„Das Beerental 2030“
Martell - Wie steht Martell zurzeit da? Wo liegen die Probleme, Chancen und Schwierigkeiten? Wie lässt sich die Lebensqualität im Tal steigern und eine Abwanderung verhindern? Mit diesen und weiteren Fragen setzten sich engagierte Martellerinnen und Marteller am 19. Juni zusammen mit einem Team von OISIS, der Beobachtungsstelle für soziale Innovation und soziales Unternehmertum der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Bozen, auseinander. Von OISIS waren Alessandro Narduzzo, Valeria Cavotta, Chiara Menini und Alexia Lochmann nach Martell gekommen. Der mehrstündige Workshop im Freizeitzentrum Trattla, zu dem die Regionalentwicklungsgenossenschaft Martell 3B zusammen mit OISIS eingeladen hatte, bildete den Auftakt der „Marteller Erdbeertage“, die heuer aufgrund der COVID-19-Bestimmungen in veränderter Form stattfinden. „Es geht heute darum, die Stärken und Schwächen unseres Tals aufzuzeigen, Ideen zu sammeln, Visionen zu Papier zu bringen und zu definieren, wohin wir gemeinsam gehen wollen und was in Zukunft konkret umgesetzt werden könnte oder sollte“, sagte die Gemeindereferentin Heidi Gamper in ihren Grußworten. Aufgeteilt in zwei Gruppen befassten sich die Workshop-Teilnehmenden mit den Themen Landwirtschaft sowie Infrastrukturen und Nahversorgungsdienste. Mitdiskutiert und mitgedacht haben u.a. auch der Obmann und Betriebsleiter der Erzeugergenossenschaft Martell (MEG), Tobias Fleischmann und Philipp Brunner, der Präsident und Vizepräsident von Martell 3B, Alexander Mair und Martin Stricker, sowie Vertreter/innen aus der Landwirtschaft, dem Tourismus, des Handwerks und anderen Branchen. Als eines der wichtigsten Anliegen für die Zukunft des Tals, in dem derzeit rund 850 Menschen leben, kristallisierte sich nach der Zusammenführung der Erkenntnisse beider Gruppen der Wunsch heraus, dass es günstige Voraussetzungen dafür braucht, vor allem jungen Menschen eine Perspektive zu bieten, damit sie auch in Zukunft in ihrem Heimattal arbeiten und leben können. In der Landwirtschaft gelte das ebenso wie in anderen Bereichen. Die Herausforderungen in der Landwirtschaft sind nicht zuletzt deshalb groß, weil die Betriebe sehr klein strukturiert sind, weil die Bürokratie und die Auflagen nicht abnehmen, sondern mehr werden, und weil das Tal ziemlich abgelegen ist, was auch die Logistik erschwert. Kontrovers diskutiert wurde auch über den Dauerbrenner Nationalpark. Dieser sollte für die Wirtschaftszweige im Tal kein Hemmschuh sein, sondern eine Stütze. Es gebe zwar Initiativen in dieser Richtung, aber das Potential des Nationalparks sei noch lange nicht ausgeschöpft. Auch die Akzeptanz sei zu steigern. Mehrfach genannt wurde der Wunsch nach einer noch besseren Vernetzung, sprich nach einer Symbiose zwischen Landwirtschaft und Tourismus. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Mobilität, speziell das Parkplatzproblem in Hintermartell. Auch eine Verbesserung des öffentlichen Personennahverkehrs wurde vorgeschlagen, die Bereitstellung von Mietwohnungen, ein Shuttle-Dienst für den Besuch von Schwimmbädern in Nachbargemeinden, eine Medikamenten-Ausgabestelle und eine Reihe weiterer Ideen, die dazu beitragen könnten, die Lebensqualität in Martell zu erhalten bzw. zu steigern. Es tauchte auch der Vorschlag auf, das ehemalige Hotel „Paradiso“ als Medical Center neu zu beleben. Einig waren sich alle darin, dass die drei „B“ (Berge-Beeren-Biathlon) eine gute Grundlage für weitere Entwicklungen sind. Was sich die Grundschulkinder für ihr Tal wünschen, hatten sie in Zeichnungen zum Ausdruck gebracht, die sich die Workshop-Teilnehmenden ansehen konnten. Fortgesetzt werden die Arbeiten am Projekt „Das Beerental 2030“ im Herbst. Ziel der Mission ist es, „aus gemeinsamen Visionen machbare Ideen zu entwickeln und den Grundstein für deren Umsetzung zu legen.“ Heidi Gamper kündigte an, dass es Bestrebungen gibt, die Regionalentwicklungsgenossenschaft Martell 3B in Zusammenarbeit mit dem Raiffeisenverband in eine Bürgergenossenschaft umzuwandeln, „sodass das Tätigkeitspektrum erweitert und breiter aufgestellt werden kann.“ Ermöglicht werde dies aufgrund eines neuen Regionalgesetzes, das den Bereich der Bürgergenossenschaften regelt. Martell könnte laut Gamper zu einem landesweiten Pilotprojekt werden.