Man darf gespannt sein, wie der „Meraner Tag“ aufgenommen wird.

Schützen proben den fröhlichen Aufstand

Publiziert in 19 / 2013 - Erschienen am 23. Mai 2013
Diesmal hat der Südtiroler Schützenbund nicht mit den Muskeln gespielt, sondern Fahnen schwingend, singend und tanzend in Meran um „mehr Freiheit und Unabhängigkeit“ geworben. Meran/Vinschgau - Mantua ist überwunden, es lebe Meran. Es wurde weder über einen erschossenen Helden getrauert, noch bei Trommelwirbel und Marschmusik mit ernster Miene durch die Gegend marschiert. Südtirols Schützen haben am 18. Mai den fröhlichen Aufstand geprobt. Sie haben gespielt, getanzt und gesungen, haben „gejuuzt, ­geplattelt und g‘schnöllt“ und sich in rot-weiße Fahnen gehüllt. Sie haben eine Kehrtwende eingeleitet, deren Auswirkungen noch nicht absehbar sind. Sie haben Bundesgenossen gesucht und in den Basken und Katalanen im Westen, den Flamen, Schotten und Wikingern im Norden, den Friulanern, Triestinern und Venetern im Süden, den Tibetern im Osten, den Stammesgenossen an Inn und Isar auch gefunden. Sie haben sich in Meran versammelt, im Kernland Tirols, in der einstigen Landeshauptstadt, um ihren Freiheitswillen zu bekunden. Der Schützenbund legt los Es scheint eine neue Führungsgeneration unter den Schützen heranzuwachsen, realitätsnahe und flexibl und vor allem zupackend. Im Vinschgau wird sie von Bezirksmajor Peter Kaserer und seinem Stellvertreter Martin Wielander vertreten. Beide haben in Meran viel Regiearbeit geleistet und in sechs Stunden 38 Auftritte, Vorführungen und Reden über die Bühne gebracht. Auf die Frage „Und iatz?“ am Tag danach verfiel Kaserer nicht in Selbstlob über eine gelungene Veranstaltung. Nüchtern meinte er: „Wir müssen und wollen die Diskussion weiterführen. Das Wie hängt auch von den Reaktionen der Medien auf den Tag in Meran ab.“ In Meran hatten auch die Vinschger Bataillonskommandanten Sepp Wielander und Egon Wiesler das sperrige Wort „Unabhängigkeit“ als riesige Buchstaben in die Höhe gereckt, aber geplant war, mit einem Volksfest „jetzt um mehr Freiheit und Unabhängigkeit“ zu werben, ohne sich auf ein Modell festzulegen. Man wollte in der Freiheitsstraße, auf dem Sandplatz und längs der Kurpromenade ein starkes Zeichen setzen. Offen für alle, die sich in irgendeiner Form Gedanken machten über die Rolle einer Provinz, die sich „nicht schuldig fühlt am Schuldenberg Italiens“. Neben dem Schützenbund hatten der Autonome Südtiroler Gewerkschaftsbund mit einem Informationsstand Gedankenaustausch angeboten, ebenso der Heimatbund, der an die Opfer der Freiheitskämpfer erinnerte und davor warnte, nur aus wirtschaftlichen Überlegungen eine Loslösung von diesem Staate zu wollen. Rom hat die Schamgrenze überschritten Der Südtiroler Bauernbund war der Meinung, dass die ­„Seggiererei“ mit unsinnigen Bestimmungen und Gesetzen ein Ende haben müsse. Die Südtiroler Volkspartei hatte Parteisekretär, Jugendreferent und eine historisch versierte Dame ins Rennen geschickt, um zu erklären, dass die Zukunft Südtirols nur in der Autonomie enden könne und mit der Sezession in eine Sackgasse führe. Am Stand der Südtiroler Freiheit wurde am deutlichsten klar gemacht, dass Südtirol nicht Italien ist. Die freiwilligen Helfer redeten sich den Mund fusselig, um Unterschriften zur europaweiten Aktion „1 Million Unterschriften“ für die Selbstbestimmung zu sammeln. Für dieselbe Unterschrift gab es am Stand der Schwarzen Löwen aus Flandern einen Schluck flämischen Bieres. Eher überrascht waren die Südtiroler, dass sogar die Bayern nach Freiheit rufen. Die Bürgerunion teilte der Festversammlung in der Staatssprache mit, dass uns Rom etwas zerrissen hat, „Roma ci hai rotto“. Ganz im Dialekt-Trend befand sich das „Team Artioli“, das sich „mit an gsunden Hausverstand“ um die „schlecht verwaltete Autonomie“ kümmern will. Den Venezianern scheint bewusst geworden zu sein, dass neben ihrer Nation auch eine Nation der Tiroler existiert: „Dó Popoli, dó Nasion“. Hatten die Schützen optisch klug in Meran auf die Tracht verzichtet, marschierten die Venezianer in blauen Uniformen und mit den aufgepflanzten Seitengewehren des „1. Reggimento Fanteria Veneto Real“ auf. Schon mal die Autokenntafel des „Freistaates Südtirol“ konzipiert hatten die Freiheitlichen. Optimistisch geschätzte 5.000 harrten auch nach Goaßlschnöllern, Volkstänzern, Schuhblattlern, Fahnenschwingern, Dudelsackspielern und Sängerinnen aus Island aus, um zwischen den Klängen der Gruppe Volxrock die Festreden zu hören. Leben in einer schlechten Ehe Die Marketenderin Verena Geier eröffnete die Ansprachen mit dem Aufruf, „nicht Angst vor dem eigenen Mut“ zu haben. Bart De Valck von der Flämischen Volksbewegung rief den Südtirolern zu:“Wir haben uns gefunden, weil wir alle in einer schlechten Ehe leben.“ Der Venezianer Matteo Grigolli will dem Lateinischen „Libertas“ auch das Deutsche Freiheit hinzufügen. „Un Friul - ein Tirol“ rief der Vertreter der Friulaner und „Freiheit für das Territorium Triest“ forderte ein Redner aus Triest. Lama Jinpa Santu von der Tibetischen Gemeinschaft in Italien meinte: „Anche noi siamo Montanari. Wir haben stesso Problema.“ Christopher White befürchtete, dass sogar das Ungeheuer von Loch Ness Schottland verlassen könnte, wenn am 18. September 2014 die Schotten nicht mit „Yes“ für die Unabhängigkeit stimmen. Nachdem eine starke Tiroler Basis die Katalonische Menschenpyramide ermöglicht hatte, hielten Anna Arqué aus Katalonien und Txente Recondo aus dem Baskenland zwei flammende Reden für das Recht auf Selbstbestimmung. Wenn Island immer auf die Freiheit gewartet hätte, wie man auf schöneres Wetter wartet, stünde es immer noch unter dänischer Fremdherrschaft, zeigten sich Jóna Fanney Svavarsdóttir und Erlendur Thor Elvarsson überzeugt. Die Gastrede hielt Klaus ­Tschütscher, ehemaliger Regierungschef im europäischen Zwergstaat Liechtenstein. Sein „Small ist beautyful“ wurde mit Beifall quittiert und sein „Wir dürfen nicht warten, bis die Menschen nur für den Staat arbeiten müssen“ ging in johlender Zustimmung unter. Landeskommandant Elmar ­Thaler verkündete zuversichtlich: „Der Zug der Freiheit hat Fahrt aufgenommen“ und warnte, den Abgrund um Italien mit kleinen Schritten überwinden zu wollen. Es helfe nur ein mutiger Sprung. Günther Schöpf
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.