Sieglinde Clementi

Südtiroler Frauen auf dem Weg in die Moderne

Publiziert in 10 / 2022 - Erschienen am 24. Mai 2022

Schluderns - „Die Frauen stehen in der Geschichte oft im Hintergrund. Gerade deshalb wollen wir dieses Thema in den Mittelpunkt des Vortrages am 28. April stellen“, betonte die Bibliotheksleiterin Magdalena Rinner bei der Einführung. Bemerkenswert sei, dass der Vorschlag, die Historikerin und Spezialistin für Regionalgeschichte Sieglinde Clementi einzuladen von Armin Bernhard, dem einzigen männlichen Mitglied des Bibliotheksrates stammt. Mit Anna von Menz (1796 – 1869) hatte Clementi eine Persönlichkeit der sogenannten „Sattelzeit“ gewählt. Das ist für die Frauengeschichte eine sehr wichtige und auch eine sehr schwierige Zeit, weil es die Zeitspanne des Übergangs von der städtischen in eine bürgerliche Gesellschaft ist. Nicht nur ständische Unterschiede gerieten ins Wanken, sondern auch die Geschlechterdifferenz und die Geschlechterrollen wurden neu diskutiert. Anna von Menz war keine emanzipierte Frau, sie war eine sozial privilegierte Frau, die sehr viel Besitz hatte und die sich innerhalb eines Systems ungleicher Geschlechterrollen ihre Freiräume schuf.

Das Blitzmädel und die Rechtsanwältin

Die Brixnerin Hilde Kerer (1919 - 2018) ist mit dem Faschismus, mit der Südtiroler Option von 1939/1940 und mit dem 2. Weltkrieg verbunden. Sie war Katakombenschülerin und Mitglied der VKS-Mädchenschaft, Optantin, Telefonistin bei der Wehrmacht in Russland und Frankreich und langjährige Aktivistin im Heimatschutzverein. Kerer meinte von sich: „Ich war ein Blitzmädel.“ Im Dezember 1943 ist sie nach Frankreich gekommen, wo sie einen schlimmen Luftangriff überlebt hat. Am 25. August 1944 verließ Hilde Kerer fluchtartig Frankreich und kehrte auf Umwegen nach Südtirol zurück. Sie griff ihren Schneiderberuf wieder auf, lebte mit einer Freundin im gleichen Haus und blieb unverheiratet. Sie starb 2018. Die Bozner Rechtsanwältin Andreina Emeri (1936 – 1985) war Mitbegründerin der ersten feministischen Gruppe in Südtirol und leitete bis zu ihrem frühen Tod die Frauenberatungsstelle AIED in Bozen. Diese war ein konkretes Resultat der sozialen Kämpfe der Frauenbewegung der 1970er Jahre. Emeri war als Rechtsanwältin und Mutter von vier Kindern die Leitfigur der Bozner Frauenbewegung. Auf ihrer Initiative beruhen die Gründung der Frauengruppe und die Frauenberatungsstelle EIED. 1983 wurde sie in den Südtiroler Landtag gewählt. Ihr politisches Engagement nahm jedoch 1985 ein Ende. Während eines Urlaubs in Norwegen erlitt sie einen Herzinfarkt. Sie war erst 49 Jahre alt. Seitdem ist die Beratungsstelle AIED nach ihr benannt.

Oskar Telfser
Oskar Telfser
Vinschger Sonderausgabe

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