Beim LOVT Camp für Familien mit Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigung im Sommer 2020 in Martell. LOVT steht für „Lösungs-Orientiertes Verhaltens-Training“.
Claudia Moser

Selbsthilfe, aber nicht nur

Arbeitskreis Eltern Behinderter (AEB) will Tabus brechen. Klare Forderungen an die Politik.

Publiziert in 43-44 / 2020 - Erschienen am 15. Dezember 2020

Vinschgau - Seit seiner Gründung im September 1979 unter dem Vorsitz von Gertrud Calenzani setzt sich der Arbeitskreis Eltern Behinderter, kurz AEB, dafür ein, betroffene Eltern zu informieren, zu beraten und zu stärken. Aber auch die Integration der Menschen mit Behinderung im Kindergarten, in der Schule und in der Arbeitswelt ist dem Arbeitskreis ein großes Anliegen. Außerdem will der Verband auf die Politik Einfluss nehmen, um die Probleme und Schwierigkeiten, denen betroffene Eltern leider immer noch gegenüberstehen, einer Lösung zuzuführen.

Noch viel Nachholbedarf

„Einige Dinge haben sich im Lauf der Jahre, auch auf Druck des Verbandes, zwar langsam gebessert, aber in bestimmten Bereichen gibt es noch immer erheblichen Nachholbedarf“, stimmten Claudia Moser aus Laas, die AEB-Ansprechpartnerin für den Ober- und Mittelvinschgau, sowie ihre Stellvertreterin Anna Maria Bernhard Jörg aus Schluderns in einem Gespräch mit dem der Vinschger überein. Im Ober- und Mittelvinschgau zählt der Verband derzeit rund 60 Mitgliedsfamilien. In allen Familien werden Kinder, Jugendliche oder Erwachsene mit körperlichen oder kognitiven Beeinträchtigungen unterschiedlichen Grades betreut. 

Oft rund um die Uhr gefordert

Nicht zu unterschätzen sei laut den AEB-Ansprechpartnerinnen, dass betroffene Eltern oft rund um die Uhr gefordert sind, „und das über viele Jahre, ja Jahrzehnte hinweg.“ Der Großteil der Arbeit werde nach wie vor von den betroffenen Eltern geleistet, „obwohl viele von ihnen berufstätig sind.“ Während zum Beispiel bei der Betreuung älterer Menschen ein Teil der Pflegearbeit von einer „Badante“ erbracht werden kann, „lastet die Betreuung von Menschen mit Behinderung fast ausschließlich auf den betroffenen Familien.“ Erschwerend hinzu komme, dass Hand in Hand mit dem Heranwachsen der betreuten Kinder und Jugendlichen auch die Eltern älter werden. Claudia Moser: „Es kommt auch vor, dass Eltern in diesen Situationen bis an die Grenzen ihrer Kräfte gehen. Sie machen solange weiter, bis es buchstäblich nicht mehr geht.“

„Betreuungslücke schließen“

Zu den wichtigsten Forderungen des Arbeitskreises gehört schon seit einiger Zeit die verlängerte Öffnung der Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Die Sommerpause von 6 Wochen ist eine viel zu lange Zeit, beanstanden Claudia und Anna Maria.  Auch die täglichen Öffnungszeiten müssten verlängert werden. Schließlich haben auch die Eltern von Kindern mit Beeinträchtigungen das Recht und das Bedürfnis, entlastet zu werden und ‚aufzuschnaufen’“, so die AEB-Vertreterinnen.

„Wohnmöglichkeiten sind unerlässlich“

Ein weiteres großes Anliegen ist dem Arbeitskreis Eltern Behinderter die Schaffung von Wohnmöglichkeiten. Auch im Vinschgau sollte es gelingen, Wohnräume zu schaffen, in denen mehrere Betroffene das selbstständige Wohnen lernen können mit entsprechender Betreuung. Mit Hilfe von Wohngruppen könnte erreicht werden, dass die Loslösung beeinträchtigter Menschen von ihren Familien zu einem angemessenen Zeitpunkt erfolgen kann, „und nicht erst, wenn das Limit erreicht oder gar schon überschritten ist“, wie es Claudia auf den Punkt bringt. 

„Wir sind keine Bittsteller“

Befreien will sich der Verband auch vom Bittsteller-Image und der falsch verstandenen Pflicht, immer für alles dankbar sein zu müssen. Es brauche diesbezüglich ein gesellschaftliches und kulturelles Umdenken. „Das, was wir an Pflegegeld bekommen, fließt zu einem großen Teil wieder in Dienstleistungen, die in Anspruch genommen werden, gibt Claudia zu bedenken. Schließlich sei auch anzumerken, dass mit der Betreuung und Pflege von Menschen mit Behinderung auch Arbeitsplätze geschaffen werden, und zwar in allen Bereichen, von der Kleinkindbetreuung an, in Schulen und Werkstätten und im gesamten therapeutischen Bereich. Was die Arbeitsintegration betrifft, sei es leider so, „dass nach wie vor wenige Arbeitsplätze zur Verfügung stehen.“ Eines der Probleme sei es, „dass es auch am Arbeitsplatz Leute braucht, welche bereit sind, Menschen mit Beeinträchtigung mit Geduld und Verständnis zu begleiten. 

Recht auf selbstbestimmtes Leben

Auch Menschen mit Beeinträchtigung haben laut UN-Konvention das Recht auf Teilhabe und das Recht, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Diese Teilhabe wird ihnen oft nicht nur aufgrund ihrer Behinderung erschwert, sondern auch aufgrund von Vorurteilen und verkrusteter Verhaltensmuster.

Offen für Beratung und Begleitung

Der Schwerpunkt der Verbandstätigkeit des AEB ist die Unterstützung durch Information, Beratung und Begleitung der Eltern bzw. Angehörigen von Menschen mit Behinderung. Die regelmäßigen Elterntreffen bieten die Möglichkeit, sich auszutauschen, Erfahrungen zu teilen, voneinander zu lernen und auch miteinander zu lachen.

Info

Büro Bozen: Tel. 0471 289 100 · info@a-eb.net

Josef Laner
Josef Laner

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.