Das Ziel des Projektes ist es, Lebensräume für Wiesenvögel in der Terra Raetica zu schaffen.
Ein Braunkehlchen
Ein Wachtelkönig
Eine Feldlerche

Nur die Natur steht nicht still

Menschen und Maschinen mögen derzeit unplugged sein, doch etwas bewegt sich weiterhin: die Natur. Grund genug, zu schauen, wie es dem Interreg Programm V-A Italien-Österreich 2014-2020: Projekt Nr. V7 „Wiesenbrüter in der Terra Raetica“ geht.

Publiziert in 12/13 / 2020 - Erschienen am 7. April 2020

Mals/Galtür - Wer sich bislang für die Belange der Artenvielfalt wenig interessierte, bekommt gerade eine weitere Chance: Kaum ein Jahrzehnt der vergangenen 70 Jahre machte globale Abhängigkeiten und politische Fehlentscheidungen so deutlich wie das jetzige, ausgelöst durch ein Virus, das zur Familie der Coronaviridae gehört. Lahmlegen könnte unseren gewohnten Lebensstandard auch ein weltweites Artensterben, so zumindest formulieren es Wissenschaftler seit Jahrzehnten; doch das Wann oder Wie ist unberechenbar – ähnlich wie die längerfristigen Auswirkungen des derzeit grassierenden Virus.

„Dringender Handlungsbedarf“

Dass für Wiesenvögel etwas getan werden muss, war dem Interreg-Projekt „Wiesenbrüter in der Terra Raetica“ von Anfang an klar. Ziel ist: Lebensräume für Wiesenvögel in der Terra Raetica, unter anderem für das Braunkehlchen, den Wachtelkönig und die Feldlerche, zu schaffen. Auch wenn die Feldlerche (Alauda arvensis) auf der Malser Haide noch regelmäßig brütet, bestehe „dringender Handlungsbedarf“, sagt der Biologe Joachim Winkler, Mitarbeiter des Projekts, das von den Gemeinden Mals und Galtür (A) umgesetzt wird: „Noch bestehende Feldlerchenbestände sollten dringend erhalten und gefördert werden. Sie bilden das Reservoir für eine künftige Wiederausbreitung der Art“. Der Kurzstreckenzieher, der sich von Insekten und Spinnen, Regenwürmern und anderen Wirbellosen ernährt, steht seit 1994 auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten in Südtirol. Tatkräftige Hilfe ist jedoch nur mit der Unterstützung von Bäuerinnen und Landwirten möglich, weswegen bald nach Beendigung der Ausgangssperre die ersten Begehungen von Wiesenflächen – über zehn Bauern haben sich zur Kooperation bereit erklärt – stattfinden sollen.

Förderung, wie sie sein soll: Für Natur und Landwirtinnen zugleich

Nicht nur dieses freiwillige Interesse und die Bereitschaft, Lebensraum für Wiesenvögel durch z.B. späteres Mähen, bereitgestellte Randstreifen oder angepasste Düngung zu schaffen, sind Teil des Projektes: Gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Vogelkunde und Vogelschutz Südtirol (AVK) und dem Beratungsring Berglandwirtschaft (BRING) sollen für die Zukunft wirksame Fördermodelle erarbeitet werden, die beiden Gruppen, den Wiesenvögeln, aber auch den wirtschaftenden Bauern und Bäuerinnen zugute kommen sollen, wie Joachim Winkler erklärt: „Besonders wichtig für die Umsetzung des Projektes ist die Zusammenarbeit mit dem Land Südtirol und dem Südtiroler Bauernbund. Nur mit gezielten Anreizen für die Landwirte kann der Erhalt und die Förderung des Feldlerchenbestandes und einer offenen Wiesenlandschaft auf dem Gebiet der Malser Haide langfristig erreicht werden. Um Feldlerchenbestände in reinen Grünlandhabitaten zu erhalten, braucht es mindestens 10-20 Prozent extensiv genutzte Flächen. In intensiv genutzten Wiesen können Nester und Bruten durch Hochschnitt (14 cm) erhalten werden. Diesbezüglich wird vom Beratungsring Berglandwirtschaft (BRING) in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Vogelwarte ein Betriebsmodell ausgearbeitet“.

Braunkehlchen und Wachtelkönig

Auch dem Braunkehlchen (Saxicola rubetra) könnte geholfen werden: Der Langstreckenzieher kehrt im April und Mai aus Afrika zurück. Auch Südtirol hat das Braunkehlchen mittlerweile auf die Rote Liste der gefährdeten Arten setzen müssen, in Talböden und mittleren Höhenlagen ist es bereits nicht mehr anzutreffen. Europaweit sehen Forscher den dramatischen Rückgang von bis zu 90 Prozent vor allem durch die Intensivierung der Landwirtschaft. Das Braunkehlchen ist übrigens eine Indikator- und Schirmart für vielfältige Grünland-Lebensraumgemeinschaften, für viele andere Zugvogelarten und für die Biodiversität eines Gebietes im Allgemeinen. Ein weiterer Langstreckenzieher, der sogar in den Kapregionen Afrikas überwintert, ist der Wachtelkönig (Crex crex). Im alten Griechenland nannte man diese in Europa einzige Art der Gattung Crex bereits lautmalerisch krex. Der sich wiederholdende Ruf, der einer knarrenden Stuhllehne ähnelt, wurde in der Nomenklatur dann zu Crex crex. Die umgangsprachlichen Namen könnten oftmals nicht eindeutiger sein: Wiesenknarrer, Wiesenrätsche, Knarrer, knarrendes Rohrhuhn, Heckenschnärre oder, dann auf den Lebensraum verweisend: Grasrutscher oder Wiesenläufer. Seinen charakteristischen Ruf – der so einfach einzuprägen ist, dass auch Nicht-Vogelkundige ihn sich merken können – hört man vor allem nachts.

Aufgeschoben - und eben nicht aufgehoben

Zwei Projekttage in der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg waren bereits für den 23. und 24. April geplant. Ein vielfältiges Programm, das Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben will, sich mit den verschiedenen Aspekten von Wiesenvögeln zu beschäftigen und sie näher kennenzulernen, wird voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Die künstlerische Beschäftigung mit der Thematik, die zu einer gemeinsamen Ausstellung der Arbeiten von Schülerinnen und Schülern aus dem Oberinntal, Galtür und dem Obervinschgau führen wird, ist derzeit noch in Bearbeitung.

Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein
Vinschger Sonderausgabe

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