Verena Massl (links) beim jüdischen Pessach-Fest an der Schule.
Blick auf das Dorf.
Die Vinschgerin (6. von links) und eine 5. Klasse.
Symbole des Friedens.
Drei Religionen im Einklang: Eine Kinderzeichnung aus der Schule.

Von Israel nach Südtirol: Vinschgerin erhält Preis 

Für ihre Abschlussarbeit über eine „Oase des Friedens“ in Israel erhält Verena Massl aus Vetzan den Karl-Golser-Preis.  

Publiziert in 2 / 2020 - Erschienen am 21. Januar 2020

VETZAN/BOZEN - Offiziell verliehen wird der prestigeträchtige „Bischof-Karl-Golser-Preis“ zwar erst am Mittwoch, 29. Jänner, aber schon jetzt steht fest: Der Preis geht an eine Vinschgerin – und zwar an die 30-jährige Vetzanerin Verena Massl. Den Preis erhält sie für ihre Abschlussarbeit des Masterstudiums „IRIS - Innovation in Forschung und Praxis der sozialen Arbeit“, das sie an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen absolvierte. In ihrer Arbeit mit dem Titel „Growing Up in a Bubble – Bilingual Education Experienced by Jewish and Palestinian Students in Israel“ geht es um die zweite Generation eines Dorfes in Israel, welches sich seit über 40 Jahren für die Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern sowie für die friedliche Koexistenz der Religionen einsetzt. Das Dorf Neve Shalom, auch genannt Wahat al-Salam, was so viel wie „Oase des Friedens“ bedeutet, wurde im Jahre 1972 vom Dominikanerpriester Bruno Hussar auf einem kargen Hügel im Besitz des nahegelegenen Klosters Latrun gegründet. 

Mehrere Israel-Besuche 

Bereits in den Jahren 2014 und 2015 war die 30-Jährige in Israel. Im Februar 2016 ergab sich die Möglichkeit eines Praktikums in Neve Shalom. „Als ich dann vor Ort war, war mir klar, dass ich über ein Thema schreiben möchte, welches sich mit dem Dorf und seinen Grundwerten auseinandersetzt. Unter anderem weil mich nach wie vor dieses besondere Projekt faszinierte, eine Oase des Friedens in einem stets aufflammenden Konfliktherd“, erzählt sie über ihre Beweggründe. Zudem sei es naheliegend gewesen, dieses Thema zu wählen. 
„Ich war direkt vor Ort und habe mich dabei ständig und sehr intensiv mit der Geschichte und Dynamik des Konflikts, den unterschiedlichen Religionen sowie den Möglichkeiten der Friedensbildung auseinandergesetzt und tagtäglich erlebt, dass ein friedliches Zusammenleben unter bestimmten Bedingungen also doch möglich ist. Das hat mich dann dazu inspiriert, meine Abschlussarbeit über dieses Thema zu verfassen“, sagt die Vinschgerin, die seit 2019 in Bozen als Jugendcoach bei „netz“, dem Dachverband für offene Jugendarbeit tätig ist.  

70 Familien im Dorf 

Heute leben über 70 Familien im Dorf. Knapp 300 Kinder aus dem Dorf sowie den umliegenden Ortschaften besuchen die zweisprachige, interreligiöse Grundschule im Ort. Mit seiner Vision habe Bruno Hussar es geschafft, ein weltweit einzigartiges Friedensprojekt zu verwirklichen. Durch ihr sechsmonatiges Forschungspraktikum direkt vor Ort hatte Verena Massl 2016 die Gelegenheit erhalten, gemeinsam mit den Menschen dort einen partizipativen Forschungsprozess anzustoßen und sich mit den Erfahrungen von Schülern und Schülerinnen der Grundschule sowie der Erinnerungen der jungen Erwachsenen auseinandersetzen. „Im Zentrum stand die Frage, wie die zweite Generation des Dorfes die Zeit in der zweisprachigen, interreligiösen Grundschule erlebt und wie sie die Auseinandersetzung mit dem anderen bis heute geprägt hat“, erklärt die Vinschgerin. Der Unterricht werde je nach Fach entweder auf Arabisch oder Hebräisch abgehalten, die Fächer Mathematik und Religion werden getrennt unterrichtet. „Wenn religiöse Feiertage anstehen, werden diese an der Schule gemeinsam gefeiert, stets im Zeichen des gegenseitigen Respekts“, erklärt sie.
Trotz allem sei Neve Shalom – Wahat al-Salam aber auch ein ganz normales Dorf, „wo neben einem guten Gemeinschaftsgefühl eben auch Dorfklatsch oder Konflikte unter Nachbarn dazugehören“, berichtet die 30-Jährige. 

Vielfältige Ergebnisse

„Die Ergebnisse dieser Arbeit sind vielfältig und somit in einigen wenigen Zeilen kaum erfassbar. Durch die Analyse der Interviews hat sich jedoch gezeigt, dass sich die jungen Erwachsenen wie in einer Seifenblase fühlen, welche sie einerseits vor der konfliktreichen Realität außerhalb des Dorfes schützt, jedoch mit dem Übergang in die einsprachige Oberschule außerhalb des Dorfes zu platzen droht. Zusammenfassen lässt sich zudem, dass sich die heutigen Erwachsenen der zweiten Generation von Neve Shalom auf ihre Weise für Frieden und Gerechtigkeit in ihrem Land und der Welt einsetzen“, fasst Verena Massl zusammen. 

Der Bischof-Karl-Golser-Preis

Eingereicht werden können für den Bischof-Karl-Golser-Preis Abschlussarbeiten eines vier- oder fünfjährigen Studienganges der Philosophisch-Theologischen Hochschule Brixen, der „Istituti Superiori di Scienze Religiose di Bolzano e Trento“, einer Fakultät der Freien Universität Bozen und der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck, welche eines der Anliegen des De Pace Fidei (Ökumenisches und interreligiöses Institut für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung) zum Gegenstand haben. Der Preis ist nach dem langjährigen Leiter des Instituts, dem 2016 gestorbenen Bischof Karl Golser, benannt. 

Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

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