Die Burg Obermontani am Eingang zum Martelltal.
Die „Wächter“ Leo Andergassen (links) und Hannes Gamper.
Die Säulenloggia aus dem Jahre 1522 und die mächtigen Schwibbögen.
Da oben könnte die Bibliothek der Grafen von Mohr gewesen sein.
Der Direktor des Landesmuseums Schloss Tirol, Leo Andergassen, bei seinen Führungen.
Matthias Oberhofer führte durch den Freskenschmuck im Kirchlein St. Stephan.
Eine Seite mit vergrößertem Ausschnitt (rechts) der „Morterer Nibelungen Handschrift“, davor (v.l.): Hannes Gamper, BM Mauro Dalla Barba, John Butcher, Ivo De Gennaro, Michael Dallapiazza und Kulturreferentin Maria Kuppelwieser.

Burg Obermontani

Samstag, 11. Mai 2024: ...friedlich belagert und schließlich eingenommen.

Publiziert in 10 / 2024 - Erschienen am 23. Mai 2024

Morter - In ihrer Geschichte - vor allem in der Gründungsphase - war die Burg Obermontani zwar umstritten, ist aber weder belagert, noch jemals eingenommen worden. 796 Jahre nach ihrer frühesten Nennung 1228 wurde es ernst. 160 Besucher/innen hatten sich gemeldet. Mit Familienangehörigen und nicht gemeldeten Interessierten kamen wohl an die 200 Besucher und Besucherinnen, darunter ein starker Anteil an Gemeindebürgern, zum Schlossberg in der Fraktion Morter. In 4 Gruppen wurde die Burg erstürmt und der „Verwahrer“ der Burg, Leo Andergassen, Direktor des Landesmuseums Schloss Tirol, umringt und belauscht. Im 40-Minuten-Takt öffnete Hannes Gamper, Obmann des Bildungsausschusses Latsch, das Eingangsgitter mit der provokant klingenden Verbotstafel „VIETATO L‘ACCESSO“. Andergassen eröffnete seine Ausführungen mit dem Hinweis auf die „Tiroler Landesausstellung 1995“. Im Ausstellungskatalog „Eines Fürsten Traum. Meinhard II. - Das Werden Tirols“ sei die Nibelungen-Handschrift völlig untergegangen; niemand habe sich um das Einzelstück gekümmert, aber heute - dank der Bemühungen von Akademie Meran, Festival Sonora und Kunsthaus Meran - stehe es im Lichte der Öffentlichkeit und es sei auch das Interesse am Auffindungsort erwacht.

Burg Obermontani als Glücksfall

Ironisch meinte er: „Seit ungefähr 10 Jahren bin ich sozusagen der Verwahrer von Obermontani, also zuständig für eine Ruine. Aber man sieht, auch wenn man Zuständiger einer Ruine ist, es gibt zwar die Zuständigkeit, aber der Zustand bleibt derselbe. Es ist ein Glücksfall, dass wir heute ein Gebäude vor uns haben, das in seinem Zustand noch immer seine Geschichte verrät.“ Nachdem die Forstbehörde alles freigearbeitet und gesäubert habe, sei er selbst überrascht gewesen vom Zauber dieser Anlage. Man schaue die Mauern an. Jede Steinsetzung verrate in etwa die Zeit, in der sie (die Mauern) entstanden sind. Burg Obermontani werde 2028 „800 Jahre seit der Erstnennung“ feiern können, erinnerte Direktor Andergassen. 1228 habe der Bischof von Chur die Grafen von Tirol mit dieser Burg belehnt. Sie und das Kirchlein St. Stefan waren bischöflicher Besitz. Die Besucher staunten über die Weitläufigkeit der Burganlage. Man bewunderte die Loggia mit Marmorsäulen und den 1522 datierten Wappenstein des Viktor von Montani und der Margarethe von Schrofenstein (Burgruine im Landecker Ortsteil Stanz) aus der Werkstatt des Wolfgang Taschner.

Drei Türme -  drei Familien

Überrascht waren die Besucher zu hören, dass die Burg drei Türme hatte und dass es eine Burgkapelle gab. Der Rundgang endete an den baulichen Überresten der Bibliothek der Grafen Mohr, Fundort einer Handschrift des Nibelungenliedes von 1300 aus dem Besitz des Anton von Annenberg, von Experten „Codex I“ genannt. Selbstverständlich wurde mehrmals nach dem Kaufwege der Handschrift gefragt, von den wenigen Gulden, die der Marienberger Pater Beda Weber dem Bauern Jakob Stocker gegeben habe bis zum zehnfachen Betrag, den Weber für sich beim Weiterverkauf herausgeholt habe. Während man bei den Führungen im Schloss immer wieder auf die Nibelungen-Handschrift zu sprechen kam, tauchte man im 2. Teil des Angebots von Obermontani - beim Besuch von St. Stephan – in die religiösen Vorstellungen des 15. Jahrhunderts ein. Betreut und geführt von Matthias Oberhofer blieben alle, die den Freskenschmuck das erste Mal sahen, fassungs- und sprachlos. Gelegenheitsbesucher entdeckten wieder für sie Neues in der Stephanus-Legende aus der Zeit um 1430, in der Chormalerei von 1440 und im 1487 entstandenen Jüngsten Gericht.

Der Dank der Akademie

Der intensive Besichtigungstag ging auf Vorschlag der Akademie Meran im CulturForum Latsch mit 2 hochkarätigen Vorträgen zu Ende. Ivo De Gennaro, Professor an der Wirtschaftsuniversität Bozen und Vizepräsident der Akademie, dankte der Gemeinde für die Gastfreundschaft und stellte Verena Pohl mit Wurzeln in Kastelbell als Kontaktfrau in den Vinschgau vor. Als wissenschaftlicher Leiter des gesamten Nibelungen-Projektes versuchte John Butcher die Forschungsergebnisse und Überlieferungen des Nibelungen-Liedes zu bündeln und untereinander in Beziehung zu bringen. Michael Dallapiazza, wissenschaftlicher Leiter der Tagung zur Überlieferung des Nibelungenlieds, ging den Fragen nach: Wann und wie konnte aus dem Nibelungenlied eine „identitäre Ideologie“ zur Abstammung der Germanen entstehen? Wie konnte das Nibelungenlied im 19. Jahrhundert zum deutschen Nationalepos erhoben und Siegfried zum „Held“ der Deutschen werden?

Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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