BM Ulrich Veith gab sich speziell vom Abstimmungsverhalten seiner Stellvertreterin Sibille Tschenett arg enttäuscht.

Volkswille „versinkt“ im Gemeinderat

Publiziert in 1 / 2015 - Erschienen am 14. Januar 2015
Keine Mehrheit für Satzungsänderung. BM Ulrich Veith und Mitstreiter arg enttäuscht. Mals - Die Genehmigung der ­Satzungsänderung im Gemeinderat hätte der erste formalrechtliche Schritt für die Umsetzung des mehrheitlichen Volkswillens sein sollen. Jenes Willens, den die Bevölkerung im Vorjahr bei einer Volksabstimmung klar geäußert hat: 69,22% der Wahlberechtigen sprachen sich mit einer Mehrheit von 75,68% dafür aus, die Satzung dahingehend abzuändern, dass der Einsatz sehr giftiger, giftiger, gesundheitsschädlicher und umweltschädlicher chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel und Herbizide auf dem Gemeindegebiet von Mals verboten werden kann. Nachdem die für eine Satzungsänderung notwendige Zweidrittelmehrheit im Dezember 2014 nicht zustande gekommen war, hätte der Gemeinderat die Änderung bei zwei Sitzungen mit einer jeweils absoluten Mehrheit, also mindestens 11 Ja-Stimmen, genehmigen sollen. Absolute Mehrheit schon bei der ersten Sitzung verfehlt Zumal die absolute Mehrheit bereits bei der ersten Sitzung am 7. Jänner nicht erreicht wurde, hat sich eine zweite Abstimmung über diesen Punkt automatisch er­übrigt. Bei der Diskussion im Vorfeld hatten Egon Alber, Gerold Frank, Johann Ziernheld, Josef Sachsalber und Peppi Stecher erneut verschiedene Bedenken geäußert: es gebe rechtliche Unsicherheiten, mit den Bauern sei zu wenig geredet worden, die Zukunft der Landwirtschaft sei in Gefahr. BM Ulrich Veith hielt diesen und weiteren Argumenten entgegen, dass der Gemeinderat moralisch und politisch verpflichtet sei, den eindeutig geäußerten Volkswillen umzusetzen. Schließlich habe der Gemeinderat seinerzeit auch beschlossen, das Volk mitreden und mitentscheiden zu lassen. Dass Volksabstimmungen bindenden Charakter haben, hatte der Gemeinderat ebenso beschlossen. Die Referenten Josef Thurner und Joachim Theiner sowie die Räte Christine Taraboi Blaas, Gertrud Telser Schwabl und Bruno Pileggi stellten sich voll hinter die Argumentation des Bürgermeisters. „Sybillinische“ Wortmeldung Für reichlich Verwunderung bei vielen Ratsmitgliedern und vielen Zuhörern im Publikum sorgte der „sybillinische“ Diskussionsbeitrag der Vizebürgermeisterin Sibille Tschenett. Sie zeigte sich einerseits höchst überzeugt von einer ökologischen, nachhaltigen und möglichst biologischen Landwirtschaft, plädierte zugleich aber dafür, die Satzungsänderung zu vertagen und sich zunächst der Erstellung eines Konzeptes zu widmen und sich mit inhaltlichen Details zu befassen. Nach Ansicht des Bürgermeisters würde dies aber dem vorgesehenen Prozedere widersprechen: „Die ­Satzungsänderung ist der erste Schritt. Wir haben immer schon gesagt, dass sich mit dem inhaltlichen Konzept eine Arbeitsgruppe befassen soll. Ebenso von Anfang klar war, mit einer darauf folgenden Verordnung nur das umzusetzen, was rechtlich und gesetzlich ­möglich ist.“ „Persönlich, moralisch und politisch enttäuscht“ Auf Tschenetts Ankündigung, sich der Stimme zu enthalten, reagierte Veith bitter enttäuscht: „Gerade weil du irgendwie das Zünglein an der Waage bist, bin ich von deinem Verhalten persönlich, moralisch und politisch enttäuscht.“ Josef Thurner meinte zu Tschenett: „Ich verstehe zwar, was du sagst, nicht aber, was du meinst.“ Es habe wenig Sinn, schöne Bestimmungen für eine direkte Demokratie auf ­Gemeindeebene zu beschließen, und sich dann so zu verhalten, als sei einem der Volkswille egal. „Wenn wir diesen Schritt nicht endlich tun und den Volkswillen umsetzen, sitzen wir umsonst als Volksvertreter in diesem Saal“, sagte Gertrud Telser Schwabl. Voll überzeugt gab sich auch Joachim Theiner: „Die Umsetzung des Volkswillens ist absolut der richtige Weg, und zwar für die gesamte Wirtschaft. Auch für den Tourismus, den Handel und das Handwerk. Mals hat die Möglichkeit, hier ein Alleinstellungsmerkmal zu erhalten, für das unsere Kinder in Zukunft dankbar sein werden.“ Auch Christine ­Taraboi Blaas sprach von einer zukunftsträchtigen Entscheidung: „Viele schauen auf Mals. Vorreiter haben es immer schwer. Es ist unsere moralische Pflicht, diese ‚große Sache’, wie sie die große Mehrheit des Volkes will, weiterzubringen.“ Große Ernüchterung Die große Ernüchterung ­folgte auf den Fuß. Nur 9 der bei der Abstimmung anwesenden 15 ­Räte stimmten für die Änderung der Satzung. Gerold Frank stimmte mit Nein. Sibille Tschenett, Peppi Stecher, Johann Ziernheld, Josef Sachsalber und Gunnar ­Moriggl enthielten sich der Stimme. Egon Alber hatte die Sitzung verlassen. Die Räte Marcel Weirather, Werner Weiskopf, Erich Stocker und ­Thomas Hellrigl hatten sich entschuldigen lassen. Nachdem die erforderliche Mehrheit im Gemeinderat nicht gegeben ist, dürfte die „Pestizid-Debatte“ zunächst vom Tisch sein. Gespannt sein darf man auf die Entwicklungen, die sich in der Gemeinde Mals im Hinblick auf die Gemeinderatswahlen im Mai abzeichnen werden. sepp „Demokratiepolitische Katastrophe“ Die Gemeinderatssitzung vom 7. Jänner „endete mit einer demokratiepolitischen Katastrophe für die Gemeinde Mals,“ schreibt Johanes Fragner-Unterpertinger, der Sprecher des Promotoren­komitees, in einer Aussendung. Eine Gruppe von Gemeinderäten habe die Abstimmung sabotiert, für die eine einfache Mehrheit des Gemeinderates notwendig gewesen wäre. „Die Begründungen hatten in mehreren Fällen einen äußerst fadenscheinigen Grund“, so das Komitee. Bürgermeister Ulrich Veith habe sich alle Mühe gegeben, die unschlüssigen Räte zu überzeugen, gemäß Gemeindesatzung die Zustimmung zur Ergänzung zu geben, „doch schien die Ablehnung bereits im Vorfeld festgelegt worden zu sein.“ Man könne sich auch des Eindrucks nicht erwehren, „dass es einigen Gemeinderäten gar nicht um die Volksabstimmung geht, sondern lediglich darum, Bürgermeister Veith im Hinblick auf die nächsten Gemeinderatswahlen ‚an- oder gar abzuschießen’. Das Grinsen der Macher im Hintergrund war sogar im Ratssaal zu verspüren.“ Das Promotorenkomitee äußert seine Enttäuschung und seine Empörung darüber, „dass diese Gemeinderäte die Meinung des Volkes so gering erachten, dass sie nicht einmal bereit sind, das Ergebnis der bindenden(!) Volksabstimmung ernst zu nehmen und die rechtlich vorgeschriebenen Konsequenzen daraus zu ziehen.“ Mit solch einem den Wählerwillen verachtenden Verhalten werde nicht nur der Demokratie, sondern auch der Gemeinde Mals Schaden zugefügt, „nachdem sich Blicke aus ganz Europa auf die wirtschaftliche, landwirtschaftliche, touristische und umweltpolitische Entwicklung von Mals richten.“ Das Promotorenkomitee und auch die anderen am Zustandekommen des Referendums beteiligten Verbände und Personen werden die Angelegenheit weiterhin betreuen und behalten sich dementsprechende Schritte vor. „Sie sind weiterhin fest entschlossen, den 76 Prozent der Wähler laut und stark eine Stimme zu geben und der Volksabstimmung zu einem guten Ende und zur Durchsetzung aller notwendigen Maßnahmen zur verhelfen.“ Rudi Benedikter, Rechtsanwalt und Gemeinderats-Präsident in Bozen, teilte dem Komitee übrigens Folgendes mit: „Wenn das Malser Statut, analog zu dem Bozens, explizit erklärt, dass ‚beschließende und abschaffende Volksabstimmungen bindend sind’, dann muss das zuständige Gemeindeorgan die Maßnahme umsetzen. Nach 60 Tagen Untätigkeit muss die Landesregierung einen ‚Kommissar ad acta‘ einsetzen.“ red „Tief einatmen!“ „Eine Gemeinderatssitzung, die es in sich hatte. Elf Gemeinderäte, die ein eindeutiges Ergebnis einer Volksabstimmung völlig unberührt lässt. Und 2.377 Malser Wähler, die sich weniger ver- als getreten fühlen dürften. - Ein paar wenige atmen auf. Wir alle atmen ein. Und zwar Pestizide.“ So kommentiert die Bürger/innenbewegung Hollawint die Ratssitzung in Mals. Nachdem eine überwältigende Mehrheit der Malser im September 2014 in einer für Europa einzigartigen Volksabstimmung für eine pestizidfreie Zukunft ihrer Gemeinde votiert hatte, „setzten elf Gemeinderäte dem pestizidfreien Zukunftswillen der Bürger ein vorläufiges Ende.“ Auch wenn der gleiche Gemeinderat ein Jahr zuvor eine Satzungsänderung beschlossen hatte, wonach die Ergebnisse von Volksabstimmungen bindend sind, „weigerten sich einige der Volksvertreter/innen nun, mit einer weiteren Satzungsänderung – Kernstück der Volksabstimmung für eine pestizidfreie Gemeinde – dem Willen des Volkes Rechnung zu tragen.“ Interessant werde nun, „inwiefern die Gemeinderäte mit dem Akt der Verhinderung den Wählern, den Biobauern, dem Tourismus, ihren Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat sowie den Kindern in Mals erklären, warum sie nicht für den Eintrag in die Satzung der Gemeinde sind, deren Grundlage sie mit einer Satzungsänderung vom September 2012 erst ermöglicht hatten.“ An mangelnder Vorbereitungszeit auf das Thema und an Möglichkeiten der intensiven Beschäftigung damit könne es nicht gelegen haben: „Seit 2011 sorgten Umwelt- und Bürgerinitiativen, oft mit Unterstützung von Bio-Bauernverbänden für Veranstaltungen mit Umweltmedizinern, Toxikologen, Umweltchemikern, Landwirten, Regionalentwicklern und etlichen Podiumsdiskussionen für Erwachsenenbildung.“ Hollawint habe mit Filmabenden und öffentlichen ­Aktionen in der gesamten Gemeinde zu einer weiteren Sensibilisierung beigetragen. Auch bei den Gemeinderäten dürfte angekommen sein, „dass industrielle Landwirtschaft ein weltweites Thema ist, das sich um Abhängigkeiten von großen Agrarkonzernen dreht, dass die weltweit schwindende Biodiversität durch Pestizide verstärkt wird, dass zahlreiche Krankheiten durch Pestizide ausgelöst werden.“ Doch kein noch so guter Grund sei den elf Gemeinderäten gut genug. Auch die Aufmerksamkeit internationaler Medien, die von Europa nach Japan bis in die USA reicht, die Unterstützung von Trägern des Right-Livelihood-Awards, die Einladungen der Malser Promotoren und Akteure zu Ärztekongressen und zu Tagungen habe die Räte kalt gelassen. Hollawint sieht sich in der glücklichen Lage, „das Anliegen für eine pestizidfreie Gemeinde Mals – eng verbunden damit ist ein Schutz der lokalen Biobauern vor der Abdrift ihrer spritzender Nachbarn, ein Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsgefährdender Abdrift, eine Steigerung des ­Konsums von regionalen und ökologisch angebauten Lebensmitteln und damit ein Mehr an Interesse der lokalen Bauern für eine erhöhte Vielfalt ihres Angebotes, ein stärkerer Schutz für eine für die Bevölkerung und Touristen attraktive, strukturreiche Landschaft, ein lebenswerter Lebensraum für unzählige Tier- und Pflanzenarten und ein hervorragendes, seltenes Alleinstellungsmerkmal einer außergewöhnlichen Gemeinde mit einem Mehrwert für alle – auch in den kommenden Monaten weiterhin voranzutreiben. Bis es durchgesetzt wird.“ Denn eines dürfte in den vergangenen Jahren deutlich geworden sein: „Abwählen kann man Hollawint nicht.“ red
Josef Laner
Josef Laner

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