Aufschlussreich für alle Zuhörer waren die Argumente von Ulrich Veith

„Wir haben Angst, um unsere Landschaft“

Publiziert in 19 / 2016 - Erschienen am 18. Mai 2016
„Der Malser Weg“ machte die Mittelpunktsbibliothek in der Schlandersburg zu einer „Brennpunktsbibliothek“. Schlanders - In seiner Ein­führung war Bibliothekar Raimund Rechenmacher sorgfältig darauf bedacht, keine polarisierenden Positionen einzunehmen. „In der heutigen Situation könnte es eine Chance sein, sich weiter zu entwickeln“, meinte er und beschwor die etwa 200 Besucher, sich die Entstehung des „Malser Weges“ aufmerksam anzuhören. Gastreferent Ulrich Veith, Bürger­meister in Mals, bedauerte, dass der Volksentscheid in seiner Gemeinde auf das Pestizid-­Verbot reduziert werde. Er stellte in seinem Referat bildlich und wörtlich vor, worauf die Malser stolz sind, darunter vor allem die vielfältige Landschaft. „Wir sind im Grünland aufgewachsen und haben jetzt Angst um ­unsere Landschaft“, sagte er. Schritt für Schritt erklärte er, was zum „Brodeln“ in der Bevölkerung und als demokratischer Prozess zum inzwischen international preisgekrönten „Malser Weg“ geführt habe. Er gab zu: „Wir haben die Entscheidungsfreiheit der konventionellen Bauern eingeschränkt, aber den Biobauern viele Möglichkeiten eröffnet.“ Es braucht Zeit Moderator Otto Wunderer ließ Karl Dietl, Obmann der Obstgenossenschaft Geos Schlanders, seine Sicht als Produzent darlegen. Ohne Umschweife erklärte der „das Malser Verbot für grundsätzlich falsch“ und hielt dagegen, dass sich die Obstbauern alle an die Agrios-Auflagen halten und um Verbesserungen und Neuerungen bemüht seien. Er führte das Übereinkommen mit den Biobauern an, mit dem Abstände geregelt wurden, verwies auf die verbesserten Techniken der Ausbringung und erklärte den Pflanzenschutz in der integrierten Produktion als „revolutionären Schritt“. „Die Gesellschaft muss uns aber Zeit lassen, uns anzupassen“, merkte er an. Ohne Pflanzenschutz gehe es nicht, hätten renommierte Forschungsinstitute festgestellt. Dietl räumte weiteren Forschungsbedarf ein, damit sich die Produktionsweisen im Natur orientierten Pflanzenschutz treffen können. „Auch wir gehen diesen Weg, wir müssen und wir wollen ihn gehen“, bekräftigte er. „Ihr habt Institute zum Forschen, wir als Gemeinde Mals bieten uns als Praxisbeispiel an“, erwiderte Bürgermeister Veith. „Wir möchten nur, dass es etwas schneller geht.“ Der Zwischenruf: „Das soll aber der Bauer entscheiden können“, war ein Vorgeschmack auf die darauffolgenden Wortmeldungen. Offene Gräben Zuvor bezeichnete es Landesrat Arnold Schuler als „scheinheilig“, in der Landwirtschaft die Lupe hinzuhalten und in Gärten, Parkanlagen, auf Alleebäumen alles sauber zu spritzen.“ Ziemlich bestimmt wandte er sich an Veith: „Biologische Mittel zu erlauben und chemisch-synthetische nicht, ziehe nicht die Toxizität, sondern die Herstellungsart in Betracht.“ Mit solchen Abstimmungen reiße man Gräben auf. Es folgten Wortmeldungen in Richtung Bürgermeister Veith, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließen. „Nennen Sie doch das Kind beim Namen: Sie wollen die Obstwirtschaft unmöglich machen und ziehen einen Wirtschaftszweig in den Dreck.“ Durch die Entscheidungen in Mals, sei ein Schwarz-Weiß-Denken entstanden, mit dem es vor allem den Kleinen an die Substanz gehe, meinte eine Frau. „Im Gegenteil“, so Veith,“ Wir unterstützen die Kleinen, indem wir heimische Produkte vorziehen.“ Ein Produzent aus Latsch sah den Begriff Gesundheit missbraucht; es würden unbegründete Ängste erzeugt. Die Frage, will man das totale Verbot, wurde als Diffamierung der Gemeinde Mals in Richtung Rechtsradikal gesehen. Biobauern meinten sinngemäß: „Ihr habt oben ein Durcheinander und wir haben hier Probleme. Auf Vinschgerisch klang es etwas derber. Immer wieder kam der Vorwurf, u.a. von Thomas Oberhofer, Obmann der VI.P, wie könne eine Gemeinde alle Obstbauern und einen ganzen Wirtschaftzweig in Misskredit bringen. Dagegen hielt Veith, dass man nie gegen Bauern, sondern gegen bestimmte ­Pestizide vorgehe. Selbstsicherheit gefragt Eine Obstbäuerin merkte an, dass der Vorwurf an die Bauern, Giftmischer zu sein, sie schwer belaste und dass sie endlich den Landesrat habe Klartext reden hören. Sie knüpfte an den Vortrag von Karl Dietl an: „Die integrierte und die biologische Produktionsweise nähern sich immer mehr an, also gehen wir doch den Weg gemeinsam.“ Eine polemische Stimmung entstand durch die Frage an Veith: „Was haben Sie in den Hosentaschen anderer Leute zu tun?“ Dagegen hielt der Angesprochene: „Wir haben einen Wählerauftrag und wir glauben, unser Weg ist für die Landwirtschaft der bessere Weg.“ Zum Vorwurf der Kompromisslosigkeit meinte Veith: „Ich bin nicht gekommen, um Kompromisse einzugehen, sondern Erklärungen zu liefern.“ Aus dem Publikum kam aber auch Verständnis für einen Volksvertreter mit Mehrheiten im Rücken. Ein Gast zeigte sich verwundert, dass sich die Landwirte so angegriffen fühlten. Sie sollten selbstsicherer sein. Der Abend endete mit Lob für die Weitsicht Raimund Rechenmachers und für den Mut Uli Veiths, sich in die Höhle des Löwen zu wagen. Günther Schöpf
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.