Wenn nachts der Wolf kommt …
… werden Ultraschallsignale ausgesendet. 80 Schafe und andere Tiere sind im Oberland mit besonderen Sendern ausgestattet.
Oberland - Wo halten sich heute meine Schafe auf? Welche Wege haben sie gestern zurückgelegt? Ist ihre Körpertemperatur normal? Konstante Antworten auf diese und weitere Fragen erhalten die Besitzer von rund 80 Schafen, Ziegen, Rindern und Pferden, die den Sommer auf den Almen in Langtaufers und auf anderen Almen im Gemeindegebiet von Graun verbringen. Schon vor 3 Jahren hatte der IT-Techniker Ulrich Stecher in Zusammenarbeit mit dem Schafzuchtverein Obervinschgau begonnen, eine Funktechnik zur Ortung von Schafen und anderen Tieren zu entwickeln und zu testen. Nach zweijähriger Erfahrung kam heuer ein Novum dazu. Die kleinen Apparate, die an den Schellengurten der Tiere angebracht werden, sind mit speziellen Sensoren ausgestattet, die im Zeitraum zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang bei unruhigem Verhalten Ultraschallsignale aussenden. „Es gibt zwar noch keine wissenschaftliche Studie, aber es ist anzunehmen, dass solche ‚Melodien’ auf Wölfe oder auch Bären eine Wirkung haben, sodass die Raubtiere vielleicht im ersten Moment davor zurückschrecken, sich den Nutztieren zu nähern“, sagt Ulrich Stecher. Er stammt aus Bruneck (mit Langtauferer Wurzeln), hat in der Vergangenheit u.a. als IT-Techniker im Pustertal sein Unternehmen geführt, lebt seit 10 Jahren mit seiner Familie im Dörfl in St. Valentin a.d.H. und ist als Unternehmer vorwiegend im Smart City-Bereich tätig. Bei Smart City geht es um gesamtheitliche Entwicklungskonzepte, die darauf abzielen, Städte und Gemeinden effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten. Professoren der Universitäten Bozen und Wien haben dem IT-Techniker bestätigt, dass Ultraschallsignale theoretisch sehr wohl eine abschreckende Wirkung auf Wölfe haben können. Feststellen lasse sich das aber nur anhand einer eigenen Studie. Eine solche gibt es bis dato nicht. Nicht auszuschließen sei allerdings auch, dass sich Raubtiere mit der Zeit an solche Signale gewöhnen. Ulrich Stecher hat nicht nur die kleinen Apparate, die mit Sonnenenergie gespeist werden, in Eigenregie entwickelt und verbessert - es kam z.B. immer wieder vor, dass Tiere die Apparate abstreiften oder anderweitig verloren -, sondern hat auch das gesamte Funknetz vom Oberland bis Laas aufgebaut. Dafür wurden an ausgesuchten Stellen kleine und unscheinbare Funkantennen angebracht. Alle Daten, welche die Apparate aussenden, sind für die Besitzer der besenderten Tiere in Echtzeit rund um die Uhr am Smartphone, am Tablet oder Computer einsehbar. Der Hirte sieht die Daten aller Tiere. Wenn zum Beispiel festgestellt wird, dass sich ein Schaf nicht mehr bewegt, kann sich der Hirte oder der Besitzer aufmachen, um nach dem Tier zu schauen. Hilfreich können die Sender auch für jene sein, die ihre Tiere im Sommer aufsuchen wollen, denn sie wissen genau, wo sie sich befinden. Als Alarmzeichen können zum Beispiel wiederholte Signale während der Nacht gewertet werden. Wenn sich ein Schaf über Nacht stark bewegt, könnte das ein Zeichen dafür sein, dass ein Raubtier in der Nähe ist. Die Zahl der besenderten Tiere im Gemeindegebiet von Graun ist mittlerweile auf ca. 80 angewachsen. Heuer hat Ulrich Stecher sein „Experiment“ auch auf das Rittner Horn und auf Villnöß ausgeweitet, dem Heimattal des Brillenschafes. Das Villnößer Brillenschaf ist Südtirols älteste Schafrasse. Dass die von Ulrich Stecher entwickelte Besenderung und Funktechnik auch mit Kosten verbunden ist, liegt auf der Hand. Die Fraktion Langtaufers hat das Projekt unterstützt, was Ulrich zu schätzen weiß. Detail am Rande: Als im Vorjahr der Hirte bemerkte, dass sich ein besendertes Mutterschaf nicht mehr von einer bestimmten Stelle bewegte, wurde dorthin geeilt und festgestellt, dass sich das Lamm des Muttertiers zwischen Steinen verfangen hatte. Es konnte lebend und wohlauf aus der misslichen Lage befreit werden.