilfserjoch trotz „Verprovinzialisierung“ wieder Geldmittel aus den staatlichen Nationalparkprogrammen erhält. Es sind jetzt schon über 10 Millionen Euro gegen Norden geflossen. Auch beim Thema „Ehrenamt“ habe ich in den vergangenen Monaten Vieles wieder zurechtgebogen. 

Woran denken Sie nur ungern zurück?

Da fällt mir eigentlich nicht viel ein, vielleicht die letzte Regierungskrise mit dem überraschenden Abtritt von Ministerpräsident Mario Draghi. Das habe ich wie einen gewaltigen Fußtritt erfahren, weit schlimmer als die Niederlage bei den Basiswahlen. Ich hoffe, dass ich nach 9 Jahren in Rom aufrecht durch den Vinschgau gehen kann und überall weiterhin gerne gesehen werde. 

Wie werden Sie nach ihrem Abtritt als Kammerabgeordneter Ihre Freizeit verbringen?

Heuer stehen mir der Trophäenhirsch und der Gamsbock zu. Jetzt habe ich Zeit und kann auch einmal auf die Trophäe schauen statt nur auf das Wildbret. Und dann habe ich schon eine Enkelin und mit drei Söhnen dürfte mir diesbezüglich nicht langweilig werden.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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