Franz Tappeiner, Präsident des Feuerwehrbezirks Untervinschgau.

Retten kann nur, wer die Notlage kennt

Publiziert in 24 / 2014 - Erschienen am 2. Juli 2014
Die diesjährige Großübung in den Abschnitten 3 und 4 des Feuerwehrbezirks Untervinschgau umfasste neun, sich teilweise überschneidende Szenarien. Schlanders - Wenn Präsident Franz Tappeiner das Wort Großschadensereignis in den Mund nimmt, wissen Wehrmänner und Wehrfrauen im Untervinschgau, dass die Übungsteile sehr, sehr nahe an die Wirklichkeit heranreichen. der Vinschger hat sich von Tappeiner die wichtigsten Erkenntnisse aus der jüngsten Großraumübung mit 360 involvierten Personen in den Gemeinden Schlanders und Laas erklären lassen. Sie betrafen technische Unfälle wie Chloraustritt im Schwimmbad, Arbeitsunfälle, Transporterunfall am Berg, Verkehrsunfall am Berg, Hubschrauberabsturz und Personensuche im Rückstaubecken. Ein heftiges Gewitter führte zu Steinschlag und verlangte die Beobachtung von Bächen. Ein rutschender Hang erforderte die Evakuierung von Häusern. der Vinschger: Herr Tappeiner, wenn man sich die Übungsliste durchsieht, scheinen das Einrichten der verschiedenen Leitstellen und die Beobachtungen Schwerpunkt zu sein. Franz Tappeiner: In der Tat. Bei Ereignissen von besonderer Tragweite ist die Einberufung von Gemeinden- und Bezirksleitstelle gesetzlich vorgeschrieben. Die Kette von der Aussendung des Wetterberichtes an die Bürgermeister und an den Vorsitzenden der Bezirksleitstelle, dessen Weiterleiten an die Abschnittskommandanten, das fortlaufende Beobachten der Niederschläge, bis zum Einrichten der Gemeindeleitstellen und der Bezirksleitstelle mit Rückmeldungen an das Lagezentrum der Berufsfeuerwehr und an die neu eingerichtete LEZ, die Landeseinsatzzentrale des Landesverbandes, musste fundamentaler Teil der Übung sein. Zur Unterstützung werden Vertreter von Zivilschutz, Wildbachverbauung, Straßendienst und Notarztdienstes beigezogen. Wesentlich war für uns aber die Lagedarstellung der Wehren anhand vorbereiteter Formulare und Skizzen. Kann man sagen, dass der Vinschger Sonnenberg im Übungsprogramm eine herausragende Bedeutung bekommt, sagen wir: zum Sorgenkind geworden ist? Das kann man. Wir haben 18 Wehrmänner am Schlanderser Sonnenberg, aber tagsüber sind höchstens acht bis neun anwesend, die anderen gehen einer Arbeit nach. Durch den Übungsteil „Transporterunfall“, wofür Alarmstufe 5 ausgerufen wird (mit eingeklemmten Personen. Anm. der Red.), haben wir herausgefunden, dass wir mehr Wehren brauchen und dass wir entsprechend die Alarmbereitschaft erhöhen müssen. Ähnlich sieht es in Martell oder Tanas aus, wo es zwar ­zahlenmäßig große Wehren gibt, von denen aber viele Mitglieder einem Nebenerwerb nachgehen müssen. Die Tagesbereitschaft wird alle vier Jahre von uns neu erhoben. Werden die Wehren eigentlich bei Tagungen über Überschwemmungs- und Lawinengefahren und bei der Schutzwalddiskussion zu Rate gezogen? Beim Etschdialog waren wir eingeladen. Wie entstehen solche Übungsszenarien, nur im Kopf des Bezirkspräsidenten? Irgendwie habe ich sie in groben Umrissen im Kopf. Sieben Übungsteile sollen es mindestens sein. Ich notiere sie mir und geh in die Bezirksausschusssitzung. Danach red‘ ich alles mit unserem Inspektor, Hans Telser, durch. Wenn er zustimmt, werden die Abschnittsinspektoren, das ­Weiße Kreuz und die Bergrettung informiert, damit sie sich intern abstimmen können. Erst dann unterbreiten wir die Vorschläge den Kommandanten. Welcher Aspekt oder welcher Übungsteil war Ihnen am wichtigsten? Mir ging es vor allem um die Stimmung, die bei den einzelnen Aktionen zu spüren und zu beobachten war. Wie war die Bereitschaft in der Vorbereitung, in der Umsetzung und in der Übung selbst? Man muss sich vorstellen, in Tanas war ein Bus über die Böschung geraten. Es hatte einen „Toten“ gegeben. Unter den 11 „Verletzten“ war eine hochschwangere Frau; sie allein sprach Deutsch. Die Übung hatte zwischen 21.30 und 22.00 Uhr begonnen und ist gegen 1.30 Uhr beendet worden. Niemand hat gemurrt; jeder war konsequent bei der Sache. Ich war überrascht, mit welcher Sicherheit der Einsatz geleitet und abgewickelt wurde. Bei der Nachbesprechung habe ich dann auch ein großes Lob ausgesprochen, trotz Schwachstellen, die es ja auch gegeben hat. Wo lagen die Schwachstellen? Eine Hebamme hat uns auf die Fehler bei der Bergung der schwangeren Frau aufgezeigt. Dann – wie schon erwähnt – die Anpassung der Alarmstufen, beim Transporterunfall in Schlandraun die Anordnung der Rettungs- und Bergungsfahrzeuge, die Auslösung der digitalen Alarmierung und – wesentlich – der Ablauf. Es müssen einfach mehr Einsatzkräfte wissen, wie so was abzulaufen hat. Welche Übung ist besonders gelungen? Ich muss es als Ganzes sehen. Demnach sind alle neun Szenarien gut gelungen. Ob es der Arbeitsunfall in der Vetzaner Industriezone war oder der Hubschrauberabsturz in den Spondiniger Leiten. Vor allem der Hubschrauberunfall hat Reaktionen hervorgerufen. Man war verwundert. Ob es denn die Übung brauche, wurde gefragt. Da hab ich an die Übung am Vinschger Zug erinnert. Auch dort wurde angeführt, dass das Ereignis nie eintreten werde. Der Absturz in Spondinig war schon eine gewaltige Herausforderung, da die Hochspannungsleitung einbezogen war. Auf jeden Fall muss ich allen ein großes Kompliment machen, den Wehren, dem Bergrettungsdienst, der schnellen Eingreiftruppe des Weißen Kreuzes, dem Notarztdienst und der Notfallseelsorge, sowohl was die Durchführung betrifft, als auch wie man an die Inhalte herangegangen ist. Interview: Günther Schöpf
Günther Schöpf
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Vinschger Sonderausgabe

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