Archäologie ohne Kelle und Schaufel
Müstair - Im UNESCO Weltkulturerbe Kloster St. Johann in Müstair wurde schon viel gegraben und geforscht. Jetzt widmen sich Wissenschaftler der Umgebung der Anlage. Im Auftrag der Stiftung Pro Kloster St. Johann und des Archäologischen Dienstes Graubünden wurden Mitte Oktober großflächige geophysikalische Prospektionen durchgeführt. Ziel der Untersuchungen ist es, ohne invasive Grabungen mögliche archäologische Strukturen aufzufinden. Dabei kommen innovative motorisierte und handbetriebene Geräte für Bodenradar- und Geomagnetikmessungen zum Einsatz. Beim Bodenradar werden Radarwellen nicht durch die Luft, sondern in den Boden geschickt. Treffen sie auf Hindernisse, werden sie reflektiert. Dadurch lassen sich Mauern, Gräben, Wege, Gräber und andere bauliche Strukturen nachweisen. In der Geomagnetik werden hingegen Unregelmässigkeiten im Magnetfeld der Erde gemessen, die durch im Boden verborgene Strukturen und Objekte verursacht werden. Die Kombination beider Methoden ermöglicht es, eine größtmögliche Menge an Informationen darüber zu sammeln, was sich im Boden befindet. Das Befahren der Wiesen rund um das Kloster wurde mit dem Pächter der klösterlichen Landwirtschaft, Johannes Fallet, abgestimmt, um den Betrieb nicht zu stören. Durch die von den Wissenschaftlern eingesetzten Geräte konnte in nur zwei Tagen eine Fläche von vier Hektar bis zu einer Tiefe von 2 Metern erkundet werden, ohne Hand an den Spaten legen zu müssen. Die verwendeten Messsysteme erlauben es, ähnlich einer Computertomographie in der Medizin, ein dreidimensionales Abbild von dem zu erzeugen, was sich im Boden befindet. Geleitet wurden die Untersuchungen von Prof. Wolfgang Neubauer, Direktor des Ludwig Boltzmann Instituts für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie in Wien, der unter anderem durch die Entdeckung bisher unbekannter Monumente rund um Stonehenge in Großbritannien Bekanntheit erlangte. In der Schweiz hat er u.a. die Klosterwiese vor der St. Galler Stiftskirche untersucht. Eine erste Auswertung der gesammelten Daten zeigt bereits eine Fülle an neuen und zum Teil überraschenden Informationen, die nun im Laufe der nächsten Monate detailliert ausgewertet werden müssen.