Klaus Wallnöfer
Rudi Rienzner
Alfred Theiner
Michael Wunderer

Unser Strom

Diskussionsabend in Prad. „Autonome Reglementierung“ gefordert.

Publiziert in 22 / 2022 - Erschienen am 6. Dezember 2022

Prad - Die Stromproduktion und die Verteilung sind zwar in Südtiroler Hand, das System dahinter aber hat sich nicht geändert, weil die Landespolitik die Energieautonomie nicht voll ausschöpfen will. So lässt sich die Kernaussage des Direktors des Südtiroler Energieverbandes (SEV), Rudi Rienzner, zusammenfassen, der am 25. November im Nationalparkaus „aquaprad“ in Prad zu Gast war. Neben Rienzner hatte die Schützenkompanie Prad mit Unterstützung der Vinschger Schützen und des Bildungsausschusses auch den Obmann der Energie-Werk-Prad Genossenschaft, Klaus Wallnöfer, zu einem Diskussionsabend eingeladen. Alfred Theiner erinnerte in seiner Begrüßung vor rund 50 Anwesenden an den Leitspruch des 2018 verstorbenen Energiepioniers und Visionärs Georg Wunderer aus Prad: „Die Energie darf nicht dem Kapital dienen, sondern den Menschen.“ Auch Rudi Rienzner und Klaus Wallnöfer hoben in ihren Referaten wiederholt die Verdienste von Georg Wunderer hervor, die er sich als Obmann des E-Werks Prad, als Vordenker für die Gründung des Vinschgauer Energiekonsortiums sowie als Gründungsmitglied und SEV-Obmann bzw. SEV-Vizeobmann erworben hatte. „Dass die ‚historischen’ Genossenschaften heute in Italien Vorteile genießen, haben wir maßgeblich Georg Wunderer zu verdanken“, so Rienzner. Der SEV-Direktor stellte einleitend die SEV-Gruppe und ihre Tätigkeiten vor. Als Kompetenzzentrum für Energie setze sich der Verband für den Einstieg in eine dezentrale, den örtlichen Bedürfnissen angepasste Energiewirtschaft ein. Auch mit vielen Daten und Fakten zum Verband wartete Rienzner auf: 307 Mitglieder, 120 Wasserkraftwerke, 45 Fernheizwerke, 4 Biogasanlagen, 24 Mitarbeiter. „Der Energieverband war eine Idee von Georg Wunderer und ich konnte sozusagen mitgehen“, sagte Rienzner.

Verrückter Energiemarkt 

Die Hintergründe der Steigerung der Strompreise ortet der SEV-Direktor in den Abhängigkeiten, in der unzureichenden Diversifikation, im Ukraine-Krieg, in den allgemein hohen Rohstoffpreisen und nicht zuletzt auch in Spekulationen. Auch die Trockenheit und der Klimawandel spielen eine Rolle. Im Vergleich zu anderen Ländern in Europa seien die Strompreise in Italien außergewöhnlich hoch. Bedingt sei dies vor allem durch die hohe Gas-Abhängigkeit (42,4%). Im Bereich Photovoltaik habe es in letzter Zeit einen starken Aufschwung in Italien gegeben. Trentino-Südtirol hinke bei der Photovoltaik im Vergleich zu anderen Regionen stark nach. Auch über Maßnahmen zur Abfederung der hohen Stromkosten auf der Ebene der EU, des Staates und des Landes informierte Rienzner. Die Maßnahmen des Landes kritisierte er insofern, als dass nicht alle die Nutznießer seien: „Man muss allen helfen, nicht nur den Alperia-Kunden.“ 

Für mehr Energieautonomie

„Bis zuletzt weiterkämpfen“ werde der Verband er persönlich für mehr Energieautonomie und für eine Veränderung des derzeitigen Systems, das sich trotz der „Heimholung“ der Energie nicht geändert habe. Laut Rienzner zeigen Rechtsgutachten auf, dass sowohl die Errichtung einer „regionalen“ Regulierungsbehörde im Bereich Energie, als auch eine „Reglementierung des Strommarktes auf Provinzebene“ in den Zuständigkeitsbereich des Landes falle, insbesondere bezüglich der Tarife und Preise sowie der Eigenschaften der Player am Strommarkt. Derzeit sei in Zusammenarbeit mit der Handelskammer ein „Geschäftsmodell“ in Ausarbeitung. „Es ist nicht so, dass es keinen Handlungsspielraum bei der Verbesserung der Strompreise auf lokaler Ebene gibt“, gab sich Rienzner überzeugt. Diese Ansicht teilte bei der Diskussion auch Michael Wunderer (Leiter der SEV-Abteilung „Energy Trading“ und Vizeobmann und Geschäftsführer des E-Werks Prad): „Es braucht einen Wechsel des Systems und den politischen Willen dazu.“ Dass es auch anders gehe, zeigen Nachbarregionen: „In der Schweiz zum Beispiel können Kantone die Preise festlegen.“´

„Wir dürfen den Vorsprung nicht verlieren“

Klaus Wallnöfer zeichnete die geschichtliche Entwicklung der Energiegewinnung in Südtirol nach und ging auf die Besonderheiten der Energie-Werk-Prad Genossenschaft ein. Vor allem dank der Weitsicht und des Einsatzes von Georg Wunderer und seiner Mitstreiter sei es gelungen, dass man in Prad immer einige Schritte voraus war „und es ist unser Auftrag, diesen Vorsprung nicht zu verlieren.“ Auch auf neue Herausforderungen ging Wallnöfer ein, zum Beispiel auf den Klimawandel. Die genossenschaftlich organisierte Energieversorgung sei sehr zeitgemäß: dezentral, klimaneutral, nachhaltig und kundennah. Als „historische“ Genossenschaft gelinge es dem E-Werk Prad, trotz der seit einiger Zeit widrigen Umstände „attraktive Preise“ zu bieten. Es sollten aber nicht nur die Preise ausschlaggebend sein, sondern auch andere Aspekte, wie die Umwelt, der soziale Mehrwert und der Blick auf die künftigen Generationen. Wallnöfer: „Wir sparen in der Gemeinde Prad jährlich rund 11.000 Tonnen CO₂-Emissionen ein.“

Modell der Preis-Schwankung

Blickt man auf „Passeirer“ Tarife, so ist der Strom zwar auch in Prad teurer, aber im Vergleich zu Gemeinden, wo es keine „historischen“ Genossenschaften gibt - im Vinschgau sind dies nur Prad und Stilfs - ist der Preis in Prad trotzdem überschaubar. Zur Frage, warum der Preis in Prad zwischen 27 und 30 Cent je KWh schwanke, meinte Wallnöfer, dass man sich aufgrund mehrerer Faktoren auf dieses Modell der Preisschwankung geeinigt habe. Zu den Hauptgründen gehöre der Umstand, „dass durch den Bau des neuen Suldenbach-Kraftwerks die Stromproduktion unzureichend war.“ Seit dem Mai laufe das neue Suldenbach-Kraftwerk gut und es können seitdem anständige Rabatte für die Mitglieder gewährt werden. Angesprochen wurde auch das Thema Energiegemeinschaften. Laut Rienzner dürften Energiegemeinschaften nicht als „Antwort auf die hohen Preise verstanden werden.“ Das Ziel der entsprechenden EU-Richtlinie sei es, dass Bürgergenossenschaften im Energiesektor tätig werden. „Es geht im Grunde um Bürgerbeteiligung, wie wir sie schon seit Jahrzehnten in den Genossenschaften haben“, präzisierte Michael Wunderer. Die staatliche Durchführungsbestimmung zur EU-Richtlinie soll demnächst erlassen werden.

Fehlende Kompetenz?

Mehrfach beanstandet hat Rienzner eine „fehlende“ Kompetenz: „Wer in Südtirol über Energie entscheidet, hat nicht die Kompetenz dazu und beim Land verlässt man sich auf Kompetenzen, die de facto fehlen.“ Bedauert wurde im Zuge der Diskussion der Abbau der Windräder, die seinerzeit als Pilotprojekt auf der Males Haide aufgestellt worden waren.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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