Projektleiter Martin Kaserer (hinten links)und Referent Helmuth Rainer (hinten rechts).

Schicksalsgemeinschaft Tourismus-Landwirtschaft

Publiziert in 5 / 2017 - Erschienen am 15. Februar 2017
Informationen aus erster Hand für Schüler der Wirtschaftlichen Fachoberschule (WFO) im Oberschulzentrum Schlanders. Schlanders - Eine Veranstaltung der Projektwoche 2017 an der WFO im Oberschulzentrum Schlanders befasste sich mit „Tourismus und Landwirtschaft im Vinschgau“. Der Themenvorschlag war von Vizedirektor und Mathematiklehrer Martin Kaserer gekommen. Zum Thema ­Stellung nahmen der Politiker Sepp ­Noggler, der Bezirksobmann des Bauernbundes Raimund Prugger und der Verbandssekretär des HGV Helmuth Rainer. Alle drei Referenten stellten sich den 11 Schülerinnen und Schüler aus den Gemeinden Kastelbell-Tschars, Latsch, Schlanders und Prad als Anhänger der „Großvinschger Lösung vor“: Für uns reicht der Vinschgau vom Reschen bis zur Töll. Gestaltungsspielräume der Politik Der Regionalassessor ­Noggler versuchte Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Politik die Landwirtschaft im Sinne des Tourismus stärken könnte. Die Gestaltungsspielräume der Politik gäbe der hoffnungslos veraltete Landesentwicklungs- und Raum­ordnungsplan (LEROP) vor. Die Schüler ließen sich zuerst mit Fragen zu Wintersport ohne Naturschnee auf das Thema ein. Die Landwirtschaft drängte sich dann mit der Schicksalsfrage „Wie sehen Sie die Zukunft der Bergbauern?“ in den Mittelpunkt. Der Malser Politiker zeichnete ein eher düsteres Bild und rechnete am Milchpreis vor, warum ein Viehbauer zum Nebenerwerbsbauer wird. Es fiel das „geflügelte Wort“: Der Bauer am Berg müsse zweimal arbeiten, um einmal ­leben zu können. Was die steigende Nachfrage biologischer Produkte betrifft, sah Noggler als logische Folge ein Sich-Annähern der konventionellen Landwirtschaft an die biologische. Im Urlaub auf dem Bauernhof räumte er den Bergbauern Möglichkeiten ein. Zur Frage „Finden Sie, dass die Verwendung von Spritzmitteln Auswirkungen auf den Tourismus hat?“, stellte er die Gegenfrage: „Warum haben im Burggrafenamt und im Vinschgau jene Gemeinden am meisten Tourismus, die seit 60 Jahren intensiven Obstbau betreiben?“ Chance durch Globalisierung Bauernbund-Bezirksobmann Raimund Prugger eröffnete seine allgemeine Einführung mit der Feststellung: „Landwirtschaft und Tourismus brauchen einander. Sie sind eine Südtiroler Schicksalsgemeinschaft.“ Prugger er­wähnte laufende Förderprogramme und -maßnahmen. Er brachte aber auch die Problematik durch Bär und Wolf ins Gespräch. Die Schüler wollten wissen, ob viele Bauern auf die biologische Schiene umstellen, wohin die meisten Äpfel exportiert würden, ob Äpfel zunehmend in der Höhe angebaut würden, ob es Unterstützung für die Berg­bauern gäbe oder ob es überhaupt noch Bergbauern geben werde. Prugger gab sich zuversichtlich: „Wir ­haben Chancen“, meinte er. Die viel geschmähte Globalisierung führe zur Regionalisierung. „Die Menschen wollen wissen, wo was herkommt. Es werden sich Nischen auftun, aber nicht für alle wird es gut gehen“, merkte er an. Prugger sah Reibungspunkte zum Hotel- und Gastwirteverband für Urlaub auf dem Bauernhof, aber die Gäste besuchen ja Gasthäuser und geben Geld aus. Es kam der „Vinschger Speck“ aus Holland zur Sprache und es folgte der ironische Hinweis, wir sollten dankbar sein, dass wir diese ganzen Schweine nicht in Südtirol mästen müssen. Zur „Pflanzenschutz-Geschichte in Mals“ wollte sich Prugger nicht äußern, die sei emotional festgefahren. Was der Politiker Noggler mit dem „blühenden Tourismus in Obstbaugemeinden“ sagen wollte, versuchte der Landwirt Prugger mit der Frage: „Wo gratulieren derzeit Bürgermeister immer wieder hundertjährigen Mitbürgerinnen?“ Krisenfester Arbeitgeber HGV-Verbandssekretär ­Helmuth Rainer eröffnete sein Statement mit einem Rückblick auf den erfolgreichen Aufstieg Südtirols als „Urlaubsdestination“. Er erinnerte, dass in den Internet-Bewertungen immer wieder mit drei Argumenten ein Südtirol-Besuch begründet werde: mit Landschaft, guter Küche und der Freundlichkeit der Menschen. Anhand konkreter Zahlen versuchte Rainer die ­Rolle des Tourismus in Zeiten der Wirtschaftskrise zu belegen. Arbeitsplätze im Gastgewerbe seien vor allem durch die „qualitativen Erweiterungen“ in den letzten Jahren um 17% gestiegen. Viele Handwerksbetriebe hätten hingegen 20 bis 30% an Arbeits­plätzen abbauen müssen. Er verglich die 4,6 Tage des durchschnittlichen Aufenthaltes in Südtirol mit den 4,0 Tagen im politischen Bezirk Vinschgau. Als bewährte Beziehungsbeispiele zwischen Tourismus und Landwirtschaft nannte er die Beere mit Martell, die Marille mit dem Vinschgau, den Ruf des Vinschger Käse, die Vermarktung von Honig und die Bergmilch aus dem Vinschgau. Die ersten Fragen der Schüler betrafen den Zug und die Folgen für den Tourismus, wenn er demnächst für eine bestimmte Zeit eingeschränkt werde. Auf die Frage, was für den Tourismus besser sei, die Bahnverbindung in die Schweiz oder über den Reschen, kam die Rede auf das benachteiligte Vinschger Oberland und zwangsläufig auf die Zusammenschlüsse von Skigebieten. Rainer sah keine Nachteile, sondern eine Gemeinde „reich gesegnet an Landschaft und Kultur“ mit Möglichkeiten für Zusammenschlüsse von Wintersportgebieten. Günther Schöpf
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.