Hauck & Bauer, in: spiegel online – 08.07.2019

Schools for Future! 

Offener Brief an den Landesrat für Bildung und Kultur Philipp Achammer, den Bildungsdirektor Gustav Tschenett, die Landesschuldirektorin Sigrun Falkensteiner und den Inspektor Werner Sporer

Publiziert in 25 / 2019 - Erschienen am 16. Juli 2019

Vinschgau - 1. Man kann auch jetzt in den Ferien wegschauen, wohin man will, der Klima-Thematik entrinnt man nicht.
2. Hochrespektable und wegen ihrer lupenreinen geistigen Unabhängigkeit durch und durch unverdächtige Chef-Analytiker wie der deutsche Alt-Kanzler G. Schröder mögen es lautstark anders sehen, aber: Es handelt sich hierbei eben nicht um eine vorübergehende, nur medial aufgebauschte Teenie-Hysterie. Die Klima-Krise ist hier, um zu bleiben. 
3. Die Schule wurde angesichts der Schüler*innen-Streiks für eine neue Klimapolitik auf dem falschen Fuß erwischt: Die Absenzen entschuldigen oder ahnden? Ahnden, aber was? Ahnden, aber wie? Beim Ahnden herausstreichen, dass Plakate so ganz unnachhaltig und achtlos zurückgelassen wurden? Dass manche der Teilzeit-Schulverweigerer sich nach der Demo auf einen Aperol Spritz getroffen haben? Oder gleich statt der Demo?! Dass die Jugendlichen also auf so frappante Weise ähnlich sind wie wir Ältlichen?
4. Es sollte für die Schule selbstverständlich sein, bei der Planung und Überprüfung ihrer Tätigkeit stets die je aktuellen Thesen der evidenzbasierten Wissenschaft im Auge zu behalten und auf entsprechende relevante Impulse zu reagieren. Dass etwa die maßgeblichen Vertreter*innen der damit befassten Forschungsdisziplinen mit Nachdruck darauf hinweisen, dass sich das Zeitfenster für Maßnahmen gegen einen dann unkontrollierbaren und unumkehrbaren Klimawandel in sehr absehbarer Zeit schließt, sollte für die Schule als ein Indikator für dringlichen Handlungsbedarf doch erkennbar sein.
5. Selbst wenn sich die Schule auf ein rein betriebswirtschaftliches Handeln beschränken würde – und warum sollte ihr das (wie uns allen) nicht ungleich näher liegen als ein nachhaltiges und umfassend vernetztes Agieren: Die „Zukunft“ gehört zu den grundlegenden Bezugspunkten des Betriebs Schule. Ein Großteil der ritualisierten betrieblichen Abläufe würde obsolet, wenn das für lange Zeit als unverbrüchlich gedachte Konzept „Zukunft“ durch dramatisch veränderte klimatische Rahmenbedingungen abhandenkäme. Oder, um es mit Greta Thunberg zu sagen: „Warum sollten wir für die Zukunft lernen (und lehren), wenn es sie (so) nicht mehr gibt?
6. Wenn sich die Schule aber ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und Verpflichtung bewusst wäre, wüsste sie, wo allein sie in dieser Debatte zu stehen hat: An der Seite der Beweger, an der Seite der Handelnden, an der Seite der Unbequemen. 
7. Konkret: Die Schule (gemeint ist hier: die Schule Südtirols) stelle sich ihrer Verantwortung gegenüber ihrer Kern-Kundschaft, den Kindern und Jugendlichen, und lote aus, durch welche Maßnahmen sie Teil der Lösung werden könnte. Beispiele:  
- sie unterstütze Schulen dabei, zu nachhaltig wirtschaftenden Betrieben zu werden
- sie motiviere und bestärke Schulen darin, Projekte zur Zukunftsfähigkeit/Nachhaltigkeit zu entwickeln 
- sie eröffne dem komplexen und beziehungsreichen Themenfeld „Nachhaltigkeit“ angemessene Räume in den Schulcurricula 
- sie überprüfe alle mit dem Schulbetrieb verflochtenen Aktivitäten im Hinblick auf ihre „Enkeltauglichkeit“: den Schülertransport, die Ausspeisung, die Digitalisierung, die Schulbauten, die Lehrer-Aus- und Fortbildung, die administrativen Abläufe…
- sie überlege, wie die notwendige wirtschaftliche Neuorientierung, die auch Landesrat Achammer schon gegenüber streikenden Schüler*innen angesprochen hat, schulisch am besten begleitet werden könnte: Sollte an einer wagemutigen und der Zeitgenossenschaft verpflichteten Oberschule ein „Landesschwerpunkt zukunftsfähige Wirtschaft“ eingerichtet werden? Ließen sich dafür in der Schülerschaft ausreichend Interessent*innen finden? Welche Synergien mit Betrieben und anderen Bildungseinrichtungen böten sich da an…?
8. „Es muss sich alles ändern, damit alles so bleibt, wie es ist“: Tomasi di Lampedusas Fürst von Salina konnte noch auf den restaurativ wirkenden Odem der Geschichte vertrauen. Heute aber gilt: Es wird sich vieles ändern. Und wir müssen uns entscheiden, ob wir diesen Wandel nach unseren Möglichkeiten mitgestalten. Oder ob wir uns absentieren, unentschuldigt.

Redaktion
Vinschger Sonderausgabe

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