Dieses Giebelbild von Giuseppe Gutgsell zeigt die Örtlichkeit Heilige Drei Brunnen.
Die Veranda ist das einzige noch verbliebene Fachwerkhaus in Stilfs.
Hochwertige Materialien brauchte es beim Bau von Fachwerkhäusern nicht.
Roland Angerer zeigt auf einen der 11 Trinksprüche.
Der kürzeste der Trinksprüche.
Roland Angerer sperrt die Tür zur Veranda auf.

„Es soll wieder ein Ort der Begegnung für alle werden“ 

Einzigartiges Fachwerkhaus in Stilfs wird saniert. Hinweise und Informationen sind willkommen.

Publiziert in 2 / 2022 - Erschienen am 1. Februar 2022

Stilfs - Im Dorfkern in Stilfs, genauer gesagt im Außerwinkel, steht ein ganz besonderes Gebäude. Es handelt sich um ein Fachwerkaus, das 1895 errichtet wurde und als sogenannte Veranda zu einem angrenzenden Gasthaus gehörte, in dem auch ein Krämerladen untergebracht war. 1912 stellte das Gasthaus den Betrieb ein und seither gehört auch die Veranda zu den ungenützten Gebäuden im Dorf. „Es ist fast schon ein Wunder, dass die Veranda überhaupt noch steht und nicht von allein eingestürzt ist,“ erzählt Roland Angerer, Ortsbeauftragter des Heimatpflegeverbandes und Gemeinderatsmitglied, während er für den der Vinschger die Tür zum Fachwerkhaus öffnet. Er sammelt schon seit Jahren Informationen zur Geschichte des Gebäudes und der früheren Besitzer. Vieles konnte er bereits in Erfahrung bringen, „doch es gibt noch Lücken und ich wäre froh, wenn ich diese schließen könnte. Alle, die mir in diesem Sinn weiterhelfen können, sind gebeten, sich bei mir zu melden. Meine Telefonnummer lautet: 349 838 9770.“

Kleinod der besonderen Art 

Fachwerkhäuser gab es in Stilfs einst noch andere. Die Veranda ist das einzige, das noch verblieben ist. Wie Roland Angerer herausgefunden hat, war es der handwerklich versierte Ludwig Angerer aus Stilfs, der das Gasthaus und die Veranda 1895 erbaut hat. Er war damals erst 27 Jahre alt. Nach dem verheerenden Dorfbrand, der 1862 in Stilfs gewütet hat (75 Gebäude brannten ab, 120 Familien bzw. 600 Dorfbewohner verloren ihr Hab und Gut), entstanden viele neue Gebäude. Dass auch Fachwerkhäuser dazugehörten, könnte darauf zurückzuführen sein, dass Stilfser, die auf der Suche nach Arbeit ausgewandert waren, diese Art des Hausbaus im süddeutschen Raum kennengelernt und nach der Rückkehr selbst umgesetzt haben. Es könnte sich zum Teil sogar um ehemalige Schwabenkinder gehandelt haben. Eine wichtige Rolle spielte laut Roland Angerer sicher der Umstand, dass es für den Bau von Fachwerkhäusern nicht hochwertige Materialien brauchte und die Häuser mehr oder weniger in Eigenregie errichtet werden konnten. Ludwig Angerer, der Erbauer des Gasthauses, ist 1912 im Alter von nur 44 Jahren gestorben. Seine Frau Ursula zog nach Reschen. Das Paar war kinderlos geblieben. 1912 war auch das Jahr, in dem der Gasthausbetrieb für immer eingestellt wurde. Roland Angerer hatte sich zwar bei einem mittlerweile verstorbenen Stilfser, Jahrgang 1921, erkundigt, doch dieser konnte sich nicht daran erinnern, dass das Gasthaus geöffnet gewesen wäre. 

„Den Esslöffel immer in der Hemdtasche“

Kein großer Altersunterschied bestand zwischen Ludwig Angerer und dem „Volksmaler“ Giuseppe Gutgsell, den man „Moler Sepp“ nannte und der als armer Künstler regelmäßig bei Familien, die er kannte, einkehrte, wobei er immer seinen Esslöffel in der Hemdtasche stecken hatte. Giuseppe Gutgsell, geboren 1877 in Prad und gestorben am 4. Februar 1956 in Schlanders, war mit Ludwig Angerer, geboren 1968, gut bekannt und befreundet. Der „Moler Sepp“ war ledig und in Stilfs ansässig. Auch seine Mutter lebte im Dorf. Die Veranda hat Gutgsell mit zwei großen Giebelbildern ausgestattet. Eines davon zeigt die Örtlichkeit Heilige Drei Brunnen, das andere eine Almlandschaft am Fuße des Ortlers. Außerdem dürfte Gutgsell auch die Malerarbeiten geschaffen, von denen 11 originale Trinksprüche an den Innenwänden umrahmt sind. Einer dieser Sprüche lautet: „Mir sein beieinander g’hockt.
Koans hat a Wörtl g’sagt. Wir haben bei aller Liab a bißl g’stritten g’habt.“

„Uli Veith hat Wort gehalten“

Das Gasthaus, die Veranda und der ebenfalls dazugehörige Stall wechselten mehrmals Besitzer. Der vorletzte letzte davon - er lebt in Deutschland - wollte alle Baulichkeiten abstoßen. Das Gasthaus wurde verkauft und dient schon seit Jahren als Zweitwohnung. Die Veranda und den Stall hat vor einigen Jahren der ehemalige Malser Bürgermeister Uli Veith gekauft. „Schon damals sicherte uns Uli Veith per Handschlag zu, die Veranda an die Gemeinde abzutreten, falls sie Interesse daran habe, das Gebäude zu sanieren und einem öffentlichen Zweck zuzuführen“, so Roland Angerer. Uli Veith habe Wort gehalten, sodass die Veranda jetzt zu einem sehr angemessenen Preis in das Eigentum der Gemeinde übertragen werden kann. Die dafür notwendigen Geldmittel sind auf Betreiben von Vizebürgermeister Armin Angerer im Haushalt 2022 eingebaut worden. Der Stall wurde an einen Privaten verkauft und soll wieder landwirtschaftlichen Zwecken zugeführt werden.

„Viele positive Kräfte“

Dass es gelungen ist, die Veranda in das Eigentum der Gemeinde zu überführen und damit die Voraussetzungen für die nun anstehende Sanierung zu schaffen, ist laut Roland Angerer dem Zusammenspiel vieler „positiver Kräfte“ zu verdanken: ehemalige Besitzer, Gemeinde, Heimatpflegeverband, Nachbarn (Ex-Gasthaus) und Landesdenkmalamt. Die Landesregierung hat das Fachwerkhaus am 6. Juli 2021 auf Vorschlag der Denkmalpflege-Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer unter Denkmalsschutz gestellt. „Das Fachwerkhaus ist ein kleines Juwel, das wir als Baudenkmal und kulturelles Erbe auch für künftige Generationen erhalten wollen“, sagte Hochgruber Kuenzer. Die Landeskonservatorin Karin Dalla Torre hatte in ihrer Bewertung festgehalten, „dass die bauzeitlichen Fenster, Türen und Böden erhalten sind.“ Dieses kleine Fachwerkgebäude wirke auf den ersten Blick unscheinbar, „ist aber ein wichtiger Erzählfaden in der Geschichte dieses einzigartigen romanischen Haufendorfes Stilfs.“ Der nächste große Schritt ist jetzt die Sanierung des Gebäudes, wobei sich die Gemeindeverwaltung um Geldmittel umschauen will und muss. Die Entscheidung über die Nachnutzung steht noch aus. Der Herzenswunsch von Roland Angerer ist es, aus der sanierten Veranda einen offenen Ort der Begegnung für alle zu machen: „Auch das Gasthaus war ein Ort der Begegnung und zu einem solchen sollte auch das Fachwerkhaus werden.“ Vorstellen könne er sich u.a. kulturelle Veranstaltungen und Nutzungsmöglichkeiten für die Vereine von Stilfs. Hand in Hand mit der Sanierung könnte das Dorf ein Stück weit aufgewertet werden. Der Erhalt und die Nachtnutzung dieses Kleinodes seien ein kleiner Baustein in diese Richtung. „Nur, wenn wir Vergangenes kennen, schätzen und schützen, verstehen wir die Gegenwart und finden Orientierung für die Zukunft“, ist Angerer in einem weiter gefassten Kontext überzeugt.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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