Fliegende Messgeräte
Schmetterlingsstudie in Mals präsentiert: Forscher Gerhard Tarmann seit 1966 im Vinschgau den Widderchen auf der Spur.
Mals - Sie haben leuchtend rote Punkte auf ihren Flügelchen oder schimmern grün und blau; zarte Namen schmücken die Widderchen, diese tagaktiven Nachtfalter: Sonnenröschen-Grünwidderchen oder Hornklee-Widderchen sind nur einige davon. Ihr Gift kann gefährlich sein, ihre Sensibiliät ist enorm: Auf Luftkontaminationen reagieren die Zygänen, eine Familie der Schmetterlinge, äußerst empfindlich. Kurz: Wo es sie zahl- und artenreich gibt, ist die Luft noch in Ordnung.
Daten und Fakten aus fast 50 Jahren zusammengeführt
Mit der Erforschung dieser hochsensiblen Bioindikatoren im Gemeindegebiet Mals – im Auftrag des Heimatpflegevereins der Gemeinde Mals – ist es Gerhard Tarmann, Schmetterlingsforscher, Gründer und ehemaliger Leiter des Forschungszentrums für Schmetterlinge im Alpenraum am Ferdinandeum/Innsbruck, gelungen, eine in Europa einzigartige Studie zu präsentieren. Denn der Zoologe konnte auf wissenschaftliche Daten zurückgreifen, die das Vorkommen der Widderchen, aber auch des europaweit stark gefährdeten Felsenfalters (Chazara briseis) im Vinschgau seit 1972 dokumentieren.
Artenreichtum in Mals
143 Standorte hatte der Forscher im Laufe der letzten vier Jahre überprüfen können. Wovon andere Gebiete nur träumen, ist in der Gemeinde Mals noch Tatsache: Die Größe der Felsenfalter-Population an den Vinschger Berghängen ist europaweit einzigartig: für die im Graubündner Val Müstair exisitierenden Falter ist übrigens die Vinschger Population überlebensnotwendig. „Und auch die ansonsten in weiten Teilen Mitteleuropas stark zurückgegangen Arten der Widderchen, wie beispielsweise das Mann‘sche Grünwidderchen, das Esparsetten-Widderchen oder das Kupferglanz-Grünwidderchen“, so Tarmann, „kommen alle in Mals noch vor“. Dieser Reichtum von insgesamt 16 Arten mache Mals zu einem der bedeutendsten Schmetterlingszentren des Alpenraumes, erklärte der Zoologe.
Beobachtungen zeigen: Pestizide verdrängen die Widderchen
Und doch ist Grund zur Sorge: Das Versiegeln von Flächen, zu frühe und zu häufige Mahd, das Fehlen von Blühstreifen, artenarme Monokulturen und zu viel Gülle auf den Wiesen, sie alle sind mitverantwortlich für das Verschwinden von Zeiger-Arten. Nun belegen die Beobachtungen auch die Konsequenzen vordringender Monokulturen und ausgebrachter Pestizide und zeigen, inwiefern der Hotspot Mals bereits beginnt, zu kränkeln: In Mals zeigen auch Standorte, die eigentlich ideale Habitate sein müssten, wie der Tartscher Bichl oder die unteren Tartscher Leiten, ein komplettes Fehlen der Widderchen, während andere Schmetterlinge und Insekten noch vorhanden sind. Auf der Malser Haide, die einen Schwund an früher dort nachgewiesenen Widderchen aufzeigt, würden auch die Faktoren der kaum noch blühenden Wiesen und deren Überdüngung mit eine Rolle spielen.
Saubere Luft und strukturreiche Landschaft: Unschätzbares Gut auch für den Tourismus
„Biodiversität“, sagte Tarmann am Abend des 30. November im Kulturhaus Mals, „ist ein Wert, der schwer zu klassifizieren ist“. Aber saubere Luft, eine strukturreiche Landschaft, vorhandene Schmetterlinge, Widderchen und Blumen sind ein Merkmal für eine intakte Natur. Für Joachim Winkler, Initiator der Studie, sind diese Fakten jetzt eine Ausgangsbasis für Maßnahmen, die in Zukunft für den Erhalt dieser messgenauen Bioindikatoren getroffen werden könnten. Aus Mals eine pestizidfreie Gemeinde zu machen, dürfte dazugehören. - Übrigens, ein Forscher-Highlight gab es ebenso: Tarmann fand 2017 in Mals – und erstmalig in Südtirol – die Adscita dujardini. (Entdeckt 2014 von Tarmann und Efetov). Ihre Raupe lebt am Blutroten Storchschnabel, der wiederum vor allem trockene und kaum gedüngte Wiesen beansprucht.