Links im Bild die noch vitale Urfichte, rechts der abgestorbene Riese.
Karl Anton Pegoraro freut sich, dass diese Urfichte noch gesund ist. Auch an ihr wurden Pheromone (rechts) angebracht, um den Borkenkäfer fernzuhalten.
Karl Anton Pegoraro freut sich, dass diese Urfichte noch gesund ist. Auch an ihr wurden Pheromone (rechts) angebracht, um den Borkenkäfer fernzuhalten.
Diese Urfichte befindet sich infolge des Borkenkäferbefalls in Bedrängnis.
Diese Urfichte befindet sich infolge des Borkenkäferbefalls in Bedrängnis.
Dieses Naturmonument bleibt zwar stehen, hat aber kein Leben mehr in sich.
Dieses Naturmonument bleibt zwar stehen, hat aber kein Leben mehr in sich.
In der Gemeinde Taufers im Münstertal und speziell in Rifair ist Borkenkäferbefall besonders stark.

Eine hat es nicht geschafft

Der Borkenkäfer setzt auch den Urfichten in Rifair in Taufers im Münstertal zu.

Publiziert in 14 / 2023 - Erschienen am 1. August 2023

Rifair - Nach weit über 400 Jahren Lebenszeit musste sich eine der 3 mächtigen Urfichten in „Mutlaj“ in Rifair in Taufers im Münstertal dem Borkenkäfer beugen. Das über 40 Meter hohe Naturmonument hat den starken Befall des Sommers und Herbstes 2022 nicht überlebt. Wenige Meter unterhalb des abgestorbenen Riesen steht eine weitere, von der Höhe und vom Durchmesser her noch stattlichere Urfichte, „die derzeit Gott sei Dank noch recht vital ist“, wie uns der Förster Karl Anton Pegoraro bestätigt. Zur Zukunft der dritten Urfichte, die etwas weiter westlich in den Himmel ragt - alle 3 Urfichten sind rund zweimal so hoch wie ihre „normalen“ Nachbarn - kann der Förster keine sichere Diagnose stellen: „Fest steht, dass sich diese Urfichte in Bedrängnis befindet. Die Baumkrone zeigt verdächtige Färbungen.“ Dass ihm das Herz schmerzt, wenn er den toten Riesen von unten nach oben anschaut und dann den Blick auf die „leidende“ Urfichte lenkt, kann Karl Anton Pegoraro, der als Förster der Station Mals für die Gemeinden Taufers im Münstertal und Glurns zuständig ist, kaum verbergen: „Es könnte sein, dass die Urfichten schon zur Zeit der Calvenschlacht im Jahr 1499 hier gestanden sind.“ Niemand wisse, was die Bäume im Laufe der Jahrhunderte alles überstanden haben.

Pheromone als Schutzmaßnahme

Um die verbliebenen 3 Urfichten zu schützen, hatte die Forststation Mals im Herbst 2022 an allen drei Bäumen an jeweils drei Stellen sogenannte Pheromone angebracht. Pheromone sind chemosensorische Reize, sprich Duftstoffe, mit denen dem Borkenkäfer laut Pegoraro vermittelt wird, „dass es hier nichts zu suchen gibt und dass alle Brutstellen besetzt sind“ und versucht wird, den Borkenkäfer somit fern zu halten. Die Ampullen sollten laut Anweisung paarweise in jedem Drittel auf der gesamten Baumhöhe angebracht werden. Bei dieser Arbeit half ein weiterer Förster aus Mals mit, welcher wie Pegoraro bei der Bergrettung ist. Es wurden Seile in die Kronen der Urfichten geschleudert, an denen sich die Förster dann in die Höhe „arbeiten“ konnten. Ob überhaupt und in welchem Ausmaß die Pheromone gewirkt haben bzw. immer noch wirken, lässt sich laut dem Förster nicht definitiv sagen: „Wir wollten und wollen jedenfalls nichts unversucht lassen, um diese Baumdenkmäler zu retten.“ Dass es sich um sehr seltene Baumexemplare handelt, ist unter anderem in einem Buch nachzulesen, das 2013 von der Landesabteilung Forstwirtschaft herausgebracht wurde. Unter dem Titel „Wächter des Waldes – Südtirols Bäume erzählen“ werden darin 52 Bäume präsentiert, die aufgrund ihres Alters, ihrer Dimension, ihres historischen oder landschaftlichen Wertes oder ihrer Seltenheit natürliche Denkmäler sind. Die Fotos stammen von Othmar Seehauser, die Texte hat Martin Schweiggl verfasst.

Über 40 Meter hoch

Zu den „Wächtern des Waldes“ zählen auch die Urfichten in Rifair. Pegoraro: „Wir haben damals mit einer speziellen Kernbohrung und mit dem Zählen der Jahresringe festgestellt, dass die Urfichten weit über 400 Jahre alt sind. Im Zentrum, wo sich die ältesten Jahrringe befinden, ist die älteste hohl, weswegen das genaue Alter nicht mehr bestimmt werden kann.“ Die Bäume sind über 40 Meter hoch, haben einen Durchmesser von rund 1,35 und einen Umfang von über 4 Metern. Es braucht fast ein Dutzend Kinder, bis sich der Kreis ihrer Hände um den Fuß des Stammes schließt. Im Jahr 2016 wurde in Rifair übrigens der rund 2,6 Kilometer lange Urfichten-Rundweg eingerichtet. Mitgeholfen haben u.a. die Forststation Mals und die Nationalparkverwaltung. Zu den treibenden Kräften gehörten Reto Wiesler - er ist am 17. Oktober 2018 im Alter von nur 63 Jahren gestorben - sowie Gerhard Kapeller. Vor rund 70 Jahren hatte es in Rifair noch ein Dutzend von „Fichtenpatriarchen“ gegeben. Die mittlerweile abgestorbene Urfichte wird nicht gefällt. Sie bleibt sozusagen als „totes Denkmal“ stehen. „Dass die zwei anderen überleben, hoffen wir alle sehr“, sagt Karl Anton Pegoraro. Die Funktion der Riesenfichten als Schutz vor Lawinen und Muren - oberhalb von Rifair befindet sich der 2533 Meter hohe Plaschweller - war von der ansässigen Bevölkerung schon vor Jahrhunderten erkannt und entsprechend geschätzt worden. Es wird erzählt, dass die Oberrifairer, die einst eine der Riesenfichten im Bannwald fällten wollten, von den Unterrifairern mit Äxten vom Baum vertrieben wurden.

Taufers hat es schlimm erwischt

Zum Borkenkäferbefall insgesamt bestätigt Pegoraro, dass die Gemeinde Taufers im Münstertal stark betroffen ist, und zwar auf beiden Talseiten. Es sei der Gemeinde und auch der Interessentschaft Tella als größte Waldbesitzer mittlerweile zwar gelungen, zusammen mit der Forststation Mals und fleißigen Waldarbeitern relativ viel befallenes Fichten-Holz aus den Wäldern zu bringen, „aber diese Maßnahmen sind leider Gottes nicht viel mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Erschwerend hinzu kommen u.a. die Steilheit der Wälder und das teilweise unwegsame Felsgelände. Zusammen mit der Trockenheit, den Hitzeperioden, den „warmen“ Wintern mit wenig Niederschlag und weiteren Wetterextremen, wie sie der Klimawandel nach sich zieht, sowie mit den überall verstreut vorkommenden Schneedruckschäden der Jahre 2019 und 2020 und dem außergewöhnlichen Borkenkäferbefall seien ausgedehnte Waldflächen in eine arge Stresssituation geraten. Besonders auf reinen Fichtenaltholzflächen, wo die Fichten bereits aufgrund ihres Alters weniger vital sind und empfindlicher auf Veränderungen reagieren, lässt sich ein stärkerer Befall beobachten als auf Flächen, wo andere Baumarten wie die Lärche oder Tanne als Mischbaumarten vorkommen oder die Fichten jünger und reaktiver sind. Wirklich Abhilfe schaffen kann laut Pegoraro nur die Natur, sprich bessere Wetterbedingungen und das Ausbleiben von Extremwitterungen in Form von Sturm, Nassschnee oder Dürreperioden. Neben dem Buchdrucker, der die Fichten befällt, kommt in Taufers im Münstertal schon seit Jahren auch der Große Lärchenborkenkäfer vor. Auf den Flächen in den „Leiten“, die in den 1980er und 1990er Jahren mit Lärchen aufgeforstet wurden, habe man den Schädling mit gezielten Schlägerungen und Entrindungen mit den Forstarbeitern ziemlich gut in den Griff bekommen. Mehr Sorgen bereiten dem Förster in dieser Hinsicht derzeit die alten Lärchen unterhalb der Schlösser (Burgruine Rotund und Reichenberg), denn der Lärchenborkenkäfer befällt nicht wie üblich Lärchen mit schwächeren Durchmessern, sondern jahrhundertealte Exemplare.

Josef Laner
Josef Laner

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