Am Referententisch Herwig van Staa, Wolfgang Somary, Johannes Graf Trapp, Andreas Khol und Klaus Schredelseker (v.l.)

„Extra Europam nulla salus“

Publiziert in 37 / 2016 - Erschienen am 19. Oktober 2016
„Lichtblicke in schwierigen Zeiten“ lauteten Thema und Botschaft der 31. Churburger Wirtschaftsgespräche. Schluderns - Die Wirtschaftsgespräche werden seit einigen ­Jahren mit Blasmusik im Schlosshof eröffnet und mit „Kammermusik“ abgeschlossen. Den Auftakt machten Kapellmeister Hubert Eberhöfer und die Musikkapelle Schluderns mit der heimlichen Landeshymne „Wohl ist die Welt so groß und weit“. Den klassischen Ausklang gestaltete die Universitätsprofessorin für Klavier, Marlies Nussbaumer-­Eibensteiner, am Hammerklavier der Churburg. Den eigentlichen Einstieg in die Tagung zelebrierte Johannes Graf Trapp wie immer mit Elan und Humor, bezeichnete sich und weitere Mitglieder als „überaltert“ und stellte organisatorische Weichen. In Zukunft werden ihm Johannes Rief für Nordtirol und der aus Schluderns stammende Geschäftsführer einer Unternehmungsberatung, Markus Weishaupt, für Südtirol als Assistenten zur Seite stehen. Es folgten die Ehrung Robert Weißensteiners, ehemals Chefredakteur der „Südtiroler Wirtschaftszeitung“, der Dank an die Sponsoren und die Vorstellung der Referenten. Unter den Zuhörern saßen als einheimische Ehrengäste Abt Markus Spanier, Kloster Marienberg, Pfarrer Paul Schwienbacher, Bürgermeister Peter Paul Trafoier, sein Vorgänger Erwin Wegmann, HGV-Präsident Manfred Pinzger und für die Frauen im Handwerk Rita Egger. Graf Trapp stellte den neuen Schludernser Bürgermeister als „früheren Ministranten in der Schlosskapelle“ und „Schweizer Arbeitnehmer“ vor. Einfach, klar und korrekt nach Etikette wandte sich der 1. Schludernser Bürger in seiner Begrüßung an das Gastgeberpaar Gräfin Cecily und Graf Johannes Trapp. Die Wertediskussion ist in Gang gesetzt Im Einführungsreferat meinte der Nordtiroler Landtagspräsident Herwig van Staa, dass es viel leichter wäre, über Probleme zu sprechen und am Wirtshaustisch für alles Lösungen zu präsentieren. Als einer der Vizepräsidenten des Kongresses der Regionen im Europarat könne er durchaus einige Lichtblicke erkennen. „Es hat sich vor allem im Bewusstsein sehr viel geändert“, so van Staa. „Die Wertediskussion, die derzeit in ganz Europa geführt wird, hat es in diesem Umfang noch nicht gegeben.“ Sogar in Russland sei eine derartige Diskussion im Gange. „In der Wertediskussion sehe ich die große Chance und einen Lichtblick“, erklärte van Staa. Er nannte den Lissabon-Vertrag mit der Aufwertung der Regionen und der Gründung der Europaregion für die grenzüberschreitende regionale Zusammenarbeit, aber auch­ ­Projekte wie den Brennerbasistunnel als wichtige Lichtblicke. Ohne Europa geht nichts Der Erfinder des diesjährigen Tagungsthemas, der 82-jährige Privatbanker Wolfgang F. Somary, sah Weltuntergangsstimmung wie 1913, aber auch einzelne Menschen, die „Lämpchen in der Dunkelheit anzünden“. Moderator Klaus Schredelseker, ein Wirtschafts­wissenschaftler und Mann der ersten Stunden bei den Churburger Gesprächen, nannte die Herangehensweise von van Staa „systemisch“ und von Somary „individuell“. Die Lichtblicke wurden von weiteren Teilnehmern durch mehrere Beispiele, darunter auch mit dem Hinweis auf die Hilfsaktionen in Rumänien durch den Passeirer ­Peter Lanthaler, untermauert. Der intensive Vortragsvormittag erreichte einen Höhepunkt mit dem Referat „Wenn Europa ein Lichtblick bleiben will, muss es sich ändern“ von Universitätsprofessor und Präsident a.D. des österreichischen Nationalrats, Andreas Khol. Die Zuversicht nach dem Fall der Mauer und dem Ende des Kommunismus sei einer weltweiten Krisenangst gewichen, hervorgerufen nicht nur durch blutige Kriege und Flüchtlinge in Europa. Khol sprach vom „Wildwuchs im europäischen Regelwerk“, von zu ehrgeizigen Zielen, von Staaten 1. und 2. Klasse. Trotzdem seien sich alle bewusst: „Extra Europam nulla salus“, ohne Europa keine Lösung. Einen Lichtblick sah Khol in der Geschichte, die zeige, wie aus Krisen Chancen entstünden. Tourismus ist Lichtblick, nicht Heilsbringer Ob der Tourismus ein Lichtblick in schwierigen Zeiten sein kann, versuchte Harald Pechlaner, Professor an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und einziger Südtiroler Referent, in „einer kritischen Auseinandersetzung“ festzustellen. Er fragte sich auch, ob man nicht nur nach Lichtblicken heische, um „gesellschaftliche Beruhigungspillen“ einzunehmen. Der Tourismus betreffe uns alle, sorge für Stabilität in der Wirtschaftskrise, bringe Weltoffenheit, trage aber viele Schatten in sich durch Preissteigerung und Abwanderung. Dass Europa ein Lichtblick mit Ausrufezeichen und nicht mit Fragezeichen sei, versuchte als letzter Referent der Tübinger Chemieprofessor, Wirtschafter und Politiker Wolfgang P. Hiller zu beweisen. Er stellte fest: „Nie zuvor haben Mitglieder der europäischen Familie einander nötiger gehabt“ und hält Europa für eine Haltung. „Wer am Schiff Europa weiterbauen möchte“, spielte er auf einen Ausspruch von Antoine de Saint-Exupéry an, „der muss die Sehnsucht nach Frieden und Recht innerhalb von ­materiellem, vor allem auch kul­turellem Wohlstand wecken.“ Günther Schöpf
Günther Schöpf
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Vinschger Sonderausgabe

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