„Hofübergabe“ (v.l.): Lukas und Edith Thanei mit Nachfolgerin Brigitta Villaronga.
Räucherritual zur Eröffnung (v.l.): Stefan Kofler, Brigitta Villaronga und Martina Wienchol.
Der Mairhof im Weiler Gschneir.

Der Lebenstraum am Mairhof

Hof im Weiler Gschneir findet Nachfolgerin.

Publiziert in 19 / 2024 - Erschienen am 22. Oktober 2024

SCHLUDERNS - „Mein Lebenstraum hat sich erfüllt. Dank vieler wunderbarer Begebenheiten darf ich nun hier oben sein: Mit anderen Menschen. In der Natur. Im Lebensfluss. Sein.“, so Brigitta Villaronga. Mit hier oben meint sie den Mairhof, im Weiler Gschneir, hoch über Schluderns. Sie hat diesen Bergbauernhof unlängst von Betriebsinhaber Lukas Thanei übernommen. Dieser hatte sich aufgrund der Entscheidung der Landesregierung im Frühjahr 2021, das abgeänderte Vorprojekt für die Erweiterung des Mairhofs abzulehnen (der Vinschger hat berichtet, siehe Ausgabe 19/2021), dazu entschieden, den Betrieb zu schließen. Detail am Rande: Der Schludernser Gemeinderat hatte dem Projekt davor einhellig zugestimmt. Thanei – im Hauptberuf selbstständiger Softwareentwickler – zog daher mit seiner Familie weg, nach Schlanders. In der BASIS, wo Thanei nun einen Co-Working Arbeitsplatz hat und auch Villaronga sehr aktiv ist, liefen sich die beiden wieder über den Weg. Sie kamen ins Gespräch, auch über den Hof und die Suche nach einer Nachfolge. Villaronga kam 2020 in ihrer Auszeit als Managerin zum Freiwilligendienst auf einen Muntetschiniger Bergbauernhof und hatte sofort das Gefühl, „angekommen zu sein“. Altbäuerin Cilli hat sie damals bestärkt: „Du machst die Dinge, als ob Du vom Hof kommst.“ Hoch oben entdeckte sie somit ihre neue Berufung als Bergbäuerin einen Hof zu bewirtschaften und als Ort der Begegnung zu öffnen. „Dass es sich nun nach einer persönlich schwierigen Zeit ergeben hat, diesen wunderbaren Hof zu übernehmen, ist ein Traum“, so die gebürtige Deutsche mit spanischem Vater. Sie weiß, dass es eine Herausforderung werde, den Mairhof alleine zu führen. „Aber ich freue mich darauf und vertraue auf gute Nachbarschaft und mein großes Netzwerk an wohlmeinenden Unterstützerinnen und Unterstützern“.  

„Coworkation“ und Ziegenmilch

Die Gemeinde Schluderns hat der Wieder-Vermietung von 12 Betten auf dem Mairhof bereits zugestimmt. Grundlage ist ein Kaufvorvertrag, Brigitta Villaronga und Lukas Thanei einigten sich auf die Form des Reuegelds. „Es ist beispielhaft, wie diese Übergabe läuft. Geld ist nicht das Wichtigste, wenn es um die Zukunft der Bergbauernhöfe geht und jemand kommt, der einen Lebenstraum hat“, unterstreicht Villaronga. Sie wolle auf dem Hof unter anderem „Coworkation“ anbieten. „Workation“ leitet sich aus den englischen Begriffen Work für Arbeit und Vacation für Urlaub ab. „Coworkation“ ist somit eine Mischung aus „Coworking“, also dem gemeinschaftlichen Arbeiten, und Freizeitaktivitäten. Zusammen mit Carina Matscher von der Pension Feldgärtenhof in Kortsch, hat sie dazu seit 2022 die Marke „Coworkation Val Venosta“ entwickelt. Partner für die Coworkation sind die BASIS in Schlanders und der Verein Coworkation Alps. Das  Besondere: Die Gäste haben in ihren „Arbeitsferien“ neben Bergsteigen oder Radfahren bis Skitourengehen auch Zugang zu den Veranstaltungen der BASIS. Außerdem wird es Angebote zur Persönlichkeitsentwicklung geben, wie traumasensibles Lebensoaching und Wildnissurvival. Zudem wird die neue Besitzerin den landwirtschaftlichen Betrieb wieder aufnehmen und im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit für die Bergbauernlandwirtschaft sensibilisieren. „Ich möchte, dass die Menschen verstehen, was es heißt, einen Bergbauernhof zu bewirtschaften und echte ‚Mittel fürs Leben“ zu produzieren‘. Gäste können deshalb beim von ihr erfundenen „COWorking“ auf dem Hof mithelfen. „Vielleicht steige ich ab 2026 auch in die Ziegenhaltung und Milchproduktion ein“, sagt sie. Oder es findet sich eine junge Familie, die das hier oben übernehmen und mit uns leben möchte. Hierfür sei sie bereits mit der Bürgergenossenschaft „da“ im Gespräch. „Nun darf ich die Geschichte des Ortes und der Menschen, die auf Gschneir bereits gelebt und gewirkt haben, weiterspinnen. Den historischen Ort würdigen, verstehen und teilweise neu miterfinden“, freut sich Villaronga. An der Hauswand des Hofes erinnert eine Marmortafel an den 11. Dezember 1913, an dem Eduard Wallnöfer, späterer Landeshauptmann von Tirol, hier geboren wurde. Die Gemeinde Schluderns setzte ihrem Ehrenbürger zum 80. Geburtstag an seinem Heimathaus die Gedenktafel. „Sie erinnert damit Einheimische und Gäste an den großen Sohn, der in dieser stillen Berggegend seine erste Kindheit verbracht hat“, steht hier geschrieben. Das meiste sei auf dem Mairhof schon da. „Schöne Zimmer, ein prächtiger Garten, eine gute Stube und sogar eine Kapelle. Ich habe das große Glück, für das Projekt eine bereits funktionierende Infrastruktur nutzen zu dürfen. Mein großer Dank gilt deshalb Edith und Lukas Thanei, die eine moderne Wohlfühlatmosphäre auf diesem Bergbauernhof mit Wurzeln im 16. Jahrhundert geschaffen haben“, so Villaronga.

Räucherritual zum Start

Um erfolgreich in ihr neues Abenteuer zu starten, fand unlängst eine Eröffnungsfeier mit Räucherritual statt. Dort durften die Gäste aus nah und fern mitentscheiden, welcher Namenszusatz ihnen am besten gefällt: „FlowFarm, SunnaFlow, VillaFlow oder ganz was anderes.“ Die Gäste fanden, dass „FlowFarm Venusta“ am besten passt. Bei der Feier mit dabei war auch Lukas Thanei mit seiner Frau Edith. Beide unterstützen die neue Besitzerin beim Übergang mit ihrer Erfahrung. Sie freuen sich mit Brigitta Villaronga und wünschen ihr viel Glück.

Michael Andres
Michael Andres

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