Mit nur 9 Ja-Stimmen wurde die Zweidrittelmehrheit deutlich verfehlt.

Zweidrittelmehrheit weit verfehlt

Publiziert in 45 / 2014 - Erschienen am 17. Dezember 2014
Erster Anlauf für Umsetzung des Volkswillens ist gescheitert. Buhrufe aus dem Publikum. Zweiter Versuch im Jänner. Mals - Mit Buhrufen aus dem Publikum, gerichtet vor allem an jene Räte, die sich der Stimme enthielten, endete die jüngste Sitzung des Malser Gemeinderates. Es hätte eine Zweidrittelmehrheit gebraucht, also 14 Ja-Stimmen, um die Beschlussvorlage zur Umsetzung der Volksabstimmung bezüglich des Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel zu genehmigen. Diese Mehrheit kam nicht zustande. „Wir werden jetzt versuchen, bei zwei weiteren Sitzungen am 7. und 8. Jänner jeweils die absolute Mehrheit, also 11 Ja-Stimmen, zu erreichen“, sagte BM Ulrich Veith unmittelbar nach der Abstimmung, die nach Mitternacht erfolgte. „Es hat sich heute gezeigt, dass manche Volksvertreter den Willen des Volkes gar nicht so ernst nehmen“, gab sich Veith enttäuscht. Zu Beginn der mehrstündigen Diskussion hatte er vorausgeschickt, „dass es heute darum geht, den klaren und eindeutigen Willen, den das Volk bei der Abstimmung geäußert hat, in einem ersten Schritt umzusetzen, und zwar in Form einer Änderung der Gemeindesatzung.“ Veith erinnerte daran, dass sich 69,22% der Wahlberechtigen an der Abstimmung beteiligt und sich 75,68% dafür ausgesprochen hatten, die Satzung dahingehend abzuändern, dass der Einsatz sehr giftiger, giftiger, gesundheitsschädlicher und umweltschädlicher chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel und Herbizide auf dem Gemeindegebiet von Mals verboten werden kann. Den Entwurf für die Satzungsänderung hatte der Rechtsanwalt und Rechtsprofessor Marino Marinelli zusammen mit dem Rechtsanwalt Andrea Manca ausgearbeitet. Marinelli und Manca stellten die vorgeschlagenen Änderungen dem Gemeinderat vor und stellten sich der Diskussion. Ein Antrag von Gerold Frank, diesen Punkt von der Tagesordnung zu nehmen, weil es für einen Beschluss dieser Tragweite mehr Zeit bräuchte, lehnte der Rat mehrheitlich ab. Auch Egon Alber hatte sich der Argumentation von Frank angeschlossen und verwies zusätzlich auf angebliche rechtliche Unsicherheiten. „Mir wäre es lieber gewesen, zunächst anzuhören was die Rechtsanwälte sagen und erst später zu entscheiden“, meinte Thomas Hellrigl. „Gemeinde hat Spielräume“ Marinelli und Manca führten aus, dass die Satzungsänderung nichts anderes sei als die konsequente Umsetzung des geäußerten Volkswillens. Das Ergebnis der Abstimmung sei klar. Nun gehe es darum, in der Satzung bestimmte Prinzipien und Grundsätze einzubauen, auf besondere Gegebenheiten in Mals hinzuweisen und aufbauend darauf in einem zweiten Schritt die Verordnung auf den Weg zu bringen, in der die Details und genauen Maßnahmen festgeschrieben werden, so unter anderem auch die Liste der zu verbietenden Pflanzenschutzmittel. Zumal die Abstimmung laut geltender Satzung bindenden Charakter hat, sei die Umsetzung des Volkswillens Pflicht. Die ­Satzung sei in einem gewissen Sinn die „Verfassung der Gemeinde“. „Kein Widerspruch zum EU-Recht“ Die Abstimmung, die Entscheidung der Kommission über die Zulassung und alle weiteren Schritte widersprächen weder dem nationalen Recht noch den Bestimmungen der EU. Marinelli und Manca verwiesen in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung, wonach ähnliche Verordnungen, gegen die rekurriert worden war, bis in letzter Instanz, sprich dem Staatsrat, standgehalten haben. Die Gemeinde Mals habe mit der Abstimmung eine europa-, ja weltweite Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Zur Frage von Egon Alber, ob der Gemeinderat eventuell zur Verantwortung gezogen werden könnte, meinte Marinelli, dass der Gemeinderat nichts zu befürchten habe und alle Räte ein ruhiges Gewissen haben könnten. Manca sagte, dass das Thema Pestizide immer aktueller werde, und zwar national und auch international. Die Politik werde sich dem Thema stellen müssen. Allerdings müsse man sich auch bewusst sein, „dass es hier um große wirtschaftliche Interessen geht.“ Zweifel und Bedenken bezüglich der vorgeschlagenen Änderungen bzw. auch der Vorgangsweise der Gemeindeverwaltung äußerten neben Gerold Frank und Egon Alber auch Josef Sachsalber, Peppi Stecher, Thomas Hellrigl und vor allem auch die Vizebürgermeisterin Sibille Tschenett. Es wurde unter anderem beanstandet, dass es im Vorfeld der Ratssitzung kein informelles Treffen mit dem Rechtsprofessor gegeben habe. Gerold Frank erinnerte an den Rekurs, der bereits eingebracht wurde, sowie an die Feststellungsklage, die der Gemeinde und dem Promotorenkomitee zugestellt wurde. Laut Frank habe bei der Abstimmung „eine Mehrheit über eine Minderheit entschieden.“ Manca und Marinelli hingegen gaben sich überzeugt, dass alle bisher gesetzten Schritte rechtens und legal waren. Das gelte für die Entscheidung der Zulassung der Abstimmung ebenso wie für die authentische Interpretation der Satzung seitens des Gemeinderates und für die Abstimmung selbst. Keine Mehrheit Bei der Abstimmung im Rat sprach sich Gerold Frank gegen die Satzungsänderung aus. Egon Alber, Peppi Stecher, ­Josef ­Sachsalber, Sibille Tschenett, Thomas Hellrigl und Johann Ziernheld enthielten sich der Stimme. Mit nur 9 Ja-Stimmen wurde die Zweidrittelmehrheit deutlich verfehlt. Nicht anwesend waren bei der Abstimmung die Räte Werner Weiskopf, Gunnar Moriggl, Marcel Weirather und Erich Stocker. Ob es gelingt, bei den zwei Abstimmungen am 7. und 8. Jänner jeweils die absolute Mehrheit zu erreichen, bleibt abzuwarten. Zur Frage von Josef Sachsalber, wie es um die seinerzeit angekündigte Einsetzung einer Arbeitsgruppe steht, informierte der Bürgermeister erneut, „dass diese Arbeitsgruppe erst nach der Satzungsänderung eingesetzt wird, damit sie im Rahmen des rechtlichen Spielraums, der aufgrund der neuen Satzung entstehen soll, ein inhaltliches Konzept für die Entwicklung der Landwirtschaft und des Tourismus im Obervinschgau ausarbeiten kann.“ Die vorgeschlagenen Änderungen Folgende Änderungen der Satzung wurden vorgeschlagen: „Im Rahmen der ihr vom Gesetz zugewiesenen Zuständigkeiten und soweit in ihrer Zuständigkeit setzt sich die Gemeinde als prioritäre Ziele den vorsorglichen Schutz der Gesundheit von Gemeindebürgern und Gästen, einen nachhaltigen Umgang mit Natur und Gewässern sowie die gleichberechtigte, unbeschadete Ausübung verschiedener Wirtschaftsformen auf dem Gemeindegebiet. - Die Gemeinde trägt im Rahmen ihrer Zuständigkeiten dazu bei, das Recht auf Gesundheit zu garantieren, indem sie geeignete und kompatible Maßnahmen für deren Verfolgung aktiviert. - Die Gemeinde erkennt an, dass Umwelt, Grund und Boden und alle Gewässer Ressourcen darstellen, die geschützt und wertgeschätzt werden müssen und die gemäß den Kriterien der Gerechtigkeit – auch gegenüber den zukünftigen Generationen – der Rücksicht auf das ökologische Gleichgewicht und die Biodiversität, der Förderung des bewussten Gebrauchs der natürlichen Ressourcen, der Verfolgung der nachhaltigen Entwicklung des Gebietes, der Landwirtschaft und des Tourismus genutzt werden müssen. – Im Rahmen der eigenen Funktionen und Zuständigkeiten verpflichtet sich die Gemeinde gemäß dem Vorsorgeprinzip jede Maßnahme und jegliche nützliche Aktion zu setzen, um Gefahren für die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen zu vermeiden und um den größtmöglichen Schutz der Umwelt sicher zu stellen.“ Um diese Vorgaben umzusetzen, „wird die Gemeinde unter Einhaltung der geltenden Gesetzgebung, mit eigener Durchführungsverordnung regeln, den Einsatz biologisch abbaubarer Pflanzenschutzmittel zu fördern und den Einsatz sehr giftiger, giftiger, gesundheitsschädlicher und umweltschädlicher chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel sowie Herbizide auf dem Gemeindegebiet nicht zuzulassen.“ sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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