Markus Pali
Stephan Peer

„Bin kein Drogenhändler, sondern Schmerzpatient“

Markus Pali wehrt sich gegen Vorurteile und Stigmatisierung. Immer wieder Engpässe bei Cannabis-Angebot in den Apotheken.

Publiziert in 37 / 2020 - Erschienen am 27. Oktober 2020

Tartsch/Lana - „Ich habe nur zwei Paar Hosen und zwei Paar Schuhe. Die Sonntagsschuhe habe ich selbst gekauft, die Arbeitsschuhe bekam ich von meiner Firma.“ Was Markus Pali aus Tartsch damit sagen will, ist klar: „Ich trage keine Markenkleider, lebe nicht im Luxus und habe auch kein Geld, wie das bei Drogenhändlern oft der Fall ist.“ Dennoch sei er unlängst wegen Verdachts auf Drogenhandel angezeigt worden. „In mehreren Medien wurde darüber berichtet. Die Folge war, dass ich im Dorf zum Teil stigmatisiert wurde, dass ich soziale Kontakte verlor, dass mich Mitmenschen meiden und dass ich als Drogenhändler, ja Krimineller angesehen werde“, klagt Markus Pali. Er habe daher beschlossen, „nicht mehr alles einstecken und schlucken zu wollen, sondern aufzustehen und öffentlich mit Name und Foto das zu sagen, was wahr ist.“ Der 50-Jährige war in seinem Leben schon oft am Boden gelegen. Schon 2004 tauchten Bandscheibenprobleme auf. Beeinträchtigungen des Gehörs kamen dazu. Im September 2007 hatte er einen Verkehrsunfall. Zunächst wurde nur ein Schleudertraum diagnostiziert, aber es kamen weitere Folgen dazu. In erster Linie war die Hyperhidrose, sprich eine übermäßige Schweißproduktion. Markus Pali: „Wenn ich in der Früh eine Dusche nehme und dann zum Bahnhof nach Mals gehe, bin ich dort schon wieder platschnass.“ Auch unter schweren Problemen mit den Knien und Sprunggelenken hat Pali seit vielen Jahren zu leiden. Über einen längeren Zeitraum hinweg nahm er Morphin, um die Schmerzen zu lindern. Hand in Hand mit den körperlichen Beschwerden stellten sich auch Depressions-Phasen ein. Als große Hilfe für die Schmerzlinderung bezeichnet Markus Pali Cannabis mit einem THC-Gehalt zwischen 17 und 26%, wie es laut geltender Gesetzgebung in Italien ärztlich verschrieben und von den Apotheken verabreicht werden kann. Pali: „Seit ich vor rund zwei Jahren begonnen habe, Cannabis mit einem THC-Gehalt zwischen 17 und 26% zu mir zu nehmen, hat sich meine Lebensqualität deutlich verbessert. Nur manchmal, wenn die Schmerzen sehr groß sind, nehme ich zusätzlich zu Cannabis eine Schmerztablette.“ 

„Cannabis hilft mir sehr“

Das große Problem sieht Markus Pali, der zu 48% Invalide ist und nur zu 50% arbeiten kann, darin, „dass ich das ärztlich verschriebene Cannabis manchmal nicht bekomme.“ Der von einem Facharzt des Sanitätsbetriebs unterzeichnete Therapieplan, der Markus Pali, ermächtigt, das Cannabis bei Apotheken zu holen, ist alle 6 Monate zu verlängern. Aber auch wenn die Verlängerung vorliegt, kann es sein, dass die Substanz in den Apotheken nicht lagernd ist. Markus Pali: „Im Vinschgau ist Cannabis in Apotheken überhaupt nicht zu finden und manchmal gibt es auch in Apotheken außerhalb des Tals, welche die Substanz anbieten, Engpässe.“ Für Schmerzpatienten, wie er einer sei, könnten bereits wenige Tage ohne Cannabis zu einem Leidensweg werden. Und wenn das Ganze dann mehrere Wochen dauert, „wird es fast unerträglich.“ Um derartigen Engpässen zu entgehen, hat Pali sozusagen als Reserve selbst einige Cannabis-Pflanzen gezüchtet. Das räumt er offen ein und fühlt sich dabei überhaupt nicht schuldig: „Cannabis tut mit gut. Ich sehe darin nichts Schlechtes. Es ist ein Naturprodukt und mit sogenannten synthetischen Drogen nicht vergleichbar.“ Im Zusammenhang mit der eingangs erwähnten Anzeige hält Pali fest, dass die Beamten, die zu sechst aufgetaucht seien, drei Pflanzen beschlagnahmt hätten, „wobei auch die Stängel dabei waren. Die Pflanzen wogen zwar 780 Gramm, an getrockneten Blüten wären aber nur ca. 10% dieses Gewichts zusammengekommen.“ Bei der Hausdurchsuchung seien zusätzlich 140 Gramm an getrockneten Blüten gefunden worden. „Mit dieser Menge hätte ich die Engpässe, zu denen es bei der Beschaffung in der Apotheke kommt, ein ganzes Jahr überbrücken können“, so Pali. Jetzt hingegen stehe er als „Drogendealer“ da. Nicht unerheblich seien auch die mit der Anzeige verbundenen Kosten, etwa die Ausgaben für den Rechtsanwalt. Markus Pali versteht diese Art von Welt nicht: „Ich verdiene 940 Euro im Monat und zahle alles selbst, die Miete, den Strom und das Wasser.“

Apotheker bestätigt Lieferengpässe

Wie Stephan Peer von der Apotheke Peer in Lana dem der Vinschger bestätigte, komme es tatsächlich immer wieder zu Engpässen bei der Lieferung von Cannabis an die Apotheken. Vom rechtlichen Standpunkt aus gesehen sei in Italien zwar ein relativ gutes gesetzliches Regelwerk geschaffen worden, aber es gebe noch einigen ungelöste Aspekte der komplizierten Thematik. Stephan Peer begrüßt es, dass in Italien jeder Hausarzt Cannabis als schmerzlinderndes Mittel verschreiben kann. In diesen Fällen muss der Patient die Substanz selbst bezahlen. Eine Rückerstattung gibt es nur dann, wenn Therapiepläne erstellt werden. Ein großes Problem sieht Peer darin, dass es nicht möglich ist, Cannabis-Ernten mit den jeweils gleichen Inhaltsstoffen zu garantieren: „Es gibt weltweit nur ganz wenige Firmen, die Cannabis dieser Art herstellen, so etwa in Holland oder Kanada. Auch das italienische Militärinstitut gehört zu den Herstellern.“ Falls es zu Ernteausfällen kommt, können die Herstellerfirmen die Substanz nicht in der vorgesehenen Menge und Qualität liefern. Zu solchen Engpässen komme es immer wieder, „zuletzt im Juli und August dieses Jahres.“ Teilweise erschwert worden seien die Lieferungen auch aufgrund der Corona-Krise. Grundsätzlich ist Stephan Peer überzeugt, dass Cannabis die Menschen, denen es ärztlich verschrieben wird, eine große Hilfe sein kann. Auch daher wäre es wünschenswert, dass der Staat den Weg dafür ebnet, dass die Apotheken in die Lage versetzt werden, die Substanz dauerhaft zur Verfügung zu haben. Peer kann sich zum Beispiel vorstellen, dass eine bestimmte Reserve-Menge angelegt wird und bei der Bestellung nicht immer nur der Verbrauch des jeweiligen Vorjahres als Grundlage hergenommen wird. Insgesamt habe sich die Lage in den vergangenen Jahren trotz der vielen bürokratischen Hürden und komplizierten Verfahren, man denke etwa an die Vorgaben des Betäubungsmittelgesetzes, zwar etwas gebessert, „aber manchmal scheint es so zu sein, als hätte der Staat Angst vor dem eigenen Mut bekommen, mit dem er vor Jahren bestimmte Maßnahmen in Richtung Liberalisierung setzte.“ Nicht nachvollziehbar ist es laut Peer, dass die Substanz höchstens für 9 Euro pro Gramm, Mehrwertsteuer inbegriffen, verkauft werden kann. „Wenn die Apotheker 10 oder mehr Euro netto pro Gramm zahlen müssen, liegt es auf der Hand, dass das Interesse, die Substanz anzubieten, gering ist.“ In der Apotheke Peer werde die Substanz in erste Linie deshalb angeboten, um den Interessen der Patienten entgegenzukommen. Verdient werde nichts, im Gegenteil. Vielleicht ist es auch auf diese „Preispolitik“ zurückzuführen, dass es in Südtirol derzeit nur rund ein halbes Dutzend Apotheken gibt, die Cannabis überhaupt anbieten.

Josef Laner
Josef Laner

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