Regisseur Felix Hafner führte ein.
Beim Fußballländerspiel Roter Stern Belgrad.

Die verteilten Erinnerungen

Publiziert in 6 / 2024 - Erschienen am 26. März 2024

Schlanders - ...oder „Nebel über Visegrad“. Auch das könnte ein Titel für das Gastspiel des Münchner Volkstheaters sein, das vom Südtiroler Kulturinstitut in das Kulturhaus eingeladen worden war. Nebel ließ Regisseur Felix Hafner immer dann über die Bühne ziehen, wenn er dem „wachsten Theaterpublikum Südtirols, den Vinschgern“  (Martin Trafoier in der Einführung) die fragilen Erinnerungen an die Ahnen im Friedhof des bosnischen Dorfes Okorusa erklären wollte. Es war aber nicht nur ein vernebelter Theaterabend in Schlanders, es war auch ein besonderer – noch dazu sowas von aktuell - durch die Erinnerungen der drei Frauen und der drei Männer, die sich auf der sehenswerten Bühne über die eigene Identität unterhielten und dabei den Verlust ihres Vielvölkerstaates Jugoslawien bedauerten. Hintergründe und Anregungen stammen aus Sasa Stanisic‘s Buch „Herkunft“ und werden auf der Bühne – wie gesagt – durch 6 „Suchende“ umgesetzt. Allein die Dominanz von Grau - Grau auf der Bühne, Grau der Kleidung, Grau durch das Stilmittel Nebel - betont das Herumirren in grauer Erinnerung. Scheinbar so nebenbei, aber wirkungsvoll werden sprachliche und authentische Besonderheiten aus der Wahlheimat Deutschland parodiert. „Sie müssen geboren sein, wenn sie deutscher Staatsbürger werden wollen“, wurde den Zuwanderern aus dem aufgelöstem Jugoslawien empfohlen. Es folgte lautstark das Bekenntnis: „Ich bin ein Kind des Vielvölkerstaates.“ Mit Fußball und dem Länderspiel von „Roter Stern Belgrad“ gegen den FC Bayern klammerten sich die „Suchenden“ verzweifelt an den letzten Rest von Gemeinsamkeit. Letzten Endes schien am Tag des Anschlages auf Asylbewerber in Lichtenhagen am 24. August 1992 in Heidelberg nach dem Regen die Sonne.

Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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