Betend übers Joch
7,5 Stunden, im Namen des Herren: Der Bittgang über das Niederjöchl hat Tradition.
St. Martin im Kofel - Die Wallfahrt, oder besser gesagt der Bittgang, von St. Martin über das Niederjöchl ins Schnalstal reicht auf das 16. Jahrhundert zurück. Damals wollte man um „gut“ Wetter bitten, von jedem Hof auf St. Martin machten sich mehrere Personen auf den Weg. „Die Kornernte war für die Bergbauern und die Menschen generell früher entscheidend. Bei Hagel, Dürre oder sonstigen Katastrophen und dem damit verbundenen Ernteausfall, musste man im Winter Hunger leiden“, erzählt der 38-jährige Werner Perkmann im Gespräch mit dem der Vinschger. Der Bergbauer aus St. Martin weiß wovon er spricht: Seit vielen Jahren organisiert er selbst den traditionellen Bittgang, „betend übers Joch“, wie er seinen Pilgermarsch selbst nennt. Ausgefallen sei die Wallfahrt so gut wie nie, auch in den Kriegsjahren gingen die Menschen übers Joch.
Hartes Bergbauern-Leben
Perkmann selbst organisiert den Bittgang, der stets am Samstag nahe dem 24. Juni stattfindet (dem Tag der Geburt Johannes‘ des Täufers), seit über 15 Jahren. „Heute gedenkt man vor allem dem Schutzengel für die schwere und harte Arbeit am Berg“, erklärt Perkmann. Jährlich treffen sich rund 60 Pilger aus dem ganzen Land, darunter auch viele junge Menschen, für den Bittgang. „Bis nach Unser Frau werden an die 15 Rosenkränze gebetet“ erzählt Perkmann. Aufgrund der schlechten Wetterbedingungen musste die Veranstaltung diesmal kurzfristig auf Sonntag verschoben werden. „Das war ein Problem. Erst am Freitagabend wurde der Bittgang wegen der herannahenden Gewitter am Samstag verschoben“, so Perkmann. Dennoch haben sich am Sonntag um 8.30 Uhr knapp 40 Pilger eingefunden, darunter auch ein Urlaubspaar aus Deutschland. „Der Pilgermarsch ist weitum bekannt“, freut sich Perkmann. Der älteste Teilnehmer sei in diesem Jahr Walter Rizzi gewesen, Jahrgang 1945.
„Plotzer Hons“ trägt das Kreuz
Bei der Wallfahrt stehen mehrere Stationen auf dem Programm. Hans Tscholl, besser bekannt als „Plotzer Hons“ fungiert als Kreuzträger. Während des Bittgangs wird an die verstorbenen Bittgänger gedacht, hier und da ein Vater unser für den Schutzengel gebetet. Mittags kehren die Pilger auf der Penaud Alm ein. Dort wird unter anderem ein Kranz gebunden. „Für den Herrgott“, betont Perkmann. Nach 7,5 Stunden Fußmarsch erreichten die Bittgänger auch diesmal gegen 19 Uhr Unser Frau im Schnalstal wo sie vom dortigen Pfarrer empfangen wurden und der Bittgang mit einer Abendmesse abgeschlossen wurde. Die Teilnehmer kehrten in organisierten Bussen nach Latsch bzw. St. Martin zurück. Bis vor rund 20 Jahren war es übrigens noch Brauch, an einem Tag nach Schnals zu gehen, bei Bauern oder in einem Gasthaus in Unser Frau zu übernachten und am Tag danach wieder betend nach St. Martin zurückzukehren.